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Christine Anlauff lebt in Potsdam West und ist immer neugierig unterwegs. In ihrem aktuellen Roman „Frühlingsschimmern“ verarbeitet sie ihre eigenen Erfahrungen als Teenager kurz vor der Wende 1989.

© Ottmar Winter

Christine Anlauffs "Frühlingsschimmern": Neuer Roman zunächst nur als Hörbuch

Christine Anlauffs Roman "Frühlingsschimmern" spielt kurz vor der Wende, erzählt von einer jungen Frau und erscheint als Hörbuch, weil die Autorin etwas zu spät dran war.

Von Sarah Kugler

Potsdam - So richtig politisch ist sie nicht. Diese 17-jährige Tilli, die im Frühjahr 1989 in der DDR eine Lehre zur Buchhändlerin absolviert. Die zwar für Literatur brennt, sich aber noch irgendetwas Aufregendes wünscht in ihrem Leben und eine Aussicht auf 40 Jahre im gleichen Trott ziemlich ernüchternd findet. Deswegen studiert sie Weltkarten, reist mit dem Finger in fremde Länder, klebt Routen ab. Es ist eine neugierige und auch etwas eigenwillige junge Erwachsene, die Christine Anlauff zur Protagonistin ihres neuen Romans „Frühlingsschimmern“ erkoren hat – und eine nicht ganz unbekannte.

Bereits in dem Debüt der Potsdamer Autorin „Good morning Lehnitz“ ist sie die Hauptfigur. Dort ist sie 19, holt ihr Abitur nach und verliebt sich ziemlich bis sehr doll. Der Roman „Frühlingsschimmern“, der zunächst als exklusives Hörbuch bei Audible, Amazons Internetplattform für Hörbücher, erscheint und den sie am Donnerstagabend im Viktoriagarten vorstellt, ist nun die Vorgeschichte dazu. Auf die Frage, warum Anlauff diese umgekehrte Reihenfolge gewählt hat, lächelt sie verschmitzt. „Lehnitz war vor allem dem Haupthelden, der Liebe Tillis gewidmet“, verrät sie

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Briefwechsel mit Russland

Der Verlag hätte tatsächlich lieber einen Nachfolger gesehen, aber das fand Anlauff nicht wirklich inspirierend. Und dann fand sie vor drei Jahren auf dem Dachboden Briefe wieder, deren Geschichte sie erzählen wollte. Sie entstammen dem Briefwechsel mit einem jungen Russen. Damals war die heute 48-jährige Autorin selbst noch ein Teenager. In der „Jungen Welt “ entdeckte sie eine Annonce, auf die sie antwortete. Eine Brieffreundschaft entstand.

In „Frühlingsschimmern“ erzählt sie nun die Geschichte dieses schriftlichen Austausches. Ein reiner Briefroman ist daraus nicht geworden, auch deswegen nicht, weil gar nicht so viel Post ausgetauscht wurde. Ungefähr sieben Briefe hat Anlauff nach Russland geschickt, sieben kamen auch wieder zurück. Im Roman sind nicht alle davon zu lesen und die abgedruckten sind leicht abgewandelt, literarisiert.

Romantische Teenagererwartung

Sergej Moskaljuk heißt Tillis Briefpartner im Roman. Der Vornahme inspiriert sie nicht sehr, der Nachname jedoch entfacht ihr Fernweh noch stärker. Ganz bezaubernd ist die Szene, in der sie über ihre ersten Worte an ihn nachdenkt. Worte, die herausstechen sollen aus den vielen anderen Briefen, die er möglicherweise erhält. „Wie gewann man die Aufmerksamkeit eines Seelenverwandten, der von dieser Seelenverwandtschaft noch nichts wusste, aber vermutlich demnächst säckeweise Post von anderen DDR-Mädchen bekam?“, überlegt sie an dieser Stelle. Ihre ganze romantische Teenagererwartung liegt in dieser Frage.

Tatsächlich war auch für Anlauff der reale Briefwechsel leicht romantisch konnotiert: „Das war so ein Gefühl wie im 19. Jahrhundert“, sagt sie. Ein kleines Abenteuer, mit jemandem zu schreiben, den man nicht kennt – und den sie eigentlich auch nicht so richtig kennenlernen wollte. Ein Treffen fand trotzdem irgendwann statt und – so viel sei schonmal verraten – wird auch im Buch erzählt.

Plötzlich doch politisch

Bis dahin passiert aber noch einiges in Tillis Leben. „Frühlingsschimmern“ ist dabei bei Weitem kein verklärter Roman, sondern eine bewegende Coming-of- Age-Geschichte mit einer vielschichtigen Protagonistin. Die durch den Briefwechsel auf einmal ganz andere Fragen an die Welt stellt, ihren Blick auch auf die politischen Verhältnisse ihrer Zeit richtet. Parallelen zu Anlauffs Leben finden sich immer wieder: Von dem christlich-familiären Hintergrund, der Lehre zur Buchhändlerin bis hin zum Hineinrutschen in die Politik.

Anlauff war selbst in der Fraktion Die Andere tätig und engagiert sich bei den Grünen. Zufällig habe sich das ergeben, weil ein Freund sie gefragt hatte und dann wäre das eben so weitergegangen. Beim Schreiben habe sie auch interessiert, aus welchen Gründen Menschen an Demonstrationen teilnehmen. Aus politischem Interesse? Aus Gruppenzwang? Aus Neugierde? Tilli geht hauptsächlich ihrer Freunde wegen zu den Montagsdemonstrationen. Das Nachdenken beginnt erst hinterher, wie Anlauff sagt.

Und so ist „Frühlingsschimmern“ vor allem eine Geschichte über Freundschaft. Zwischen Tilli und ihrer besten Freundin Birthe, mit der sie gemeinsam die Lehre zur Buchhändlerin absolviert. Die beiden entfernen sich zwischendurch voneinander, schließen neue Bekanntschaften und raufen sich doch wieder zusammen.

Druckrechte zunächst gesperrt

Den Ton für diese Geschichte zu finden, fiel Anlauff lange Zeit nicht leicht – ein Grund, weswegen der Roman zunächst als Hörbuch erscheint. Denn: Er wurde zu spät fertig, die Verlage hatten alle Wenderomane für das Herbstprogramm schon festgeklopft. Audible wollte den Stoff als exklusives Hörbuch herausbringen, Anlauff unterschrieb, jetzt sind die Druckrechte erstmal für ein Jahr gesperrt. Gesprochen wird „Frühlingsschimmern“ von der Schauspielerin Franziska Herrmann, die den flotten, unkomplizierten Ton des Romans leider etwas sehr erhaben und bedeutungsschwanger liest.

Für Anlauff ist diese Hörbuchpremiere auch noch etwas ungewohnt. Bei Lesungen wie im Viktoriagarten kein haptisches Buch anbieten zu können, sondern „nur“ den Audible-Download – Audible gibt keine CDs heraus – sei seltsam. Trotzdem bereue sie die Entscheidung nicht, sei gespannt auf die Reaktionen der Hörer. Und wer weiß: Vielleicht erscheint in einem Jahr auch noch die gedruckte Form von „Frühlingsschimmern“. Interessierte Verlage gebe es wohl schon.

>>Lesung am 7. November 2019 um 20 Uhr im Viktoriagarten, Geschwister-Scholl-Straße 10. Das Hörbuch Frühlingsschimmern ist bei Audible erschienen, 2019, 12 Std. und 58 Minuten. 19, 95 Euro.

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