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DDR-Kunst-Schau am Museum Barberini: „Selbstbehauptung ist per se subversiv“

Direktorin Ortrud Westheider spricht im Interview mit PNN-Redakteurin Lena Schneider über die geplante DDR-Kunst-Schau am Museum Barberini.

Frau Westheider, im Katalog zur Ausstellung „Hinter der Maske. Künstler in der DDR“, die am 29. Oktober eröffnen wird, schreiben Sie, die Schau wolle die Möglichkeiten der DDR-Kunst ausloten, „über die Kunst in der Kunst zu handeln“. Was heißt das?

Wir sind bei der Ausstellung von zehn Werken aus der Sammlung des Museums Barberini ausgegangen, die sich alle mit Themen beschäftigen, die Künstler schon seit der Renaissance behandeln. Das sind Themen der künstlerischen Selbstpositionierung und Selbstbehauptung. Valerie Hortolani, die die Schau gemeinsam mit Michael Philipp kuratiert, hat eine große Untersuchung gestartet und herausgefunden, dass diese Themen sehr wichtig in der DDR-Kunst von 1949 bis 1989 waren. Wir zeigen, wie Künstler die Selbstinszenierung in einem Regime thematisiert haben, das mit Überwachung und hohen Erwartungen an den Künstler strenge Vorgaben machte. Das Thema der Selbstbehauptung ist per se subversiv.

Inwiefern?

Weil man sich damit als Künstler aus dem Kollektiv herausstellt und einen kreativen Spielraum behauptet, den es immer schon gegeben hat und der die Zeiten auch überdauert. Man nimmt sich also die Freiheit, außerhalb des Politischen und außerhalb der Ansprüche, die an einen gerichtet werden, seine eigene Position zu bestimmen. Das ist eine starke Behauptung von Souveränität.

Und welche „Handlungsmöglichkeiten“ der Kunst haben Sie in der Ausstellung konkret aufgetan?

Es gibt ein Nebeneinander von individuellen Ansätzen. Es gibt aber auch die Differenzierung der Medien. Im Lauf der Zeit kommen neue Medien dazu. Es beginnt mit der Skulptur und der Malerei, später gehören auch Fotografie, Film und Aktionskunst ganz selbstverständlich zu den künstlerischen Ausdrucksmitteln. Das ist eine Entwicklung, die seit den 1960er Jahren international stattfindet – und sie findet auch in der DDR statt.

Ist das eine Thesen der Schau: Die DDR-Kunst war gar nicht so isoliert, wie es oft angenommen wird?

Ja. Dafür spricht auch, dass die Abstraktion trotz der Anfeindungen in der Formalismusdebatte immer eine Rolle spielte. Auch wenn ein Künstler wie Hermann Glöckner keine große Öffentlichkeit hatte, war er unter den Künstlern hochgeschätzt. Schon sein Beharren auf Abstraktion ist in den 1950er Jahren mutig und vorbildlich. Abstrakte Stile galten als dem Westen zugehörig. Solche Arbeiten haben wir auch mit einbezogen, weil es der künstlerischen Souveränität Ausdruck verleiht, die wir zeigen wollen.

Können Sie Beispiele nennen, wo die DDR-Kunst ans internationale Kunstgeschehen anschließt?

Wir haben Künstlerinnen und Künstler der Mail Art in der Ausstellung dabei, das war eine internationale Bewegung. Und auch die Gruppe der Autoperforationsartisten steht im Kontext mit dem, was in der Aktionskunst international versucht wurde. Die DDR-Künstler bildeten hier eine Parallele zu internationalen Strömungen. Bei den Kollektiven ist das genauso. Seit den 1960er Jahren gab es Künstlergemeinschaften, die ein gemeinsames Werk schufen.

Sind auch spezifisch Potsdamer Künstler dabei?

Ja, wir haben ein Gruppenbild von Potsdamer Künstlern von Karl Raetsch dabei.

Parallel zu der Schau, die auch Kunstwerke enthält, die zu DDR-Zeiten nicht offiziell ausgestellt werden durften, zeigen Sie „Staatskunst“ – die 16 Gemälde, die im Palast der Republik hingen. Warum?

Die Ausstellung „Hinter der Maske“ ist groß angelegt und repräsentiert mit 117 Kunstwerken von 83 Künstlerinnen und Künstlern den gesamten Zeitraum der DDR, mit dem Fokus auf die Künstler-Problematik. Als Ergänzung dazu gibt es eine Dokumentation der 16 Kunstwerke aus der Palastgalerie im Palast der Republik, die 1976 eröffnet wurde. Sie zeigt einen zeitlichen Schnitt. Alle 16 Werke wurden 1975 gemalt, in der Phase der relativen Liberalisierung der Künste nach der Machtübernahme von Erich Honecker und vor der Ausbürgerung von Wolf Biermann. Eine Zeit also, in der der Sozialistische Realismus noch irgendwie gelebt wurde, aber noch nicht einmal mehr in den Bildern in der Palastgalerie funktioniert hat. Mit der Gegenüberstellung möchten wir die Möglichkeit geben, die Gemälde, die seit 20 Jahren im Depot aufbewahrt wurden, wieder zu studieren, sie ernst zu nehmen und zu vergleichen.

