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Kultur: Charme und Schmäh

Das Wiener Belvedere Orchester im Nikolaisaal

Für gewöhnlich greifen traditionelle Neujahrskonzerte gern zum walzernden, marschierenden und galoppierenden Vergnügungsrepertoire aus der Notenküche hinlänglich bekannter Vergnügungsmeister, angefangen von der Strauß-Dynastie über Franz Lehar bis hin zu Leonard Bernstein. Nicht so das Wiener Belvedere Orchester unter Leitung von Michael Maciaszczyk. Man werde bei seinem „Wiener Neujahrskonzert“ am Mittwoch im gut besuchten Nikolaisaal klassische Musik spielen, „die zum Mitsingen einlädt“ und mit Kabarett-Einlagen sowie der Moderation eines Zeremonienmeisters garniert sei. So jedenfalls die vollmundigen Werbeversprechungen des Veranstalters im Vorfeld.

Eingelöst wurde dabei nur das Programm unter dem einfallslosen Motto „Best of Classic“, das sich als Mix effektvoller Stücke entpuppte. Nach einem Programmheft hielt der Besucher vergeblich Ausschau. Stattdessen gab es einen kostenlos verteilten Abfolgezettel, leider ohne Angaben der Namen von Orchester und Dirigent. Weitere Enttäuschung: Zum Mitsingen luden weder Richard Wagners ausladend musizierte und sich vorzugsweise im blechgepanzerten Forte offenbarende „Meistersinger“-Ouvertüre noch die einzelnen und über den Abend verteilten Sätze der „Peer Gynt“-Suite von Edward Grieg ein. Aus Krankheitsgründen fand der Auftritt des Kabarettisten nicht statt und anstelle des Zeremonienmeisters „De Heer Lehmann“ plauderte der Dirigent auf banale bis publikumsanbiederische Weise über die Stücke. Nicht weniger nervig sein Gebaren, nach jeder beklatschten Nummer das Orchester sich erheben und lange stehen zu lassen, um längeren Beifall zu schinden.

Dabei hätten sich die Musiker auch ohne diese penetranten Gesten den verdienten Applaus von ganz allein verdient. Von spielerischem Gefühl, von Wiener Charme und Schmäh verstanden sie eine ganze Menge. In der einleitenden „Waldmeister“-Ouvertüre von Johann Strauß jr., mit schwingender Eleganz und pulsierender Lockerheit musiziert, gaben sie davon erste Kunde. Auch von Schmiss und federndem Charme verstanden sie eine Menge. Doch größtenteils bevorzugten sie einen opulenten, ziemlich vorlauten, bisweilen zackigen und forcierten Sound. Zur Kontraststeigerung wurden Tempi entweder maßlos verschleppt (wie im Marsch aus Tschaikowskys „Nussknacker“-Ballett) oder betont furios („Galop des jeux d’Enfants“ von Georges Bizet) bis lärmend („In der Halle des Bergkönigs“ von Edvard Grieg) gespielt. Für ein Wechselbad der Stimmungen und dynamischen Möglichkeiten sorgten sie beim mit wenig prickelndem Charme gespielten „Hochzeitsmarsch“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy oder der detailreich musizierten Rossinischen „Barbier von Sevilla“-Ouvertüre. Dann wieder erwies sich ihr Spiel von Johannes Brahms’ „Ungarischem Tanz“ Nr. 5 als routiniert und nicht sonderlich aufregend. Pointiert, aber nicht präzise und intonationsrein ließen sie aus Mussorgskys „Bilder“-Galerie die Küken in ihren Eierschalen tanzen. Schmachtend bis zum Abwinken präsentierte sich der berühmt-berüchtigte „Czardas“ von Vittorio Monti, den der Dirigent (ein ehemaliger Wiener Philharmoniker) in der Attitüde eines Stehgeigers mit zigeunerisch auftrumpfender Grandezza vortrug. Riesenbeifall und viele Zugaben. Peter Buske

Peter Buske

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