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Der Potsdamer Grafiker Manfred Butzmann erhielt 2020 den Ehrenpreis des Brandenburgischen Ministerpräsidenten. Hier: "Ausblick mit Fahnenstangen" (Aquatinta, 1976).

© Promo Schloss Neuhardenberg

Brandenburgische Kunst in Neuhardenberg: Die Zeit der Stillen

Eine Ausstellung zum Brandenburgischen Kunstpreis versammelt im Schloss Neuhardenberg Momentaufnahmen märkischer Kunst. Auch neun Positionen und ein Ehrenpreisträger aus Potsdam sind dabei.

Neuhardenberg - Der diesjährige Ehrenpreis des brandenburgischen Ministerpräsidenten geht nach Potsdam: Es erhält ihn der 1942 dort geborene Grafiker Manfred Butzmann für sein Lebenswerk. Sechs Plakate und mehrere Aquatinta-Arbeiten vermitteln derzeit im Schloss Neuhardenberg einen Eindruck von dem vielfältigen Schaffen des 77-jährigen Künstlers. Und auch von dem erheblichen Biss, mit dem Butzmann das Zeitgeschehen kommentiert: „Ich fahre gern“ steht über dem Foto einer wenigstens zwölfspurigen Straße, auf der sich die Fahrzeuge stauen und augenscheinlich überhaupt keines mehr fährt.

Neun Potsdamer Künstlerinnen und Künstler finden sich unter den zahlreichen Positionen, die anlässlich der Verleihung des Brandenburgischen Kunstpreises im Schloss Neuhardenberg präsentiert werden. Von den Potsdamerinnen Beret Hamann, Kathlen Pieritz und Angela Frübing ist Malerei zu sehen. Petra Dachtler, Dominique Raack und Katja Gragert sind mit Fotografie vertreten. Der Potsdamer Künstler Mikos Meininger, der die Skulptur für den Kunstpreis im vergangenen Jahr geschaffen hatte und in Potsdam die Ausschreibung für das Einheitsdenkmal gewann, stellt wiederum ein bronzenes Figurenensemble aus. Der Titel: „Die Menschen und das Meer“. 

In der Ausstellung zum Brandenburgischen Kunstpreis ist auch das vielfältige Werk von Manfred Butzmann (hier "Sturmbahn", Aquatinta, 1977) zu sehen.
In der Ausstellung zum Brandenburgischen Kunstpreis ist auch das vielfältige Werk von Manfred Butzmann (hier "Sturmbahn", Aquatinta, 1977) zu sehen.

© Promo Schloss Neuhardenberg

Ein leidender Odysseus von Rainer Ehrt

„Odysseeische Reise“ nennt der in Kleinmachnow lebende Grafiker Rainer Ehrt eine dramatische Bootsszene: ein an den Mast gefesselter Odysseus ist hier zu sehen, der sich anscheinend gerade des Sirenengesangs erwehrt. Souverän komponiert ist die Szenerie, das Bildnis eines leidenden Menschen auf See. Sie erhält angesichts der vielen Bootsflüchtlinge unversehens einen wahrscheinlich unbeabsichtigten Gegenwartsbezug, ebenso wie die Skulptur von Meininger.  

Der Berliner Maler Johannes Heisig hat den Literaten und Dramatiker Volker Braun porträtiert und damit den diesjährigen Preis für Malerei erhalten. Lebensecht, in der Hand ein Papier, sitzt Braun vor einem dunklen Hintergrund. Mit sicherem Pinsel schafft Heisig in der zweidimensionalen Fläche eine Figur, die in ihrer Plastizität sogleich aus dem Bild heraus treten könnte. Es ist nicht das einzige Porträt in der Ausstellung. „Der Brief“ ist der Titel eines Bildes mit einer lesenden Frau, gemalt von Marlies Ziemke mit Acryl auf Leinwand, das einen Vergleich mit dem prämierten Bild von Heisig nicht scheuen muss und den Moment einer intimen Leseszene festhält.

Von dem Potsdamer Künstler Mikos Meininger ist die Plastik "Die Menschen und das Meer" in Neuhardenberg dabei.
Von dem Potsdamer Künstler Mikos Meininger ist die Plastik "Die Menschen und das Meer" in Neuhardenberg dabei.

