zum Hauptinhalt

Clown-Workshop im T-Werk: Mehr Du ist lustig

Zu langweilig gibt es nicht: Die „Nose to Nose“-Company gibt einen Clown-Workshop im T-Werk.

Wenn Hänsel zum Mästen schon im Ofen sitzt statt im Käfig und die Hexe ganz vergessen hat, dass sie ihn überhaupt verspeisen wollte, dann sind die Gebrüder Grimm verclownt worden. Solche und andere Geschichten haben sich in dieser Woche im T-Werk beim Clown-Workshop „Clown 1 – Courage to be“ zugetragen, einem Kurs der internationalen Company „Nose to Nose“. Im Anschluss an den Workshop wird am morgigen Samstag eine professionelle Clown-Delegation aus Belgien, Finnland, Irland und Deutschland im T-Werk das Programm „Other ways of listening“ performen.

Mit der Figur des Clowns verbindet man unweigerlich Zirkus-Manegen und Slapstick: der dumme August, der über seine Füße stolpert und ratlos die Schultern hochzieht. Aber ist diese Art der Komik nicht längst überholt? Die Spezies des Clowns vom Aussterben bedroht? Im Gegenteil, findet Angela Hopkins, gebürtige Britin und Co-Leiterin von „Nose to Nose Germany“. Wir brauchen den Clown mehr denn je: „Die Gesellschaft ist so kopflastig. Der Clown dagegen ist ein sehr emotionales Wesen. Er kann ein Spiegel für uns sein und uns daran erinnern, dass auch das wichtig ist. Das ist etwas ganz Urmenschliches.“ Hopkins betont, dass es bei ihren Clowns nicht so sehr um die großen Schuhe, die Nase und den Slapstick gehe. Die Clowns der Company verträten nicht bestimmte Stereotype, wie den dummen August oder dessen Gegenstück – den Weißclown, der in dem Duo den seriöseren Autokraten mimt. „Bei unserem Ansatz ist der eigene Clown sehr wandelbar. Wie wir Menschen uns entwickeln, so entwickelt sich auch der Clown, die Identitäten sind sehr vielfältig. Man kann auch Clown sein, ohne die rote Nase aufzusetzen.“

Beleben, was beim Heranwachsen auf der Strecke blieb

Zu Deutsch bedeutet Clowning Narrenfreiheit und so soll der Workshop bei den Teilnehmern den inneren Spieltrieb kitzeln, der beim Heranwachsen zumeist auf der Strecke bleibt. Für die Anfängerclowns geht es vor allem darum, in der Auseinandersetzung mit dem Anderen etwas über sich selbst zu erfahren. „Ich merke, dass es okay ist, zu scheitern“, sagt Lena van Rennen. Sie ist Lehrerin und arbeitet auch im Bereich der gewaltfreien Kommunikation. „Man lernt, im Probieren zu leben und nicht immer zu denken: das hätte ich jetzt besser machen können, oder: warum war ich jetzt nicht lustig?“ Für Vivian Gladwell, der vor 26 Jahren die erste „Nose to Nose“-Company in England gegründet und schließlich in die USA, Italien und nach Deutschland expandiert hat, steckt hinter der Kunst des Clownings jedoch mehr als die Komik: „Die Zuschauer erwarten natürlich, dass es lustig wird. Aber manchmal wird es sie auch bewegen und berühren. Wenn es nur lustig ist, kann das sehr ermüdend sein. Man muss spüren, womit sich die Leute auch im wirklichen Leben verbunden fühlen.“

Gladwell hat das Clowning in Frankreich gelernt. Dort ist er aufgewachsen, aber auch in Belgien, Luxemburg und England. Das Komische ist für ihn universell und erschließt sich auch im Unerwarteten. „Manchmal sagen Leute zu mir: Ich glaube, ich kann Clowning nicht machen, weil ich zu ernst bin. Und dann sage ich: Aber das ist doch lustig!“ Häufig liege die Komik darin, Dinge auf die Spitze zu treiben. „Wer du bist, ist sehr lustig. Du musst nur ein bisschen mehr so sein, wie du bist. Es gibt einen berühmten Lehrer, der sagt: Wenn du langweilig bist, sei noch langweiliger! Dann wirst du interessant.“

Imitieren statt quatschen

Beim Intensivworkshop für Anfänger in Potsdam sind Gladwell und Hopkins sehr darauf bedacht, den Teilnehmern genau dieses Gefühl der Sicherheit mit dem eigenen Ich im Zusammenspiel mit anderen und dem Publikum zu vermitteln. Die Konsistenz eines Charakters und einer Handlung macht die Geschichte glaubwürdig – und nur wenn die Spieler von sich überzeugt sind, findet die Komik den Weg zum Zuschauer. Die Übungen der Anfänger-Clowns sind eher intuitiv als wortlastig, so sollen sie etwa Szenen aus bekannten Märchen darstellen, ohne sich über ihre Rollen abzusprechen. Da kann es leicht passieren, dass das Rotkäppchen plötzlich eine Alkoholiker-Großmutter hat und der Wolf verloren und verärgert im Wald zurückbleibt, weil er das Haus der Großmutter nicht finden kann. „Alles passiert aus dem Augenblick heraus“, so Hopkins.

Gerade zu Beginn des Trainings sei es wichtig, die eigene Intuition zu stärken. „Wenn man zu viel spricht, ist man nur im Kopf. Es geht darum, die Dinge, die man tut, auf den Körper zu übertragen. Zu viele Worte sind da nicht gut“, sagt Hopkins. So funktionieren die verschiedenen Lern-Levels nach dem Schema der frühkindlichen Entwicklung: „Kinder sind sehr gut darin, zu imitieren“, so Gladwell. „Zuerst nutzen wir die Imitation. Ich werde wie du und du wie ich. Wenn es fortgeschrittener wird, lernen wir, dass wir nicht einfach die andere Person sind, sondern, dass wir uns unterscheiden. Die Vorstellungskraft wird wichtiger.“

Bei Nose to Nose kann jeder mit und ohne Clownerfahrung teilnehmen, beginnend jedoch mit Level eins. Der nächste Workshop findet diesen Herbst wieder im T-Werk statt, dann aber über drei Wochenenden verteilt. Die Renaissance des Clowns geht also weiter – und holt dabei auch die Ernsten und Langweiligen mit ins Boot.

Am morgigen Samstag performt die „Nose to Nose“-Company ihr Clown-Programm „Other ways of listening“ im T-Werk, 18.00 Uhr, der Eintritt ist frei.

Theresa Dagge

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false