zum Hauptinhalt

Kultur: Das Schwierige im scheinbar Einfachen Löffler und Abarbanell über das Übersetzen

Genug Zeit zu haben, wird immer mehr zu einem Luxus. Zu einem Luxus aber, der sich auszahlt.

Genug Zeit zu haben, wird immer mehr zu einem Luxus. Zu einem Luxus aber, der sich auszahlt.

Als Bettina Abarbanell die Anfrage vom Diogenes-Verlag erreichte, ob sie F. Scott Fitzgeralds „Der große Gatsby“, zum ersten Mal 1925 erschienen, neu übersetzen wolle, dachte sie zuerst an die Zeit, die sie dafür haben würde. Der Verlag stellte ihr eine akzeptable Frist. Doch weil Bettina Abarbanell gerade noch an einer anderen Übersetzung arbeitete, blieben ihr nur zwei Monate für den knapp 180 Seiten langen Roman. „Für so ein Buch viel zu wenig“, wie Bettina Abarbanell am Donnerstagabend in der Villa Quandt sagte. Doch sie liebt diese so leichte Sprache Fitzgeralds. Und sie, die unter anderem Jonathan Franzens Welterfolg „Die Korrekturen“ übersetzt hat, kennt das Verlagswesen. Bettina Abarbanell wusste, das mehrere Übersetzer an einer Neuausgabe der Romane des amerikanischen Autors arbeiteten und verschiedene Experten zu jedem ein längeres Nachwort schreiben sollten. Sie sagte zu, darauf hoffend, dass ein solches Projekt nicht ohne die üblichen Verzögerungen auskommen würde. „Es war der Verlag, der mich dann immer wieder anrief und sich dafür entschuldigte, dass die Termine nicht eingehalten werden konnten.“ So hatte sie genug Zeit, dem „Großen Gatsby“ gerecht zu werden.

Zusammen mit Sigrid Löffler, bekannte Literaturkritikerin und Herausgeberin der Fachzeitschrift „Literaturen“, war die in Potsdam lebende Übersetzerin Bettina Abarbanell auf Einladung des Brandenburgischen Literaturbüros zum Auftakt der Veranstaltungsreihe „Brandenburg übersetzt“ in die Villa Quandt gekommen.

Eigentlich, so erzählte Bettina Abarbanell, hatte sie gedacht, dass „Der große Gatsby“ einfach zu übersetzen sein müsste. „Denn Fitzgerald hat hier eine schlichte und so leichte Sprache gewählt.“ Doch diese Leichtigkeit erwies sich für sie als größte Schwierigkeit. „Ich habe gemerkt, dass in diesem Roman jedes Wort aus einem ganz bestimmten Grund an seinem Platz steht, nichts dem Zufall überlassen, kein Wort zu viel ist.“ Bettina Abarbanell hat versucht, so nah wie möglich an das Original heranzukommen, hat die Worte in einem Satz immer und immer wieder ausgetauscht, bis sie das Gefühl hatte, dem Klang von Fitzgeralds Englisch auch im Deutschen gerecht zu werden. „Mein Ziel ist es, dass ein Leser, der meine Übersetzung gelesen hat, sich mit einem, der das Original kennt, über die Sprache, den Stil und den Klang unterhalten kann“, sagte Bettina Abarbanell.

Die Übersetzung von Walter Schürenberg, die seit 1953 bis zu ihrer Neuübersetzung maßgeblich war, hat sie erst nach ihrer Arbeit gelesen. „Ich hatte Angst davor, zu viele Gemeinsamkeiten zu entdecken.“ Doch beim Lesen hat Bettina Abarbanell gemerkt, wie sehr sich ihre Übersetzung von der Schürenbergs unterscheidet. „Dass ich neben gelegentlichen Ausschweifungen auch fachliche Fehler gefunden habe, hat mich am meisten verwundert.“ Doch urteilen wolle sie nicht. Denn, wie Sigrid Löffler in dem Gespräch sagte, brauche fast jede Generation eine eigene Übersetzung, weil jeder Übersetzer immer nur interpretieren, andeuten könne und sein Arbeit deswegen schneller altert.

Bettina Abarbanell hofft, dass ihre Übersetzung von „Der große Gatsby“, dieser Geschichte von der trügerischen Oberflächlichkeit des Reichtums und der fatalen Hoffnung auf eine idealisierte Liebe, für viele Jahre bestehen kann. Der Appell von Sigrid Löffler an die knapp 30 Zuhörer, Bettina Abarbanells „Der große Gatsby“ unbedingt zu lesen, deutet darauf hin, dass diese Hoffnung nicht zu hoch gegriffen erscheint. Dirk Becker

F. Scott Fitzgerald: Der große Gatsby. Roman aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell, Diogenes Verlag, 9,90 Euro.

Dirk Becker

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false