© Promo Schloss Neuhardenberg

In Holz gehauene Anmut von Gisela Eichhardt

Auch im Genre Skulptur finden sich eindrucksvolle Arbeiten, die menschlichen Antlitz zum Thema haben. Weit geöffnete Augen, volle Lippen, ein schönes Gesicht mit hohen Wangenknochen. Zwei Schachfiguren verzieren als Ohrringe die Figur von Gisela Eichhardt. „Hinter der Kulisse“ hat die Künstlerin ihre aus Holz gefertigte Skulptur genannt. Und tatsächlich findet sich das Porträt der auf stille Art schön und bescheiden wirkenden Frau unauffällig in einem Durchgang, nicht im großen Ausstellungsraum. Dennoch wird der Blick des Besuchers unwillkürlich von der anmutigen Versunkenheit und der Klarheit des Ausdrucks gefangen. Mit zurückhaltenden Farben bemalt, auf der Oberfläche noch die Spuren des Bildhauerwerkzeugs erkennbar, ist die Holzskulptur ganz auf der Höhe der Zeit und wirkt dennoch wie ein kontemplative Renaissance Bildnis.

Die Preisträger des Kunstpreis Brandenburg finden sich im großen Saal, beziehungsweise im Showroom für Videoarbeiten. „Wir haben uns entschlossen, nicht nur eine virtuelle Präsentation im Netz zu veranstalten, sondern die Kunstwerke in einer Ausstellung zu präsentieren“, sagt die Pressesprecherin Susanne Kumar-Sinner. Es sei einfach ein viel intensiveres Erlebnis, die ausgestellten Werke unmittelbar zu erleben. Darum habe man sich entschieden, die Ausstellung nicht nur digital zu präsentieren. Bei der Preisverleihung und auch beim Besuch der Ausstellung würde auf Abstand, Hygiene und Maskenpflicht hingewiesen, um Gesundheitsrisiken zu minimieren.

Anfang August überreichte Ministerpräsident Dietmar Woidke dem Grafiker Manfred Butzmann den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten für ein Lebenswerk.
Anfang August überreichte Ministerpräsident Dietmar Woidke dem Grafiker Manfred Butzmann den Ehrenpreis des Ministerpräsidenten für ein Lebenswerk.

© Staatskanzlei Brandenburg

Zufall? Im Krisenjahr dominieren die stillen Werke

Vielleicht auch durch die Krisenstimmung beeinflusst, hat die Jury eher stille Werke als Preisträger ausgewählt. „Naturen“ nennt Ingar Krauss, der Träger des Preises für Fotografie, eine dreiteilige Fotoserie auf der eine Rübe und andere Pflanzen vor schwarzem Hintergrund abgelichtet sind. Die Serie verdichtet in den Stillleben eine kontemplative Stimmung, die den Blick auf die unspektakuläre Schönheit banaler Nutzpflanzen richtet. Tusche, Teebeutelpapier, Garn und Bleistift fügt Carola Kirsch, die Preisträgerin des Preises für Grafik, zu dem Ensemble „Grenzüberschreitungen innen und außen“ zusammen. „Vor dem Schatten“ betitelt Marguerite Blume-Cárdenas ihre roh behauene Sandsteinbüste, für die sie den Preis für Plastik erhalten hat. 

Den Nachwuchsförderpreis Bildende Kunst erhält Larissa Rosa Lackner für ihre Videoarbeit „Heide“. In Doku-Fiction-Manier schafft Lackner mit ihrem Video das Porträt von Heide, einer anscheinend künstlerisch und auch sonst sehr talentierten und sensiblen Sportlerin und Steinesammlerin, die zu DDR Zeiten aus allen gesellschaftlichen Rastern heraus gefallen ist, wie der Film suggeriert. Die ehemaligen Kollegen und Mitbewohner sprechen über Heide. Zwar wird nie so recht klar, ob die nun verschwundene Heide wirklich existiert hat. Aber die kluge Dramaturgie schafft auch einen prägnanten Eindruck des untergegangenen sozialistischen Staates.

Ein konventioneller Rahmen, mit Ausnahmen

Im Ganzen bleibt der Rahmen der Ausstellung doch recht konventionell. Einige Arbeiten sprengen diesen Rahmen. „Klappstühle, Kindergitarre, Notenständer, Lampenschirm und Plastikfigur“ nennt Maren Strack als Materialien ihrer Skulptur mit dem Titel: „3. Rang rechts, Reihe 2, Platz 6-8“. Entsprechend ihrer Bestimmung klappen die Stühle auf und ab, die Figur pendelt auf der Gitarre. Das ist witzig anzusehen und setzt in der Ausstellung einen erfreulich lustigen und bunten Kontrapunkt.

Insgesamt ist die Ausstellung eine schlüssige, schön arrangierte Momentaufnahme der Brandenburger Kunst. Der Jury hätte man allerdings einen etwas genaueren Blick gewünscht. Dann wären vielleicht auch neuere, mutigere und möglicherweise auch handwerklich noch überzeugendere Arbeiten zum Zug gekommen.

Die Ausstellung zum Brandenburgischen Kunstpreis ist bis 30. August dienstags bis sonntags sowie an Feiertagen von 12 bis 18 Uhr im Schloss Neuhardenberg zu sehen.

Richard Rabensaat

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