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Parisienne. Pascal Hugues pendelt zwischen den Kulturen.

© Ronny Budweth

Kultur: Brettchen, Bidet und Brustwarzen

Pascale Hugues las in der Villa Quandt aus ihrem Buch „Deutschland à la française“

Freundliche Nachbarn sind eine Wohltat. Sie erleichtern das Leben miteinander ungemein, ähnlich wie gute alte Bekannte, die ihre eigenen und des anderen Marotten genau kennen und mit denen man im besten Fall gemeinsam darüber lachen kann. Die Französin Pascale Hugues ist so eine freundlich zugewandte Journalistin und Autorin. Seit fast 30 Jahren blickt sie über den Zaun ihres Landes. Wobei gar nicht so klar ist, auf welcher Seite des Zaunes, in welchem Land, sie eigentlich zu Hause ist. Eher springt sie fröhlich von einer Seite auf die andere.

Pascale Hugues kam 1989 als Korrespondentin für die Tageszeitung „Libération“ nach Bonn, seit Mitte der 1990er- Jahre schreibt sie nunmehr für das französische Wochenmagazin „Le Point“, aber auch Kolumnen für diese Zeitung. Am Vortag des Jahrestages der Unterzeichnung des Elysée-Vertrags, der 1963 die deutsch-französische Freundschaft besiegelte, lud sie der Freundeskreises Potsdam-Versailles in die Villa Quandt. In der ausverkauften Matineeveranstaltung am gestrigen Sonntag las sie aus ihrem neuesten Buch „Deutschland à la française“, das im vergangenen Juli erschien.

Die Bundesrepublik also aus dem Blickwinkel einer wohlgesinnten, im Politikgeschehen versierten und vor allem witzigen Französin. Zugleich – und das ist auf gewisse Weise noch charmanter – betrachtet sie Frankreich mit dem Abstand einer Elsässerin und Ex-Patriate. „Als Elsässerin haben Sie Deutschland in den Knochen“, sagt sie und hat sich das Nachbarland so sehr einverleibt, dass sie sich manchmal über ihr Frankreich nur wundern kann und ihm unbedingt den Heiligenschein absetzen muss, den die Bewunderer auf der anderen Seite des Rheins dem Land gerne aufsetzen. Etwa, wenn sie die Sitze der Macht beider Länder, den Elysée-Palast und das Kanzleramt, vergleicht: Da das steinerne Symbol der Wiege Frankreichs, kurz Schloss genannt, mit einer ununterbrochenen Linie von Louis XV. bis hin zum jungen Emmanuel Macron, der sich als erster Präsident traut, des Königs Schreibtisch zwei Meter zu verrücken. Hier die nach dem Fall der Mauer errichtete und vom Volksmund getaufte „Waschmaschine“ mit einer Dienstherrin, die das Volk „Mutti“ nennt – ein Ding der Unmöglichkeit im Nachbarland. Wie Pascale Hugues das formuliert, mit einem sicheren Gespür für Pointen und Pausen, hat sie das Lachen des Publikums auf ihrer Seite. Abgewinnen kann sie beiden Systemen und ihren jeweiligen Vorstellungen von Macht etwas – der Tradition ohne Bruch, aber auch dem schlichten Pragmatismus.

Auch die feinen Alltagsunterschiede nimmt sie unter die Lupe und seziert sie mit einem Augenzwinkern. Was den Deutschen ihr Brettchen in der Küche, ist den Franzosen ihr Bidet im Bad. Manchmal schrammt sie dabei arg dicht an Klischees entlang: Die Deutschen seien ein Volk von Schreinern am Abendbrottisch, das Brettchen „holzgewordener Ausdruck von Gemütlichkeit“, doch wer zum befreienden Lachen bringt, dem sei dies verziehen.

Weniger überzeugend sind hingegen ihre Sprachbetrachtungen. In der Fremde würden die Wörter wieder an Konturen gewinnen, sagt Hugues, lasse sich die „eigene Sprache wieder schmecken“. So widmet sie sich ihrem deutschen Horrorwort Brustwarzen und den blumigen französischen Pendants Mamelon. Das Deutsche verwechsele hierbei Erotik mit einem dermatologischen Fachaufsatz, schreibt sie. Doch bei genauerer Betrachtung gewinnt sie wiederum selbst diesem Wort etwas ab: Das Deutsche sei konkret statt abstrakt, plastisch statt wolkig, sinnlich statt prüde. Ja, was denn nun?

Apropos prüde: Ein Wort muss auch zur MeToo-Debatte fallen, die in Frankreich Künstlerinnen wie Catherine Deneuve oder Catherine Millet auf den Plan rief. Sie hätten mit ihrem Aufruf, so Hugues, die darüber jüngst in der „Zeit“ schrieb, Raison in die Debatte gebracht. Auch Hugues verteidigt das Recht der Frauen auf Flirten und selbstbestimmtes erotisches Spiel. Der deutsche Feminismus argumentiere hart gegen die Männer und sei für sie als Französin „ein bisschen dröge“ – die Grenze, wo Spiel aufhört und Macht anfängt, sei allerdings schwer zu setzen. Klar hingegen ist die Grenze bei dem deutschen Unding Ehegattensplitting, wie sie gut gelaunt hinzufügt. „Da bin ich froh, dass ich Französin bin.“ Grit Weirauch

Pascale Hugues:

„Deutschland à la française“

Rowohlt Verlag, Reinbek 2017. 208 Seiten, ISBN-10: 3498030329, 19,95 €.

Grit Weirauch

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