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Kultur: Bühne ist überall

Barbara Köppe fotografierte die Künstler der DDR und kam ihnen dabei sehr nahe

Fotos wie die von Christa Wolf und Konrad Wolf gehören längst zum bildhaften Gedächtnis der DDR. Man kennt sie und erkennt sie wieder. Die Schriftstellerin, wie sie da an ihrem Arbeitsplatz sitzt, die Hände locker ineinander gelegt, nachdenklich, in sich ruhend. Den Kopf leicht geneigt aber alles in allem doch aufrecht. Und dann Konrad Wolf, der Regisseur, den die Fotografin längere Zeit begleiten durfte, sollte, für einen Buchauftrag. Den sie beim Arbeiten fotografieren konnte, am Schneidetisch oder eben wie er da gedankenverloren am Regal angelehnt steht, eine Art Gestell, auf dem lose Filmstreifen wie Luftschlangen hängen. Seine Hand verdeckt die untere Gesichtshälfte, er schaut nach unten. Oder nach innen? Bemerkt er überhaupt, dass er fotografiert wird? 1981 ist das Bild entstanden, im Jahr vor seinem Tod. Beides, das offene Porträt der Schriftstellerin und der intime aber auch irgendwie unnahbare Schnappschuss von dem Filmemacher, sind berühmte Bilder. Die Fotografin aber können auf Anhieb nur wenige nennen.

Es war Barbara Köppe, die in den 1980er Jahren bis Anfang der 90er viele Künstler und Schriftsteller der DDR fotografierte. Zunächst meistens mit einem offiziellen Auftrag für ein Magazin oder eine Zeitung. Aber immer öfter löste sich Köppe von den Vorgaben und arbeitete frei, nach ihren Vorstellungen und Wünschen. Die späten 80er und frühen 90er waren ihre starken Jahre“, sagt Ursula Röper. Die Kuratorin aus Berlin ist jetzt mit einer Ausstellung mit Werken von Barbara Köppe in der Potsdamer Galerie von Angelika Euchner zu Gast.

Röper gilt auch als Wiederentdeckerin der Fotografin, die eigentlich vor ziemlich genau zehn Jahren Schluss machte mit dem Fotografieren, ihre Bilder wegpackte, Kameras und technische Geräte auch. Das Fotohandwerk hatte sich zu sehr verändert, modernisiert, perfektioniert. Das gefiel ihr nicht. „Farbe und digital – das war nicht ihr Ding“, sagt Röper. Durch Zufall fand Röper Kontakt zu Köppe, als sie die Fotorechte zu einem Bild recherchierte. Sie war neugierig und ließ sich Köppes Arbeiten zeigen. Und war begeistert. Vor allem von einem bis dahin noch nie gezeigten Zyklus über die Arbeits- und Lebenswelten der Frauen in der DDR. Die Ausstellung dazu, 2015 im Berliner Willy-Brandt-Haus, wurde ein großer Erfolg. Und Köppe holte ihre Fotos wieder raus.

Mit Potsdam verbindet die heute 75-jährige Fotografin viel. Hier verbrachte sie ihre Kindheit und Jugend, bevor sie in Berlin eine fotografische Ausbildung am Schöneberger Lette-Verein absolvierte. Anschließend arbeitete sie in der DDR als Fotojournalistin, später mehr und mehr als Künstlerin und vornehmlich Porträtfotografin. „15 Versuche über Frauen in künstlerischen Berufen“ heißt ein Fotozyklus von 83/84. Die Tänzerin Hannelore Bey hinter der Bühne in einer Pause, gefasstes Gesicht, große, wache Augen. Die Schauspielerin Christine Schorn bei einer Verbeugung vor großem Publikum, schwungvoll, in der Hand schon ein Blumenstrauß.

Daneben hängt in der Galerie das Porträt von Ulrich Mühe. 1985 steht er vor dem Deutschen Theater, seine Bühne, im langen Mantel mit Fellkragen, die Hände in den Hosentaschen. Es liegt Schnee und Mühe schaut ein bisschen von oben herab.

Immer wieder gelingen Köppe Bilder, denen eine wunderbare Vertrautheit innewohnt. Köppe schließt die Menschen mit ihrer Kamera auf. „Am Anfang ist man immer Eindringling, dann wird man Entdeckerin“, sagt Köppe. „Ich habe nie fotografiert, solange da kein Vertrauensverhältnis bestand.“ Vertrauen baute sie auf, in dem sie erstmal redete und die Kamera stecken ließ. Erst dann begann sie zu arbeiten. „Mir war es wichtig, dass sie vergaßen, dass sie fotografiert wurden.“ Wenn man in den Bildern lesen konnte, wenn sich da eine zweite Ebene auftat, die den Betrachter hineinzog, dann war sie zufrieden.

In der Potsdamer Ausstellung sind Porträts von Anna Seghers, Marianne Hoppe und Stephan Hermlin. Erwin Strittmatter schmunzelt unter seinem Bart hindurch. Sie fotografierte auch während Theaterproduktionen, Heiner Müllers „Quartett“ beispielsweise. 1986 fängt sie die Schauspieler-Schwestern Gerit und Anja Kling ein, ja, sie fängt, sie scheinen sich gerade weg zudrehen von der Fotografin und doch wird es noch ein Bild.

Noch mehr Fotos aus Potsdam werden gezeigt, zwei frühe Miniaturen aus Sanssouci und ein Panorama der Langen Brücke – die Fußgänger im Gegenlicht erscheinen wie ein Schattenriss oder ein sauberer Scherenschnitt. 1960 ist das. Die große Theaterruine, den peinlichen Betonklotz auf dem Alten Markt, fotografiert Köppe 30 Jahre später. Und dann – doch noch Farbe. Im Holländischen Viertel verrotten zur selben Zeit die roten Ziegelhäuser. Das ausgewaschene, verschwundene Rot, die braunen Behelfsbretterwände, die Öde, das alles wirkt in Farbe erst recht deprimierend. Als wollte Köppe trotzig betonen, was hier verloren ging.

AE-Galerie, Charlottenstraße 13. Bis 24. November. Geöffnet Mittwoch bis Freitag von 15 bis 19 Uhr, Samstag 12 bis 16 Uhr

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