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Brandenburger Dom: Den Heiligen so nah

Beschwingt zu den Sommermusiken im Brandenburger Dom.

Die Fenster des Regionalzuges von Potsdam nach Brandenburg an der Havel geben nach dem Einkaufscenter Wust den Blick auf die „Wiege der Mark“ frei. Mächtige Kirchtürme beherrschen eindrucksvoll die Stadt. Von der Lebens- und Glaubenswelt der Brandenburger Einwohner früherer Jahrhunderte und von heute wollen sie erzählen: der Dom, die St. Gotthardtkirche sowie die St. Katharinenkirche. An diesem Augusttag geht es ausschließlich in den Dom. Vom Vorplatz des Bahnhofs aus, der zur Bundesgartenausstellung aufgefrischt wurde, fährt der Bus geradewegs auf die Dominsel.

Zwischen Beetzsee und Havel gründete König Otto I. im Jahr 948 das Bistum Brandenburg. Mit dem Bau des heutigen Doms ist Mitte des 12. Jahrhunderts begonnen worden, zunächst romanisch, dann gotisch weitergeführt bis ins 15. Jahrhundert. Ein Gefühl des Erhobenseins erfüllt Gläubige und „Nur-Kunst-Interessierte“, die die hohe, dreischiffige Basilika betreten. Sie ist eine Schatzkammer früher und mittelalterlicher Steinmetzkunst und Holzbildhauerei. Der Marienaltar auf dem Hohen Chor ist ein Höhepunkt der Dom-Kunstwerke. Fontane hat den Altar in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“ als „Zierde und Sehenswürdigkeit des Brandenburger Domes“ bezeichnet. Er entstand um 1518 im Übergang von Gotik zur Renaissance, in Zeiten weltlicher und religiöser Umbrüche. Bei näherem Hinsehen wirken die Plastiken ziemlich irdisch. Die mit Strahlen bekränzte Gottesmutter Maria hat menschliche Züge. Paulus mit seinem langen Schwert wirft sich dagegen in Pose und der schlüsselgewaltige Petrus scheint uns zuzuzwinkern: Auch die Heiligen haben nur mit Wasser gekocht. Ihre Biografien im Neuen Testament berichten davon.

Der Marienaltar, der vermutlich in einer Leipziger Werkstatt für das Zisterzienserkloster von Lehnin gearbeitet wurde, ist Ausgangspunkt einer Sonderausstellung des Dommuseums. Anhand vielfältiger Exponate in der Klausur wird natürlich auch der Frage nachgegangen, warum der Lehniner Altar heute im Brandenburger Dom beheimatet ist. So kann man in ein Rechnungsbuch von 1552 Einsicht nehmen, wonach der Altar für vier Gulden von der kurfürstlichen Stiftskirche Berlin nach Brandenburg transportiert wurde. Hierher war er allerdings schon zehn Jahre früher gelangt, als Kurfürst Joachim II. mit dem Abt Valentin eine enge Beziehung pflegte, die Säkularisierung des Klosters Lehnin vollzog und die Ausstattung verstreut wurde. Weshalb er ihn im Anschluss in die Havelstadt bringen ließ, liegt im Dunkeln. Man vermutet, dass er Schulden im Brandenburger Domkapitel hatte und diese mit der Abgabe des Altars ausglich.

Nach dem Ausstellungsbesuch ist Zeit für eine Pause im historischen Gemäuer der vor gut drei Jahren eröffneten Remise, einem Restaurant auf dem Domgelände. Die moderne Ausstattung sowie die überschaubaren Köstlichkeiten der Speise- und Getränkekarten sind einladend. Die kalte Gurkensuppe kommt gerade richtig an diesem heißen Sommertag, mit den Bandnudeln und den gebratenen Pfifferlingen in Kräuterrahm und Kirschtomaten wird der Sommer geschmacklich auf dem Teller erlebbar. Mit einem Glas Weißwein, einem Cuvée aus Chardonnay und Weißburgunder, geht es noch beschwingter zur Sommermusik in den gegenüberliegenden Dom. Glücklicherweise beginnen die kraftvollen Glocken rechtzeitig ihren weit hörbaren Klang anzustimmen, sodass man noch in Ruhe die Rechnung begleichen kann.

Die beliebte Mittwoch-Sommermusik-Reihe gehört seit 60 Jahren zu den künstlerischen Glanzpunkten der Stadt Brandenburg, die an musikalischen Aktivitäten nicht arm ist. Caspar Wein begrüßt die Zuhörer, die regelmäßig die Konzerte besuchen, und die, die auf der Durchreise sind. Da trifft man auch Urlauber aus Potsdam, die mit ihrem Boot in der Havelstadt Halt machen. Die kostbare Orgel von Joachim Wagner – ein berühmtes architektonisches und klangliches Schmuckstück – wird heute aber schweigen. Organisten aus aller Welt setzen alles daran, auf dem Instrument der Barockzeit musizieren zu können. Somit sind die Konzerte zumeist erfüllt von brausenden Orgelklängen.

An diesem Abend ist Paper Kite zu Gast, ein junges Ensemble, dessen Mitglieder aus verschiedenen Gegenden Deutschlands kommen und sich der Alten Musik verschrieben haben. Kompositionen, die mitten im 30-jährigen Krieg entstanden sind, angesichts von Zerstörung, Tod und Schrecken. Klage, Schmerz werden hörbar, auch Trost, Hoffnung und das Gotteslob. Die Werke von Heinrich Schütz, Andreas Hammerschmidt oder Johann Rosenmüller spielen im kirchenmusikalischen Leben nach wie vor eine wichtige Rolle. Die abendliche Musik mit Paper Kite besticht durch die große Klangschönheit und beredte Gestaltung der Interpretationen.

Nach der Sommermusik hat man noch Lust auf ein kühles Glas Weißwein in der Remise. Aber dort wird abgewinkt: Um 21 Uhr schließt das Restaurant. So geht es in die nahe gelegene Gaststätte „An der Dominsel“ mit einem feinen Wein- und Speiseangebot. Vom Garten aus sehen wir, wie die Abendsonne den altehrwürdigen Dom beleuchtet.

In unserer Serie stellen wir Orte in der Mark vor. Kommenden Mittwoch geht es ins Theater am Rand

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Interview mit Caspar Wein

Was ist das Besondere an diesem Ort?

Der Dom und sein Areal wirken magisch auf alle, die sich ein Bild vom Glauben in der Kunst, in der Musik des Mittelalters und vom Heute machen wollen. Seit 850 Jahren kann man hier den christlichen Glauben feiern, wird Gottes Wort verkündet, wird gebetet und gesungen. Dies verbindet die Menschen untereinander und lässt uns in eine Spiritualität eintauchen, die in Bewegung setzen kann.

Was hat Sie an diesen Ort geführt?

Nach meinem Studium wurde ich 2017 gefragt, ob ich vertretungsweise die Stelle des Domkantors in Brandenburg für ein Jahr übernehmen könnte. Marcell Armbrecht-Fladerer ging in Vaterschaftsurlaub und wird ihn am 31. August beenden. Diese Zeit war für mich eine riesengroße Herausforderung. Vielleicht war da auch eine Prise Größenwahn dabei.

Was wünschen Sie diesem Ort?

Ich würde mich freuen, wenn sich die Sommermusiken weiterhin des Erfolgs erfreuen, wie bisher. K.Bü

Caspar Wein (24), geboren in Berlin, studierte an der UdK evangelische Kirchenmusik. Innerhalb des Studiums war er an verschiedenen Kirchen in Berlin aushilfsweise als Organist tätig.

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