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Musik als Mitbringsel. Knut Andreas (li.), Dirigent des Collegium musicum, und Saxophonist Ralf Benschu bei der Probe. 

© Gerhard Meck

Collegium Musicum auf Konzertreise: Solo Sunny im Alpenland

Das Collegium musicum war mit Solist Ralf Benschu auf Konzertreise in Potsdams Partnerstadt Luzern - gleich beim ersten Konzert gab es Standing Ovations. 

Die besten Plätze bekamen die Celli. Nicht die Cellisten, sondern ihre Instrumente. Insgesamt acht belegten im Flieger die Fensterplätze – aus Sicherheitsgründen. Angeschnallt waren sie natürlich auch, ein kurioser Anblick. Der Rest der knapp 50 empfindlichen Instrumente flog ebenfalls als mehr oder weniger sperriges Handgepäck. Niemals käme eine Geige in den eiskalten Frachtraum. Die Konzertreise des Sinfonieorchesters Collegium musicum Potsdam nach Luzern am vergangenen Wochenende war eine logistische Herausforderung.

Und ein Erfolg: Etwa 350 Gäste kamen zum Konzert, das die Potsdamer gaben, und dankten mit Standing Ovations. „Mir wurde gesagt, die Schweizer sind eher zurückhaltend, es muss ihnen also sehr gefallen haben“, sagte Noosha Aubel, Potsdams Kulturdezernentin, die als Vertreterin der Landeshauptstadt die Musiker in Potsdams Partnerstadt begleitet hatte.

Es war das erste Mal, dass ein Potsdamer Ensemble Luzern besuchte. Seit Bestehen der Städtepartnerschaft, die 2002 begründet wurde, liegt der Fokus hauptsächlich auf dem Bereich Sport. Vor allem Läufer nehmen an diversen Veranstaltungen beider Städte teil und es werden gemeinsame Leichtathletik-Trainingslager durchgeführt. Im Bereich Ausbildung werden Praktika und Studienwochen zwischen beiden Städtchen organisiert.

Nun soll endlich der Bereich Kultur ausgebaut werden. „Da ist Vieles vorstellbar“, sagt Aubel. „Wir müssen jetzt sehen, welche Formate hier passen, denkbar ist beispielsweise ein Austausch einzelner Künstler als Artists in Residence“. Das seien aber bisher vage Ideen. Konkreter in der Planung ist bereits der Gegenbesuch eines Luzerner Ensembles. Im Mai soll ein Chor aus Luzern in der Babelsberger Friedrichskirche auftreten.

Für den Zusammenhalt im Ensemble sorgen

Eingefädelt hatte alles Knut Andreas, Dirigent und Leiter des Babelsberger Orchesters. Zum Open Air Konzert Klassik am Weberplatz 2017 hatte er einen Solisten aus Luzern eingeladen: den Trompeter Philipp Hutter vom dortigen Sinfonieorchester. „Solche Reisen, auch wenn sie aufwändig sind, gehören einfach dazu, wenn man den Auftrag einer Städtepartnerschaft ernst nimmt“, sagt Knut Andreas. Zudem sei es wichtig für den Zusammenhalt und die künstlerische Zusammenarbeit im Ensemble. Das Orchester arbeitet ehrenamtlich, die mehr als 70 Mitglieder, professionelle oder gut ausgebildete Freizeitmusiker, treffen sich in der Regel nur zu den wöchentlichen Proben. In den vergangenen Jahren sind einige neue hinzugekommen. Auf Fahrten biete sich Gelegenheit, sich persönlicher kennenzulernen. „In den Proben ist dazu einfach keine Zeit“, sagt eine Violinistin. „Man kennt oft nur die Mitglieder seiner Stimmgruppe.“

Auf musikalischer Ebene verlief der Austausch dieses Mal Richtung Schweiz. Das Programm umfasste Barock, Spätromantik und etwas mit lokalem Bezug: mehrere Stücke aus den Defa-Filmen „Solo Sunny“ und „Paul und Paula“. Dem stampfenden Viervierteltakt von „Geh zu ihr“ und „Wenn ein Mensch lebt“, geschrieben von Peter Gotthardt für die Puhdys, begegnete das Luzerner Publikum zunächst mit einem ungläubigen Staunen, ließ sich dann aber mitreißen.

