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Kultur: Das synchrone Ticken von Metronomen Der Niederländer Nick Steur zu Gast bei Unidram

„A piece of time“, also „Ein Stück Zeit“ von Nick Steur, beginnt zuallererst mit einer Ahnung, dass die Zeit in den kommenden zwei Stunden keine Rolle spielen darf. Es ist sehr förderlich für das Sich- Einlassen auf die Performance, dass man erfährt, das nachfolgende Unidram- Stück werde notfalls später beginnen.

„A piece of time“, also „Ein Stück Zeit“ von Nick Steur, beginnt zuallererst mit einer Ahnung, dass die Zeit in den kommenden zwei Stunden keine Rolle spielen darf. Es ist sehr förderlich für das Sich- Einlassen auf die Performance, dass man erfährt, das nachfolgende Unidram- Stück werde notfalls später beginnen.

Also legt man den Schalter im Kopf um, schaltet das Handy aus, vergisst die Uhr und begibt sich ganz unter die Regie von Steur. Der holt seine Gäste persönlich im Foyer ab und führt sie in den präparierten Saal. Nichts anfassen, nicht setzen. Im Raum steht eine Pyramide aus vier Balken und weiteren vier an den Seiten der Grundfläche als Sitzbänke. Davor stehen viermal acht Metronome. Nick Steur lässt durchzählen und dann rechnen. Symmetrisch oder zumindest irgendwie harmonisch sollen die Menschen verteilt werden, auf den Bänken die Metronom-Bediener, in zweiter und dritter Reihe der Rückhalt. Wie ein Neurotiker dirigiert Steur, lässt Jacken und Taschen aus dem Inner Circle, in diesem Falle das Quadrat, verschwinden, nichts soll stören. Dann erklärt er, worum es geht, was ein mechanisches Metronom ist, das man noch aufziehen muss. Er bittet darum, ins Innere der Kästchen zu schauen, sie auszuprobieren. Anschließend müssen die Metronombediener Kommandos lernen. Mithilfe des Publikums will er die Geräte in einen synchronen Klang bringen. Das kann funktionieren, weil sie sich über das leicht schwingende Bord, auf dem sie stehen, gegenseitig beeinflussen.

Das klingt sehr verrückt und man sitzt plötzlich vollkommenen ergeben, fasziniert von diesem Menschen auf dessen Spielfeld. Steur, Niederländer, spricht leises Englisch, tappt auf weichen Sohlen in der Pyramide umher und dirigiert. Er schaut, lauscht, lässt aufziehen, ticken und verstummen. Die erste Reihe in Einklang zu bekommen, scheint lange unmöglich. Mal drei, mal vier ticken synchron, einige müssen geopfert werden. Sacrifice, sagt er. Er macht mit der Hand die international bekannte Geste quer vor seinem Hals und der betreffende Spieler muss das Metronom sachte nach hinten umlegen, bis es nicht mehr tickt. Es soll würdevoll aussehen, bittet Steur.

Irgendwann ist er da, der Gleichklang. Dann bewegt Steur das riesige Pendel in der Pyramide, aus dem auch noch roter Sand rinnt, und lässt es kreisen. Für zwei oder zwölf Minuten, man weiß es nicht, denn es ist dunkel, hört man die Metronome langsam austicken. Nur der Sand rauscht. Man kann das als irres Spiel mit Zeit und Schwingungen sehen. Man kann es auch politisch lesen. Ein Ringen um Gleichklang, um Anpassung, und wer partout nicht auf Linie zu bringen ist – geopfert. Das Ticken der Zeiger berauscht, man fühlt sich eins mit den Menschen in der Pyramide und erkennt bald selbst, wo es hakt, wer aus der Reihe tanzt, ahnt die nächste Geste des Dirigenten, einen K.o., ein Weitermachen. „Sie entscheiden, wann Sie gehen“, sagt Steur zu Beginn. „Ich bin dann sowieso schon weg. Und bitte nicht klatschen. Nehmen Sie etwas von dem Stück mit.“ Steffi Pyanoe

„Forever/Never“ am morgigen Sonntag um 20.30 Uhr in der Reithalle

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