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Kultur: Debüt mit 65

Spannungsreiche Lesung von Holde-Barbara Ulrich

Sie gehört der Generation der so genannten jungen Alten an. Mit hochgesteckten Haaren, erhobenen Hauptes und wachen Blicks schritt sie schwarz gewandet durch den Raum. Am Dienstagabend las die Journalistin Holde-Barbara Ulrich in der Stadt- und Landesbibliothek im Rahmen der 16. Brandenburgischen Frauenwoche, die unter dem Motto „Mit Recht und Courage – Frauenrechte zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ steht, aus ihrem ersten Roman „Margrets Mann“, der im letzten Jahr erschienen ist.

Seit über vierzig Jahren schreibt sie: Zuerst Nachrichten beim ADN, seit der Wendezeit Reportagen und Porträts für angesehene Printmedien wie „Elle“, „Focus“ oder „Die Zeit“. 1995 erhielt sie den renommierten Egon-Erwin-Kisch-Preis. Bis zu ihrem Romandebüt war es trotzdem ein langer Weg, der eng mit ihrer DDR-Biografie verbunden ist. Holde-Barbara Ulrich – den ungewöhnlichen Vornamen „verdankt“ sie ihrer Großmutter und deren Bewunderung für die Goebbels-Familie – wurde 1940 in Templin geboren. Gleich nach der Schulzeit ging sie nach Berlin und verliebte sich in einen Afrikaner. Kurz nach dem Mauerbau verließ dieser das Land und konnte seine kleine Familie nie mehr wieder sehen. Denn Holde-Barbara Ulrich, damals einundzwanzigjährig, konnte ihre Heimat, ihre Eltern, ihre Arbeit nicht verlassen. Aus Angst vor Repressalien und möglicherweise auch vor der eigenen Courage. Stattdessen wächst ihre schwarze Tochter bei den Großeltern auf, sie selbst macht Karriere als Journalistin, der Vater des Kindes wird von ihr totgeschwiegen. So lange, bis sich die fast erwachsene Tochter selbst auf den Weg nach Afrika macht.

Die aufwühlende und berührende Geschichte dieser Vatersuche hat die Journalistin vor sechs Jahren in der autobiografischen Geschichte „Zuhause ist kein Ort“ aufgeschrieben und damit versucht, lange Unausgesprochenes aufzuarbeiten. Bereits 1990 erschien „Schmerzgrenze“, eine Sammlung von Porträts prominenter Frauen aus der ehemaligen DDR. Und nun im letzten Jahr „Margrets Mann“ – die fiktive Geschichte einer obsessiven Liebe und einer ungewöhnlichen Dreiecksbeziehung.

Die Autorin erzählte, bevor sie eine Schlüsselszene aus ihrem Roman las, sehr bereitwillig und ausführlich aus ihrer eigenen spannungsreichen Biografie. Denn auch die Figuren der Romanhandlung haben viel mit Gefühlen von Verdrängung, diversen Verlustängsten und der Unfähigkeit, loslassen zu können, zu tun. Die langjährige Geliebte und Ich-Erzählerin Klara ist die Beobachterin einer äußerst brisanten Konstellation: Sie selbst und die betrogene Ehefrau treffen sich zum ersten Mal während der seit 13 Jahren bestehenden Dreiecksbeziehung. Margret teilt ihren Entschluss mit, sich von ihrem Mann scheiden zu lassen, ihn freizugeben. Doch statt Erleichterung löst diese, von der Geliebten lang ersehnte Entscheidung, ungeahnte Ängste bei ihr aus.

Mit der genauen Beschreibung des subtilen Treffens der beiden Frauen, verbunden mit der inneren Reflexion über die Erwartungen der Hauptfigur, die den Zuhörer fast allesamt in die Irre führen, gelang es der Autorin, eine beinahe unerträgliche Spannung aufzubauen. Beide Frauen, eigentlich Konkurrentinnen, geraten während ihrer ersten Begegnung in eine enge, fast freundschaftliche Beziehung. Ob und wie diese sich entwickelt, und wer am Ende der oder die lachende Dritte ist, wurde bei der Leseprobe nicht aufgelöst. Klar wurde jedoch, dass der Autorin ein fesselnder Debütroman gelungen ist und dass gerade frau weitere vitale Geschichten aus der Feder dieser lebens- und schreiberfahrenen Erzählerin erwarten kann. Nach über einer Stunde gab es herzlichen Applaus der überwiegend weiblichen Zuhörer. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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