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Kultur: „Das war ihm das Wichtigste: Ruhm!“

Der Historiker und Ausstellungskurator Jürgen Luh über die Ruhmsucht bei Friedrich II. Von Cäsar lernte er, dass er schreiben muss.“

Es ist das Jahr des Königs. Zum 300. Jubiläum seiner Geburt ist Friedrich II. in Potsdam und Brandenburg das prägende Thema. Ob Konzert, Buchvorstellung, Theater oder Ausstellung, am berühmten Preußenkönig kommt man nur schwer vorbei. In den kommenden Wochen sollen an dieser Stelle die unterschiedlichen Facetten des Königs beleuchtet werden, der unter anderem auch Musiker und Philosoph, Kunstliebhaber und Dichter war.

Herr Luh, wenn von Friedrich II. gesprochen wird, ist da immer der Bezug zu seiner historischen Größe. Was macht für Sie diese Größe aus?

Wie Friedrich seine Größe zielgerichtet in Szene gesetzt hat, das finde ich ganz erstaunlich. Seine klug überlegten Bemühungen, sich ein Image zu geben und sich in die politische und kulturgeschichtliche Erinnerung Europas, ja der Welt einzuschreiben, macht für mich seine Größe aus. Daran zu arbeiten, dies sein Leben lang zu verfolgen und zu versuchen, seiner Größe einen Ewigkeitscharakter zu geben, damit man ihn, gleich Alexander, auch nach Jahrhunderten als Friedrich den Großen bezeichnet, das ist für mich eine große Leistung.

Wer Ihre Biografie „Der Große. Friedrich II. von Preußen“ liest, erfährt, dass er schon als Kronprinz von dieser Größe und dem damit verbundenen Ewigkeitscharakter nicht nur fasziniert war, sondern dies als entscheidende Antriebskraft verstand. Sie sprechen sogar von Ruhmsucht.

Ich hatte das erste Kapitel anfangs etwas abgemildert mit „Ruhmbegierde“ betitelt. Aber im Verlauf des Schreibens ist mir klar geworden, dass der Ruhm die beherrschende Antriebskraft Friedrichs war. Das kommt ja nicht nur in der Frühzeit zum Ausdruck. Wir haben ja zum Glück Aufzeichnungen aus Friedrichs letzten Lebensjahren und darin taucht Ruhm als sein wesentlicher Beweggrund wieder auf – mit ebenso starker Emotionalität und Intensität wie in den Jugendjahren. Friedrich selbst hat uns überliefert, dass ihn das Streben nach Ruhm sehr beherrscht hat, dass er wie ein Getriebener gewesen ist, der einer Sucht nachhängt.

Friedrich war also regelrecht besessen von diesem Gedanken an Ruhm?

Ich glaube schon. Das war ihm das Wichtigste: Ruhm! Und auf Ruhm folgt die Größe, und die wollte er. Er hat auch nie nachgelassen, diesen Weg zu gehen. Deshalb die Überschrift „Ruhmsucht“.

Ruhm zu erlangen, das bedeutete zu Friedrichs Zeiten vor allem Bewährung auf dem Schlachtfeld. In der Selbstdarstellung zumindest war ja Friedrich der große Feldherr, als der er gern gesehen werden wollte.

Ja, aber wenn man heute die Feldzüge von Friedrich genau betrachtet, sieht man, dass er nicht der beste preußische Feldherr war. Er war nicht so gut wie sein Bruder Heinrich und bei Weitem nicht so gut wie Ferdinand von Braunschweig, um nur zwei große Generäle dieser Zeit zu nennen. Aber die Menschen glauben zu machen, dass er im Feld der größte General gewesen sei und das, wenn man so will, bis ins 19. und 20. Jahrhundert, ja sogar manchmal noch bis heute, das zu schaffen ist schon ziemlich gut und groß!

Wie groß würden Sie die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit bei Friedrich bezeichnen, wenn im Rückblick seine Feldzüge doch nicht so erfolgreich waren?

Sein Anspruch war es, ein bedeutender Feldherr zu sein, und den hat er verwirklicht. Er hat sehr früh erkannt, dass es, um ewigen Ruhm zu erlangen, notwendig ist, als großer Feldherr in Europa wahrgenommen zu werden, im Kreis der Herrschenden, aber auch im Kreis der Intellektuellen, die ja damals die Meinung bestimmten. Er hat sich ein Beispiel an den antiken Heroen genommen, vor allem Alexanders und Caesars. Friedrich hat, wie diese, seinen Erfolg auf Kosten der Offiziere und Soldaten errungen, die für seinen Ruhm verwundet wurden oder gestorben sind. Erst in seinen späten Jahren erkannte er, dass die Art, ohne Rücksicht auf Verluste Krieg zu führen, seinem Ansehen schaden könnte. 1770 schrieb er deshalb ein Buch über die Lagerkunst. Darin wird er sehr zurückhaltend, sieht ein, dass er Fehler begangen hatte, mahnt nun zur Vorsicht, empfiehlt das genaue Studium des Terrains, sucht nicht mehr um jeden Preis die Schlacht. Und er handelte dann auch nach diesen Maximen. Er schlug keine Schlacht mehr.

