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Kultur: „Centuryland“

Musical-Premiere im Treffpunkt Freizeit

Was tut man nicht alles, um heutzutage eine Lehrstelle zu finden. Dabei haben Robert, Kevin, Martina und die anderen Schulabgänger gar nicht so ausgefallene Wünsche. Doch als der Jugendsender „Max“ sieben Kandidaten für sein großes Gewinnspiel sucht, sind sie heilfroh über diese Chance. Ein vollmundiger Reiseleiter wird sie zwei Wochen lang durch das brandneue „Century-Erlebnisland“ begleiten. Und wer weiß, vielleicht finden sie ja am Ende ihren Traumberuf?

Die Thematik, die in der neuen Musiktheaterproduktion des Malteser Treffpunkt Freizeit behandelt wird, die am Mittwoch zur Premiere gelangte, hat es in sich. Angesichts von Lehrstellenmangel, weit verbreiteter Arbeits- und Perspektivlosigkeit. Und wenn schon kein klarer Blick nach vorn möglich ist, bietet es sich vielleicht an, in die Vergangenheit zu gucken? Der neue Vergnügungspark „Centuryland“, so eine zeitgemäße Geschäftsidee, macht es möglich. Zuerst landen die Kandidaten in den Goldenen Zwanzigern. Alles scheint leicht, beschwingt und heiter. Doch auch dort bricht wenig später die Gegenwart in Form marschierender Hitlerjugend ein, deren Verführungskünsten sich kaum einer der bis dahin zuschauenden Kandidaten zu entziehen vermag. Mitmachen und Dabeisein ist alles. Das könnte auch das Leitmotiv der musikalischen Zeitreise durch die kommenden vier Jahrzehnte sein.

Mit Melodien von Elvis, über Gitte Haenning bis hin zu ABBA, Udo Jürgens, Nina Hagen und Nena wird viel vom Lebensgefühl der Nachkriegsjahre, des Wirtschaftswunders und der kommenden Wohlstandsgesellschaft transportiert. Leichtigkeit, Vergnügen, mitreißende Rhythmen und Ohrwürmer stehen im Mittelpunkt der Musical-Inszenierung. Auch einige Seitenhiebe etwa auf Frauenemanzipation, Transsexualität und Flower Power kommen vor. Mehr als 30 jugendliche Mitwirkende des Teenie-Musiktheaters haben sich unter Leitung von Margitta Burghardt auf die neunmonatige Probenzeit des Civitas-Projektes eingelassen. Sie tanzen (Choreografie: Natalja Wähnke) und singen sich gekonnt durch insgesamt sechs Jahrzehnte Unterhaltungskunst. Herausgekommen sind 180 Minuten, die von allen Beteiligten gleichermaßen mit Spielfreude, Engagement und Perfektionswillen getragen werden.

Da konnten einige technische Probleme mit den Mikroports meistenteils überhört werden. Zur opulenten Ausstrahlung trugen auch die aufwändigen Bühnenbilder und die effektvollen Kostüme bei. Nicht zu vergessen die sich immer mehr steigernde Live-Band unter der Leitung von Jens Blockwitz. Allerdings fragt sich der Zuschauer, nachdem er durch die vielen Kosthappen der leichten Muse, versehen mit einigen historischen Fingerzeigen, hindurchgeeilt ist, was nun eigentlich aus den Berufswünschen der Jugendlichen geworden ist. Am Ende erfährt er, dass es alle Kandidaten geschafft haben. Und er kommt sich vor wie bei Tucholsky, bei dem beim Happy End ja auch gewöhnlich abgeblendet wird. Oder? War doch alles nur Show? Und, nur wer seine (nackte) Haut zu Markte trägt, kommt weiter?

Das vorwiegend jugendliche Publikum an diesem Vormittag ließ sich jedenfalls von den gelungenen musikalischen Darbietungen mitreißen und spendete herzlichen Applaus. Astrid Priebs-Tröger

Weitere Vorstellungen: 19.05. um 18.00 Uhr, 20.05. um 19.30 Uhr im Malteser Treffpunkt Freizeit

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