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Dreharbeiten in der FH: Ein letzter Blick nach draußen.

© 414films

Crowdfunding: Abriss der Fachhochschule in Potsdam erscheint als Film

Potsdamer Filmemacher haben die Besetzung und den Abriss der alten Fachhochschule dokumentiert und wollen darüber im Herbst einen Film veröffentlichen. Dafür fehlt noch etwas Geld.

Potsdam - Geschmäht, verteidigt, besetzt, geräumt, umkämpft, abgerissen – die ehemalige Fachhochschule (FH) am Alten Markt hat die öffentliche Diskussion 2017 beherrscht wie kaum ein anderes Thema in der Stadt. Gestritten wurde nicht nur über ein Gebäude, sondern über das Stadtbild, über DDR-Architektur, über Barock-Architektur, über Geschichtsbewusstsein, über Ideologie, und über die Frage, in welcher Stadt wir leben möchten.

Ein lohnendes Thema für eine filmische Aufarbeitung: Drei Potsdamer Filmemacher haben sich der Thematik angenommen und planen, im Herbst eine 30-minütige Dokumentation mit dem Titel „Schrott oder Chance?“ über die letzten Tage der FH zu veröffentlichen. „Wer entscheidet, was ‚schön und erhaltenswert’ ist? Wie funktioniert Demokratie und Bürgerbeteiligung in Potsdam? Sind Beschlüsse, wenn einmal gefasst, unumkehrbar? Und wann ist es Zeit, die Gegebenheiten zu akzeptieren und sich mit dem Wandel der Stadt zu arrangieren?“, so fasst Kristina Tschesch die Leitfragen der Doku zusammen. Gemeinsam mit Elias Franke und Christian Morgenstern bildet sie die 414Films GbR, die ihren Sitz im Potsdamer Rechenzentrum hat und auch über dieses Gebäude und die dazugehörigen Diskussionen bereits zwei Dokumentationen gedreht hat.

Die letzten Aufnahmen von drinnen

Als die Debatte um den Abriss der FH 2017 an Heftigkeit zunahm, entschieden sich Tschesch und ihre Mitstreiter, den Prozess filmisch zu begleiten: „Wir verstehen uns als Stadtchronisten“, sagt Tschesch. Der Zeitpunkt war kritisch, denn kurz darauf wurde die FH besetzt und danach für die Öffentlichkeit gesperrt: „Es war gerade noch möglich, letzte Aufnahmen von drinnen zu machen.“ Auch bei der Besetzung waren die Filmemacher vor Ort, gingen ins Gebäude und sprachen mit den Besetzern.

Danach begleitete das Team alle Aktionen von Gegnern und Befürwortern des Abrisses, sprach mit beiden Seiten, dokumentierte den schrittweisen Abriss der FH. Zu den Interviewpartnern zählen unter anderem der damalige Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), der Architekt Ludger Brands, der Kunsthistoriker André Tomczak und die FH-Dozentin Hanne Seitz. Um das Bild zu komplettieren, soll die Doku auch einen kleinen Exkurs über die Geschichte und Entstehung des ehemaligen Instituts für Lehrerbildung beinhalten, damit klar werde, „wie und warum er in den Siebziger Jahren genau an dieser exponierten Stelle – mitten im Zentrum des barock geprägten Potsdam – errichtet worden ist“, so Tschesch.

Zeigen, wie gespalten die Stadt ist

„Ein Bauwerk spaltet Potsdam“, lautet der Untertitel der Doku; ein Satz, der geradezu als inoffizielles Stadt-Motto taugt, denn über kaum etwas wird in Potsdam mit solcher Leidenschaft gestritten wie über alte und neue Architektur. Und tatsächlich geht es den Filmemachern nicht nur um die FH, sondern um die gesellschaftspolitische Debatte, die sich keineswegs nur auf ein einzelnes Gebäude oder den Alten Markt beschränkt. „Wir wollen zeigen, wie gespalten die Stadt ist“, sagt Tschesch. In der Doku werde offenkundig, dass die eigentlichen Konflikte zwischen Abrissgegnern und -befürwortern tiefer liegen als Meinungsverschiedenheiten über vermeintlich schöne oder hässliche Fassaden: „Es handelt sich hier nicht um einen Gegensatz aus Jung und Alt, Ost und West, sondern vielmehr aus Arm und Reich sowie aus progressiv und konservativ denkend“, heißt es in der Synopsis des Films.

Die Stadt, die den Abriss der FH forciert hatte, fördert das Filmprojekt nun mit 9000 Euro. „Wir freuen uns sehr über die Förderung, aber leider wird sie für den Schnitt und die Postproduktion nicht ausreichen“, so Tschesch. Beantragt hatte die 414Films GbR dafür insgesamt 15.000 Euro; den Rest wolle man nun eventuell über Stiftungen oder Crowdfunding einsammeln.

Wer das Projekt unterstützen will, kann sich über www.414films.de an die Macher wenden. Wenn der Film fertig ist, soll er in Potsdam auch öffentlich gezeigt werden: „Dazu planen wir ein bis drei Filmabende, zum Beispiel im Filmmuseum oder im Rechenzentrum“, sagt Tschesch. Mindestens einer dieser Abende soll an eine Podiumsdiskussion zum Thema gekoppelt werden.

Nun könnte man fragen: Die FH ist abgerissen, die Diskussion beendet – warum noch ein Film darüber? „Nur weil sich eine Seite durchgesetzt hat und das Gebäude abgerissen wurde, ist die Debatte ja nicht vorbei“, meint Tschesch. „Die FH ist nur ein exemplarisches Beispiel dafür, dass ein Riss durch die Stadt geht.“

Und es geht Tschesch auch um die Erinnerung: Wenn man vergessen habe, dass an der Stelle, wo derzeit nur noch flacher Erdboden zu sehen ist, viele Jahrzehnte lang etwas gestanden habe, dann könne man auch nicht mehr darüber reden: „Brüche und Gegensätze sind spannend – wenn es die nicht mehr gibt, gibt es auch keine Fragen mehr“, sagt Tschesch.

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