Aber trotz dieser Einsicht ist er als erfolgreicher Feldherr entsprechend seiner Vorstellungen berühmt geworden.

Ja, weil Friedrich seinen Cäsar genau gelesen hat. Von Caesar lernte er, dass er schreiben muss. Denn wer schreibt, der bleibt. Caesar hatte seine Feldzüge selbst aufgeschrieben und damit zum großen Teil das Bild von sich selbst für die Nachwelt bestimmt. Das erkennt Friedrich schon nach seinen ersten Feldzügen, nachdem die Berichte von Dritten über seine militärischen Leistungen nicht so ausgefallen sind, wie er es sich gewünscht hat. So greift er selbst zur Feder. Denn niemand außer er selbst, bestimmt Friedrich, könnte über das, was er getan, gesagt und gedacht hat, angemessen schreiben. Andere dürften das auch gar nicht, weil deren Sichtweisen immer nur verfälschend sein würden. Friedrich wurde so sein eigener Historiker, der das, was er erreicht hatte, für die Nachwelt erhalten wollte und erhielt. Mit riesigem Erfolg: Bis ins 20. Jahrhundert ist Friedrichs Sichtweise als einzig wahre angesehen worden.

War die Ruhmsucht das Ergebnis seiner Erziehung zum Thronfolger oder doch mehr ein Resultat seiner Eigenwilligkeit?

Für sein Streben spielt das Verhältnis zu seinem Vater Friedrich Wilhelm I. eine große Rolle. Friedrich wollte ganz anders sein als sein Vater. Wenn wir beim Militärischen bleiben, hatte Friedrich Wilhelm zwar die preußische Armee aufgebaut, sie aber bis auf die kleine Ausnahme vor Stralsund 1715 nicht eingesetzt. Und er hatte sich, sicherlich berechtigt, viel Spott über die „Langen Kerls“ gefallen lassen müssen, die er sammelte, aber nicht einsetzte. Dem wollte Friedrich nicht ausgesetzt sein, so zurückhaltend wollte Friedrich nicht handeln. Vom Beispiel seines Vaters wollte er sich deutlich absetzen. Bestärkt wird er darin auch durch die Vorbilder der Antike.

Sie schreiben, dass selbst sein Fluchtversuch am Morgen des 4. August 1730 ihm Ruhm sichern sollte.

Ja, es war der erste große Schritt auf dem Weg dorthin. Es ist eine Meinung, dass Friedrich vor seinem Vater flüchten wollte, um sich in England oder Frankreich zu versuchen. Der Meinung kann ich mich nicht anschließen, denn weder die Briten noch die Franzosen hätten einen preußischen Thronfolger aufnehmen können, ohne diplomatische Verwicklungen zu riskieren, das wäre einfach nicht gegangen. Friedrich hätte außerhalb Preußens auch keine Entwicklungsmöglichkeiten gehabt. Er wollte nicht wirklich weg. Seinen Fluchtversuch hat er gut kalkuliert und inszeniert. So konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Durch die „Flucht“ gewann er den Abstand vom Vater, den er suchte und brauchte. Und er wurde mit einem Schlag in ganz Europa bekannt. Beides wollte er erreichen. Darauf hatte er die ganze Sache angelegt. Er hatte allerdings nicht damit gerechnet, dass ihn seine Handlung den Kopf kosten könnte und auch sonst niemanden.

Beim Kronprinzen Friedrich haben wir es also schon mit einem selbstbewussten, sehr gradlinigen Mann zu tun gehabt?

Ja, das kann man sagen. Friedrich entwickelte als Jugendlicher, vielleicht gar als Kind schon, sein Selbstbewusstsein gegen den Vater und erlangte dadurch eine Gradlinigkeit, die ich in dem Buch als Hartnäckigkeit bezeichnet habe. Denn er hatte bald erkannt, dass er zäh und beharrlich sein musste, wenn er sich durchsetzen und seine Ziele erreichen wollte, auch dass er dafür hart an sich arbeiten musste.

Das Gespräch führte Dirk Becker

„Der Große. Friedrich II. von Preußen“ von Jürgen Luh ist im Siedler Verlag München erschienen und kostet 19,99 Euro

Jürgen Luh, geb. 1963, ist Historiker bei der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und Mitorganisator der Ausstellung „Friederisiko“ im Neuen Palais. PNN

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