Ein interessantes Spannungsfeld: Einerseits geht es um die Souveränität des Künstlers, andererseits zeigen Sie die Werke, die von der Ideologie bestimmt waren.

Michael Philipp hat die 16 Werke der Palastgalerie im ersten Band der Barberini Studien erstmals genauestens dokumentiert und auch die Geschichte ihrer Beauftragung erforscht. Es ist weitaus komplexer, als man sich das vorstellt – sowohl vom Auftrag her, als auch in der Ausführung. Die Galerie stand unter dem Motto „Dürfen Kommunisten träumen?“ Das hat zum Beispiel Wolfgang Mattheuer als Freibrief ausgelegt und ein Bildthema gewählt, dass er ohnehin malen wollte. Man sollte also auch kritisch mit dem pauschalen Urteil „Staatskunst“ umgehen.

Die Ausstellung sucht einen frischen, unideologischen Blick auf die DDR-Kunst. Wie würden Sie diesen neuen Blick auf die DDR-Kunst beschreiben?

Es entsteht ein „frischer Blick“, wenn sich eine neue Generation aus kritischer Distanz mit dem Thema befasst. In unserer Ausstellung zeigen wir neun Themenräume, in denen wir Werke aus verschiedenen Jahrzehnten ikonographisch vergleichen. Das Thema der Selbstbehauptung wird an Motiven wie dem Maskenspiel, der Figur des Alter Ego oder den Bezügen auf die Alten Meister untersucht. Uns geht es darum, die Kunstwerke selbst zu befragen und sie in die Kunstgeschichte einzuordnen. Hier gibt es noch sehr viel zu erforschen.

Haben Sie ein Beispiel, wie DDR-Kunst sich auf klassische Themen bezog?

Ein Leitmotiv ist die Maske. Sie ist deutlich sichtbar, zeigt, wie jemand sich verstellt oder tarnt, sich einen Schutzraum schafft. Es wird demonstriert, dass er eine Rolle spielt. Dieses Motiv gibt es schon in ganz frühen Werken der DDR-Kunst aus den 1950er Jahren, und es zieht sich durch bis zu Cornelia Schleime. Und solchen Themen, dem Motiv des Narren wie bei Ebersbach, dem Seiltänzer wie bei Trak Wendisch, widmen wir unsere Themenräume. Diese prekären Kunstfiguren vertreten den Künstler und seinen Anspruch auf kreative Spielräume.

Die Ausstellung eröffnet zu einem Zeitpunkt, an dem in Potsdam das Erbe der DDR wieder besonders stark diskutiert wird. Das Museum Barberini steht gegenüber der Fachhochschule, die demnächst abgerissen wird. Wie sehen Sie die Rolle des Museums in Potsdams aufgeheizter Debatte um die DDR?

Das Museum Barberini möchte auch mit künftigen Projekten zur Erforschung der Kunst in der DDR beitragen, um ihr in der Kunstgeschichte einen Ort zu geben.

Sie nehmen die Historikerpespektive ein, treten einen Schritt zurück vom Geschehen?

Als Kunsthistoriker stehen wir einer abgeschlossenen Periode gegenüber, der Zeit von 1949 bis 1989. Wenn wir uns mit dieser Epoche beschäftigen, historisieren wir auch Künstler, die nach der Wende eine wichtige künstlerische Entwicklung hatten. Das mag die beteiligten Künstler befremden, ist aber ein ganz normaler Prozess der Würdigung. Und es ist wichtig, jetzt damit anzufangen. Die meisten Museumskuratoren an den Museen sind bereits keine Zeitzeugen mehr, sondern haben bereits die kritische Distanz, die es braucht. Gleichzeitig gibt es jetzt noch die Möglichkeit, viele der Künstler noch zu befragen und so neue Quellen zu schaffen.

„Hinter der Maske“ soll nur der Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung des Museum Barberini mit der DDR-Kunst sein. Was kommt als nächstes?

Die Sammlung der DDR-Kunst ist ja weitaus größer als das, was wir in der neuen Ausstellung zeigen – sie umfasst etwa 80 Werke. Wir haben vor, immer wieder mit einem thematischen Schwerpunkt Schauen zu machen, gern auch im Austausch mit anderen Museen.

Die Fragen stellte Lena Schneider

Ortrud Westheider, 1964 in Versmold geboren, ist Kunsthistorikerin. Sie leitet seit 2016 das Museum Barberini. Die Ausstellung „Hinter der Maske“ eröffnet am 29. Oktober.

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