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Kultur: Brandenburger Kindheit in Bildern

Die Ausstellung „Kinder, Kinder!“ zeigt Fotografien aus den 1920er-Jahren bis in die Gegenwart

Es muss einen Heidenspaß gemacht haben! Denn die drei Mädchen lachen sehr mutwillig in die Kamera. Sie sitzen gemeinsam sehr braungebrannt in einer kleinen ovalen Zinkbadewanne, wie sie noch heute in manchem Kleingarten zu finden ist. Doch das Schwarz-Weiß-Foto stammt nicht etwa aus dem vergangenen Jahr, sondern wurde im Kriegssommer 1944 in Babelsberg aufgenommen. Es gehört zu den etwa 5000 Aufnahmen, die Peter Walther vom Brandenburgischen Literaturbüro seit anderthalb Jahren sammelt. Unter dem Motto „Kindheit in Brandenburg“ startete er damals einen Aufruf, der ihm Fotografien und die dazugehörigen Geschichten aus dem gesamten Land Brandenburg, von 1848 bis in die Gegenwart, ins Haus flattern ließen. Das älteste Bild ist eine Daguerreotypie, eine Fotografie auf einer spiegelglatt polierten Metalloberfläche, die eine Apothekerfamilie aus Prenzlau zeigt.

Einen ersten Einblick in diese faszinierende Bilderwelt kann man in den Potsdamer Bahnhofspassagen bekommen. Hier wird am heutigen Mittwoch die Ausstellung „Kinder, Kinder! Aufwachsen in Brandenburg“ eröffnet. Sie entstand auf Initiative des Managements der Bahnhofspassagen, die einen Fotowettbewerb „Kindheit in Brandenburg“ ausgeschrieben haben. Dessen Einsendungen, ausgewählte Bilder aus Peter Walthers Sammlung und Fotografien des Berliner Fotografen Jürgen Homuth werden dann dort knapp drei Wochen gemeinsam zu sehen sein. Diese insgesamt 150 Bilder umfassende Schau wird einen ersten Vorgeschmack geben auf das, was dann im Rahmen des diesjährigen Kulturlandthemenjahres „Spiel und Ernst, Ernst und Spiel – Kindheit in Brandenburg“ im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu sehen sein wird. Und man müsste sich schon sehr wundern, wenn man den drei kessen Badenixen aus Babelsberg dort nicht auch wiederbegegnen würde.

Man kann Peter Walther ansehen, wie viel Spaß es macht, diese Bilder zu sichten, zu ordnen und zu kategorisieren, denn ab Ende Juli wird eine große Ausstellung mit etwa 250 Fotografien für mehrere Monate im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte unter dem Titel „Kindheitsbilder – Fotografie in Brandenburg seit 1848“ zu sehen sein. Auf die Frage, was mit den anderen geschieht, hat er sofort eine Antwort, die alle, die Fotos eingeschickt haben, zufriedenstellen wird. Zu der als Wanderausstellung konzipierten Schau, die durch das Land Brandenburg touren wird, gibt es außerdem ein Begleitbuch und darüber hinaus sollen alle eingesendeten Fotos auf dem Portal zeitstimmen.de ins Netz gestellt werden, wo zu den dort versammelten Tagebucheinträgen von 1813 bis in die Gegenwart die Fotografien topografisch und inhaltlich zugeordnet werden.

Denn das Projekt „Kindheitsbilder und -geschichten“ soll Teil eines größeren Ganzen werden. Die Kindheitsfotos, die immer auch Alltag abbilden – sei es ein Weihnachtsfest im Kreise der Familie vom Anfang des 20. Jahrhunderts oder eine Kindertagsfeier im sozialistischen Kindergarten der 1950er Jahre –, sollen Bestandteil einer topografischen Enzyklopädie des Alltagslebens in Brandenburg werden. Wie sah es beispielsweise in den 1920er- oder 1950er-Jahren in Städten und Dörfern aus, was trugen die Leute um 1880, was für Spiele spielten die Kinder um die Jahrhundertwende und vieles andere mehr kann man aus diesen Fotos ablesen. Der Grundgedanke, dieses Projekt zu starten, so Peter Walther, war, dass der Einzelne das, was er hat, in eine Art kollektives Familienalbum einfließen lässt und durch die digitale Veröffentlichung allen Materials einen Mehrwert zurückbekommt, der auch Vergleich, Relativierung und Objektivierung mit einschließt.

Das passiert einem sofort, wenn man die in Themengruppen wie „Kinder und Spielzeug“ oder „Kinder und Tiere“ und „Kinder und Wasser“ eingeteilten Fotos anschaut. Auf einem Beelitzer Bild von 1962 stecken drei Jungs mit sehr kurzen Haaren die Köpfe zusammen, worüber, ist nicht ganz genau zu erkennen, aber den luftbereiften Roller, der an der Seite steht, kennt man noch aus eigener Fahrpraxis sehr gut. Oder das Foto von 1961 aus Lütkenwisch, das glückliche Hühner und ebensolche Kinder zeigt, die ihrer Mutter beim Füttern des rotbraunen und schwarzen Federviehs mithelfen dürfen. Was hier wie ländliche Bio-Idylle wirkt, war oft neben der eigentlichen Arbeit zu leisten und diente der eigenen Ernährung oder der Aufbesserung der knappen Haushaltskasse.

Ein wichtiges Thema wird auch „Kinder in Uniform“ sein, das Fotografien vom Ende des 19. Jahrhunderts bis 1989 vereinigen wird. Da kann man beispielsweise eine faschingshafte Husarenuniform von 1877, die um die Jahrhundertwende beliebten Matrosenanzüge und natürlich auch Uniformen von Pfadfindern, der Hitlerjungend und der DDR Kinder- und Jugendorganisationen sehen. Wenn man solche Fotos im Gesamtzusammenhang anschaut, kommen einem schon viele kritische Gedanken zum Thema Kontinuität von Erziehungswerten und -normen.

Die Ausstellung „Kinder, Kinder! Aufwachsen in Brandenburg“ wird am heutigen Mittwoch um 15 Uhr eröffnet und ist bis zum 20. April in den Potsdamer Bahnhofspassagen zu sehen

Astrid Priebs-Tröger

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