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Besuch der Harpyie. Das Werk von Willi Sitte 1955 erinnert an Picasso und Chagall.

© Repro: Manfred Thomas /VG Bild-Kunst, Bonn 2019

DDR-Kunst im Museum Barberini: Picasso hinter der Mauer

Wer die neue Picasso-Schau im Museum Barberini in Potsdam besucht, sollte die sechs Räume mit DDR-Kunst keineswegs links liegen lassen. 40 Werke sind es bereits, die auch Bezüge zu Picasso erkennen lassen.

Potsdam - Picasso überstrahlt alles. Ihm gehört schließlich die bislang größte Ausstellung im Barberini. Dennoch sollte man die sechs Räume mit Kunst aus der DDR keineswegs links liegen lassen. Inzwischen sind es bereits 40 Arbeiten von 15 Künstlern, die hier aus der hauseigenen Sammlung des Museumsstifters Hasso Plattner fernab einer glorifizierenden Staatskunst bildmächtig über ihre Zeit hinaus wirken. Und auch zu Picasso rüber schielen.

Einfluss von westlichen Künstlern auch in der DDR

Schließlich galt der große Modernist vielen als Inbegriff künstlerischer Freiheit. „Weder die kulturelle noch die politische Abschottung der DDR gegenüber der westlichen Welt konnte verhindern, dass sich sein Einfluss im Werk etlicher Künstler der DDR niederschlug“, heißt es in der Doktorarbeit von Marie Lau zum Thema „Die Picasso-Rezeption in der DDR“, die im Barberini-Museumsshop für 82,95 Euro erhältlich ist.

Ansonsten ist dieses Thema bislang kaum beackert worden. Was sich wohl ändernd wird, wenn sich 2021 das Museum Ludwig in Köln dieses Themas annimmt.

Solange aber kann man im Barberini selbst Vergleiche ziehen und sinnfällig erleben, wie beispielsweise Picassos Kubismus in Stefan Plenkers’ Malwelt hineinfällt oder sich die berühmten Tauben beim frühen Willi Sitte als Adaption einnisten: freie Interpretationen, die sich um den eigenen Kosmos drehen.

Bei Plenkers betreten wir traumartige abstrakte Räume oder lauschen seiner „Vision in Weiß“, in der maskenhafte Frauengesichter in harmonischem Klang miteinander verschmelzen. Von Willi Sitte sehen wir den „Besuch der Harpyie“ von 1955, als er sich noch stärker mythologischen Themen widmete. Elegant und leichtfüßig kommen seine Harpyien, diese Mischwesen aus Frau und Vogel, daher, die für Leben und Tod stehen. Aus dem Schnee steigen sie erwartungsvoll in die Lüfte – und erinnern neben Picasso an Chagall. Auch die Füße dieser gefiederten Wesen sind Sitte in dieser zarten Malerei durchaus gelungen. Picasso quälte sich zeitlebens damit rum, ohne die Erwartungshaltung seines gestrengen Vaters, der Tiermaler war, ganz zu erfüllen. Das bekannte er jedenfalls in einem Interview.

Ein ganz anderer Sitte schaut aus dem „Selbstbildnis mit Tube und Schutzhelm“ von 1984 den Betrachter an: hier dem sozialistischen Realismus ins Auge blickend, dem er sich nach Formalismusdebatten Ende der 50er-Jahre beugte und den er bald selbst mit predigte.

Die Barberini Collection wird nach und nach weiter Raum greifen und sich drei thematischen Schwerpunkten widmen. Die vier Künstler Erika Stürmer-Alex, Günter Firit, Hartwig Ebersbach und Stefan Plenkers zeigen seit November 2018 in zwei Räumen ihre „Aspekte des Malerischen“. Vier weitere Räume präsentieren nunmehr parallel zu Picasso die „Moderne Historienmalerei“, die zeigt, wie sich vor allem in den letzten zwei Jahrzehnten die Künstler der DDR verstärkt historischen, mythologischen und religiösen Themen widmeten, um ihre ganz persönliche Reflexion in Metaphern zu kleiden.

Drei Arbeiten von Harald Metzke zu sehen

Von Harald Metzkes, der ursprünglich in diesem Jahr im Potsdam Museum eine Ausstellung erhalten sollte, sind drei Arbeiten im Barberini zu sehen, darunter sein sehr expressiver „Regentag im Atelier“, der die Welt geradezu auf den Kopf stellt und tanzen lässt. Auch der „Getreue Hirte“ von 1969 ist zu sehen und zeigt die Doppeldeutigkeit, mit der sich die Maler ihre eigene Bühne schufen, ohne sich der Kulturdoktrin zu beugen.

Ab 26. Oktober folgen weitere Werke zum Thema „Melancholie und Malerei und Landschaft“, sodass dann bis zum 2. Februar 2020 rund 80 Werke von Künstlern mit Wurzeln in der DDR das Museum Barberini durchziehen. Bislang sind nur zwei Frauen darunter: Neben Erika Stürmer-Alex zeigt Gudrun Brüne die hochdramatische Ermordungsszene „Judith und Holofernes“, gemalt 2007.

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