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Kultur: Das Dorf in der Stadt

Fotoausstellung „Lebenswelten“ zum Themenjahr Provinz und Metropole wird morgen im Alten Rathaus eröffnet

Das Wort Provinz hat einen Beigeschmack. Obwohl es eigentlich nichts weiter als Landesteil oder Verwaltungsbezirk bedeutet. Doch als Provinzler gelten immer noch Menschen mit eingeschränktem Gesichtskreis. Während die, die aus der Metropole kommen, von vornherein modernes hauptstädtisches Flair umweht. Das diesjährige Kulturlandthema „Provinz und Metropole – Metropole und Provinz“ untersucht genau dieses spannungsreiche Gegensatzpaar und nimmt dabei die gesamte Region Berlin-Brandenburg in den Blick.

Am kommenden Wochenende wird dem riesigen landesweiten Veranstaltungspuzzle ein weiteres Teil hinzugefügt: Im Potsdamer Alten Rathaus eröffnet die von der Landeshauptstadt Potsdam initiierte Fotoausstellung „Lebenswelten“, die 83 Fotos von 30 Amateuren und professionellen Fotografen aus dem gesamten Land Brandenburg, der Landeshauptstadt Potsdam und einer Berliner Fotografin zeigt. Insgesamt wurden fast 200 Arbeiten für den im Frühjahr ausgelobten Fotowettbewerb eingereicht, aus denen eine sechsköpfige Jury unter Vorsitz des Hallenser Fotografen Jochen Ehmke die gelungensten aussuchte und davon die besten zur Prämierung vorschlug.

Während eines Presserundgangs bestand die Gelegenheit, einen ersten Blick in die sehr repräsentative Ausstellung zu werfen. Am Eingang zur Exposition findet sich gleich ein sehr bekanntes Potsdamer Motiv. Die Berlinerin Sigrid Reiss von der Firmenfotogruppe Osram, die seit frühester Jugend fotografiert, hat es am neuen Potsdamer Theater entdeckt und nahezu kafkaesk in Szene gesetzt. Im gleichen Raum finden sich viele farbige Fotos der wunderschönen Potsdamer Gewässerlandschaft, unter anderem ein zauberhaftes „Wintermärchen“ von dem aus der Ukraine stammenden Hobbyfotografen Alexander Gurzhy oder Abendstimmungen aus dem Ortsteil Schlänitzsee des bekannten Fotografen Klaus-D. Fahlbusch. Daneben gibt es ganz „entzückende“ Motive aus Kleingartensparten genauso wie Ansichten von Graffiti übersäten Bahnhofsgebäuden. Aber alles in allem sind im Entree der Ausstellung vor allem die liebenswerten Seiten der Provinz und auch einige der Metropole Berlin zu entdecken.

Das Herzstück der Exposition bilden die Fotoserien von Klaus- D. Fahlbusch, Thomas Kläber, Katharina Jahn, Kathi Sarue, Harald Hirsch und Katja Gragert. Und während die meisten von ihnen zu den gestandenen Profis zählen, ist Katja Gragert als Studentin und Mitglied des Fotoclubs Potsdam erst wenige Jahre mit der Fotografie beschäftigt. Doch ihr Blick auf Provinz und Metropole ist vielfältig und spannend. So sind ihre bevorzugten Motive sensible Schwarz-Weiß-Bilder vom „Dorf in der Stadt“, die kontrastierend neben Ansichten von Potsdamer Bahnhöfen – inklusive durchrauschender Hochgeschwindigkeitszüge – stehen. Neben ihren, zur Prämierung vorgeschlagenen Bildern gibt es außerdem Musikerporträts des Babelsberger Filmorchesters, morbid schöne Speicherstadtansichten und alltägliche Berliner Straßenszenen zu sehen. Doch es braucht mehr als einen flüchtigen Blick, um die vielfältigen Handschriften und Aussagen der Macher zu entdecken.

Die morgige Vernissage, auf der auch die insgesamt sechs Preisträger verkündet und Preisgelder in Höhe von insgesamt 2500 Euro vergeben werden, ist in die dritte Potsdamer Kunst-Genuss-Tour eingebunden. Die sehenswerte Exposition komplettieren ein Rahmenprogramm mit Musik und Kabarett sowie ein repräsentativer Katalog.

Allerdings ist man schon überrascht, wenn man erfährt, dass dieser, genau wie die Ausstellung selbst, vom Fotografen Klaus-D. Fahlbusch gestaltet worden sind, der wiederum selbst zu den Preisträgern des Fotowettbewerbs zählt. Auch wenn der Juryvorsitzende sagt, dass die Auswahl anonym stattfand, kann man sich kaum enthalten, dabei nicht an den Beigeschmack des Wortes Provinz zu denken.

Astrid Priebs-Tröger

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