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Daniel Kehlmann im Potsdamer Thalia.

© Manfred Thomas

Daniel Kehlmann zu Besuch im Thalia: Ein Narr, über den keiner lacht

Daniel Kehlmann hat mit "Tyll" einen fulminanten Historienroman geschrieben. Im Thalia-Kino stellte er ihn vor.

Potsdam _ Bernhard Robben lobt Daniel Kehlmann: „Du hast 50 Minuten hintereinander ohne einen Fehler gelesen. Meine Hochachtung.“ Das Publikum stimmt Robben im Thalia-Kino einmütig zu und bedankt sich bei dem Schriftsteller mit herzlichem Beifall für die Lesung aus seinem neuen Roman „Tyll“. Das Buch erschien im Herbst 2017 bei Rowohlt und steht seitdem ganz vorn auf der Bestsellerliste. Kehlmann lässt sein Wienerisch fast singend erklingen. Es wirkt irgendwie gemütlich. Das Böse und Aggressive im Text verliert dadurch an Härte. Doch das Behagliche bekommt etwas Hintergründiges, ja manchmal auch Gefährliches. Daniel Kehlmann könnte sogar ein ausgezeichneter Vorleser sein, wenn er nicht so viele Endsilben der Worte verschlucken würde. Aber man kann eben nicht alles haben. Und ein Schriftsteller soll ja in erster Linie gute Bücher schreiben.

„Tyll“ ist ein Roman, der die wunderbare Erzählkunst des Autors bezeugt. In dem gelesenen Ausschnitt konnten sich die Zuhörer davon überzeugen. So manche kannten das Buch bereits und wollten den 1975 in Wien geborenen und jetzt in New York lebenden Schriftsteller im vollbesetzten Babelsberger Kino erleben und weitere historische Hintergründe über die Figuren im Roman erfahren. Die bekamen sie in dem Gespräch, zu dem das Brandenburgische Literaturbüro einlud.

Mit dem Moderator und Übersetzer Bernhard Robben wurde ein kenntnisreicher Gesprächspartner gefunden. Gleich zu Beginn machte er Kehlmann augenzwinkernd darauf aufmerksam, dass er nach dem großen Erfolg von „Die Vermessung der Welt“ vor gut dreizehn Jahren ankündigte, keinen historischen Roman mehr schreiben zu wollen. Und nun „Tyll“, dessen Geschichte im Dreißigjährigen Krieg spielt und eine der Hauptpersonen Till Eulenspiegel ist. „Ja ich habe mein Wort gebrochen“, bekannte Kehlmann. „Als Kind lernte ich den Gaukler in Anekdoten im Braunschweiger Volksbuch kennen, später dann in einer heiter-ironischen musikalischen Interpretation von Richard Strauss. Die Figur hat mich dann seit dem 38. Lebensjahr wieder interessiert, die jedoch nicht in der Barockzeit lebte, sondern 300 Jahre früher. Ich benötigte aber für mein großes und farbiges Figurenensemble eine Leitfigur, am besten einen Vaganten, der durch die Welt zieht.“ Da kam ihm wieder Till Eulenspiegel in den Sinn. Aber dessen zumeist bösen und brutalen Streiche haben Daniel Kehlmann eher traurig gemacht als belustigt. Der Narr lache über seine dämonischen „Schelmereien“ nur selbst. Sie hätten mit Aufklärung nichts zu tun, bekundeten die beiden Herren auf der Bühne.

Der Roman, an dem er fünf Jahre geschrieben habe, sei seine umfangreichste Arbeit bisher gewesen, mit aufwändiger Recherche. „Das Chaotische, das Wuchernde der Barockzeit, in dem es auch viel Zerstörerisches und Mörderisches gab, wollte ich sichtbar machen.“ Der Dreißigjährige Krieg mit seinen ständig wechselnden Allianzen und Machtverhältnisse fand in großen Teilen jedoch nicht auf dem Schlachtfeld statt. „Die Söldner sind in private Häuser eingebrochen und haben geraubt, gemordet und gebrandschatzt. Das hat große Flüchtlingsströme durch Europa verursacht.“ Da lagen Bezüge zur aktuellen Wirklichkeit in Syrien oder Afrika für den Schriftsteller nicht fern. 

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