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CD-Neuheit: Emmanuel Pahud und die KAP: Viel mehr als bloßes Ohrenkitzeln

Von gefälliger Musik hielt der zweitälteste Bach-Sohn, Carl Philipp Emanuel, nichts. Sie solle vielmehr das Herz anrühren.

Von gefälliger Musik hielt der zweitälteste Bach-Sohn, Carl Philipp Emanuel, nichts. Sie solle vielmehr das Herz anrühren. Die edle Einfalt der Melodie dürfe aber auch durch allzu viel Zierrat nicht überwuchert werden, denn so könnte sie zerstört werden. Er, Apologet des norddeutschen Rationalismus und Mitglied der Hofkapelle des preußischen Königs Friedrich II., erwartete vom Musiker, dass man die im Werk ausgedrückten Affekte während des Spielens durchlebe.

Hört man auf der soeben bei Warner Classics neu erschienenen CD Emmanuel Pahud, den Soloflötisten der Berliner Philharmoniker, der gemeinsam mit der Kammerakademie Potsdam unter dem Dirigat von Trevor Pinnock den Flötenkonzerten Carl Philipp Emanuel Bachs Leben verleiht, so glaubt man, diese Stücke seien interpretatorisch an Spritzigkeit und Verve schwerlich zu überbieten. Man erlebt von der Kammerakademie einen Streicherklang, der in seiner Gebrochenheit und melancholischen Anmut betört. Eine fabelhafte Intonation, ein differenzierter Ensembleklang und lebendige Tempi sind auszumachen. Und Emmanuel Pahud spielt die drei Concerti in a-Moll, in d-Moll sowie in G traumhaft schön, mit souveräner Musikalität. Keine Phrase klingt beiläufig, alles fügt sich organisch in das Gesamtkonzept. Er versteht es, den melodischen Fluss und die rasanten Passagen stets aufrechtzuerhalten, einen subtilen Dialog mit den Streichern zu entfalten. Von einem „bloßen Ohrenkitzeln“, das schon Bachs Sohn ablehnte, ist bei Pahud nichts zu spüren. Er bringt „das Herz in Bewegung“ und holt die differenzierte Sensibilität des empfindsamen Zeitalters, das zunehmende Sturm-und-Drang-Bewusstsein, für das Bach steht, auf die CD.

Für den leidenschaftlichen Flötenspieler Friedrich II. waren die Konzerte seines Hofcembalisten Carl Philipp Emanuel Bach zu schwere Kost, das Zukunftsweisende in Bachs Musik interessierte ihn nicht. Er bevorzugte die traditionsgebundenen Kompositionen seines Flötenlehrers Johann Joachim Quantz und eigene Stücke. Obwohl er Bach als Cembalisten schätzte, ließ er ihn nach 29 Jahren nach Hamburg ziehen. Dort verfasste der große Dichter Klopstock seine Grabinschrift, in der es heißt, der tiefsinnige Harmonist habe die Neuheit mit der Schönheit vereint. 

Emmanuel Pahud, die Kammerakademie Potsdam und Trevor Pinnock musizieren am 15. Januar in der Friedenskirche

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