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Kultur: Das Unsichtbare sehen Pantomime mit Elias Liermann im „KuZe“

Mit flotten Posen tritt er hinter einer schwarzen Leinwand hervor, dieser Typ in Managerkluft und den hinter der mächtigen Hornbrille wie gehetzt wirkenden Blicken. Auf der Bühne steht nur ein Stuhl, auf dem er Platz nimmt.

Mit flotten Posen tritt er hinter einer schwarzen Leinwand hervor, dieser Typ in Managerkluft und den hinter der mächtigen Hornbrille wie gehetzt wirkenden Blicken. Auf der Bühne steht nur ein Stuhl, auf dem er Platz nimmt. In einem Restaurant, das genauso imaginär ist wie die Armbanduhr, auf die er in immer schnellerer Folge schaut, wie der Kaffee, den er hinunterstürzt und sich daran mit schmerzverzerrter Grimasse die Zunge verbrennt, wie die Mahlzeit, die er mechanisch in sich hineinschaufelt und wie die Himmelspforten, die er schließlich mit beiden Händen aufstößt, so als wären sie tatsächlich vorhanden. Am Freitagabend im gut besuchten „KuZe“ bewies Elias Liermann mit seinem Pantomime-Programm „Laute Stille“, dass es trotz multimedialer Massenunterhaltung möglich ist, allein auf leerer Bühne, einzig durch Zusammenspiel von Mimik und Gestik, ein Publikum in den Bann zu ziehen.

Wie zufällig dahingeworfen wirken die genau gesetzten Bewegungen des Körpers, spontan und improvisiert scheint der Ausdruck des nur dezent geschminkten Gesichts. Stets ist das Spiel des in Greifswald geborenen und in Berlin lebenden studierten Pantomimen trotz höchster Präzision von großer Leichtigkeit geprägt. Mit derart perfektionierter Körpersprache gelingt es Elias Liermann, alias Elastisch, an diesem Abend nicht nur eine Reihe von Typen zu charakterisierten, sondern immer auch Geschichten zu erzählen. Etwa die eines Concierges, hinter dessen fabelhaft in Szene gesetzten Liebdienerei und Unterwürfigkeit sich schon finstere Gewaltfantasien angestaut haben. Das regelmäßig einsetzende Gekicher der Gäste bezeugt immer wieder, wie gut es Liermann versteht, mit seiner Kunst Räume zu schaffen, welche wiederum die Zuschauer mit ihrer Vorstellungskraft gestalten und ausfüllen. Dass Pantomime somit wie ein Medium funktioniert, verdeutlicht besonders eindrucksvoll die mit Zwischenapplaus bedachte Nummer, in der Liermann einen Künstler mimt, der sich in seinem Atelier durch seelische Höhen und Tiefen kämpft, um das perfekte Bild zu malen. Mit angestrengter, bestürzter und verzückter Mine wirft dieser Typ im bunten Hemd immer mehr Pinselstriche an eine imaginäre Leinwand, ohne mit dem Resultat zufrieden zu sein. Um sich zu inspirieren, entleert er mit großen Schlucken eine Flasche Wein und rollt sich einen Joint, wovon er sich allerdings übergeben muss. Doch bringt ihn das auf die Idee, gleich den gesamten Farbbottich gegen die Leinwand zu kippen und mit einem Besen weiterzumalen. Und als er dann weinend vor seinem Endprodukt zusammenbricht, sich auch noch ein Ohr abschneidet und schließlich weiter zerstückelt, glaubt man beinahe, das Chaos zu sehen, worin dieser mühsame Schaffensprozess endet. Schade nur, dass die so erreichte „Laute Stille“ dann oftmals übertönt wird vom Lärm der schlechterdings überflüssig eingespielten rockigen, jazzigen oder klassischen Begleitmusik.

Gut eine Stunde lang aber beeindruckt Elias Liermann mit seinem Können und der Fähigkeit, dem Publikum die eigene Fantasiewelt als objektiv sichtbar zu suggerieren. Und ganz nebenbei auch mit der Botschaft, dass Pantomime keine von Menschen in Leggins und mit weißgeschminkten Gesichtern vorgetragene Clownsnummer ist, sondern eine hohe, wenngleich fast in Vergessenheit geratene Kunst. Daniel Flügel

Daniel Flügel

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