Die Gäste gerieten vor allem für den Solisten ins Schwärmen: der Potsdamer Saxophonist Ralf Benschu, mit dem das Collegium musicum bisweilen zusammenarbeitet. Nur selten ist das Saxophon mit einem Sinfonieorchester zu erleben, die Kombination war auch für die Schweizer außergewöhnlich. Benschu ließ „Solo Sunny“ singen, außerdem begleitete ihn das Orchester bei eigenen Kompositionen. Prächtiger Höhepunkt des Konzerts war Darius Milhauds „Scaramouche“, drei Sätze im eher komplizierten Duktus, was Rhythmus und auch Harmonie betrifft. In der ungewohnten Akustik der modernen Kirche ging das Stück dennoch mit Verve über die Bühne.

Mit Bastian Schweinsteiger im Ohr

Das Orchester verinnerlichte vermutlich Bastian Schweinsteigers Zitat, das auf einem Fußballplakat am Gate in Tegel zu lesen war und beim Abflug für Heiterkeit gesorgt hatte: „Das Allerwichtigste ist, dass du sauber spielst, egal wo und was du spielst.“ „Mit einem besseren Aushängeschild als diesem Konzert hätte sich Potsdam hier in Luzern nicht präsentieren können“, sagte beim anschließenden Empfang der Deutsche Botschafter Norbert Riedel, der extra aus Zürich angereist war.

Maßgeblich organisiert und finanziell unterstützt hatten die Reise der Luzerner Potsdam-Verein sowie der hiesige Freundeskreis Potsdam-Luzern. Die Landeshauptstadt beglich ein Viertel der Reisekosten aus dem Fonds für Städtepartnerschaften. Einzelne Vereinsmitglieder kümmerten sich um die kleinteilige Umsetzung bis hin zum Abendessen: Ein einfaches aber herzliches Raclette-Dinner im Saal einer Behinderteneinrichtung. So erlaubte die Reise auch einen Einblick in Bereiche, die man als Tourist nicht zu sehen bekommt. Zudem hatte der Verein individuelle Stadtführungen mit seinen Mitgliedern, viele von ihnen in der Stadtpolitik aktiv, organisiert.

Uferweg auch in Luzern

„Uns verbindet die Sprache, das Wasser und die Lage neben einer Großstadt: Potsdam neben Berlin, Luzern neben Zürich“, sagte Jürg Stadelmann, Präsident des Freundeskreises Luzern-Potsdam. Manche Problemlagen ähneln sich: Auch in Luzern versucht man, trotz historischer Bausubstanz bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, am besten in Genossenschaften. Auch Luzern bemüht sich um einen freien Uferweg am Vierwaldstättersee. Wo das nicht möglich war, sei für den Weg Land aufgeschüttet worden, erzählte ein ehemaliges Stadtratmitglied. Der Autoverkehr soll aus der Innenstadt ausgelagert, der öffentliche Nahverkehr ausgebaut werden. Überraschung: Die Busse fahren dort auch am Wochenende im Zehn-Minuten-Takt.

2010 wurde das KKL, Kunst- und Kulturzentrum Luzern, ein beeindruckender moderner Neubau am Seeufer, fertig gestellt. Die freie Kunstszene zieht häufig als Zwischennutzer in leerstehende Objekte. Es gibt aber auch unkonventionelle dauerhafte Lösungen: So wurde ein altes Schwimmbad zu einem Kulturzentrum umgebaut und in einem ehemaligen Gefängnis befinden sich Bandprobenräume. Und was hat Luzern, das Potsdam nicht hat? Die Alpen. Dass da am Horizont noch was in der Höhe zu sehen ist, nicht nur Wolken sondern ernstzunehmende Berge, war ungewohnt für die Augen der Potsdamer Besucher.

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