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Die Künstlerin Gabriele Worgitzki war auf der Suche nach einer Atelieretage und hat sich unweigerlich mit Exposés und ihrer Wirkung auseinandersetzen müssen. 

© Andreas Klaer

Bizarre Immobilien im Potsdamer Kunstraum: Mehr Schein als Sein

Die Künstler Thierry Motard und Gabriele Worgitzki zeigen ihre Werke im Kunstraum und stellen viele Fragen über Häuser und Wahrnehmung.

Von Helena Davenport

Potsdam - Ein bisschen verloren wirkt der glatzköpfige Herr in beigem Hemd und moosgrünem Jackett, und ebenfalls ein bisschen bedrückt. Die Augen weit aufgerissen, die Lippen zusammengekniffen, starrt er aus seinem Porträt heraus ins Leere. Der Berliner Künstler Thierry Motard hat dem Militärfunktionär mit Hilfe von Photoshop seine Schulterstücke und Orden genommen und damit auch seinen Dienstgrad. Wer auch immer der porträtierte Herr sein mag, im Potsdamer Kunstraum sieht er aus wie jeder seiner Kollegen, deren Fotografien gleich neben seiner hängen. 

Offiziell wirken hier alle Frauen und Männer, steif auch. Und das Großformatige der bearbeiteten Bilder vermittelt bei allen etwas Heroisches, wenngleich das Heroische ins Alberne zu kippen droht. Aber welchem Land die hier Versammelten dienen, welchem Rang sie angehören, ob sie eine Bürokraft sind oder etwas zu sagen haben innerhalb des Militärs – darüber geben ihre Porträts keine Auskunft. „Ohne“ hat Motard seine Serie passenderweise genannt, die mit Gabriele Worgitzkis Serie „Phantasma“ noch bis zum 17. November zu sehen ist.

Thierry Motards Werke.
Thierry Motards Werke.

© Andreas Klaer

Beide Künstler vereint eine ähnliche Herangehensweise. Sowohl Motard als auch Worgitzki, die ihr Atelier in Luckenwalde hat, haben ihr Ausgangsmaterial aus den Weiten des Internets gefischt. Worgitzki widmet sich in der aktuellen Schau Zukunftsvisionen und Wünschen. Sie hat Häuserexposés mit Acrylfarben skizziert, zart und teilweise wässrig – unweigerlich entsteht der Eindruck, es würde sich bei dem Abgebildeten nicht um ein Kaufobjekt handeln, sondern vielmehr um die Vision eines neuen Lebens. Dabei gleitet auch die Suche als solche in den Fokus, denn Worgitzki hat die Browserfenster gleich mitabgebildet, samt x-Taste zum Schließen. 

So kostbar die rosigen Vorstellungen sind – so viel transportiert das Material Leinwand –, so hinfällig sind die Angebote. Jedenfalls macht es doch etwas stutzig, dass ein Porsche unter einem Carport von dem eigentlichen Zustand des Hauses abzulenken versucht. Oder dass bei einem anderen Gebäude die Hälfte einer Etage fehlt. Wird sich das Luftschloss doch als Bretterbude entpuppen? Zu Worgitzkis Bildern gehört auch das eines behäbigen Mannes, der ein Makler sein könnte, und das einer Frau – eine andere Bewerberin?

Die Künstlerin Gabriele Worgitzki.
Die Künstlerin Gabriele Worgitzki.

© Andreas Klaer

Die Künstlerin erzählt die Geschichte einer Suche, in der jeder Betrachter seine eigene Such-Geschichte wiederentdecken kann. Genauso allgemeingültig sind die Militär-Porträts Motards. Von Individualität, geschweige denn Privatheit, ist kaum etwas zu spüren. Wobei auch Orden und Schulterstücke nicht für mehr Individualität gesorgt hätten, vielleicht aber für mehr Autorität – das ist hier die Frage. Andererseits: Wer kennt schon die Bedeutung dieser Abzeichen? In der Welt draußen haben sie kaum Bedeutung.

Von Motard werden ebenfalls Teile einer weiteren Serie gezeigt. Er hat Abbildungen von wissenschaftlichen Versuchen stark abstrahiert auf Büttenpapier abgezeichnet, quasi sinnentleert. Gleichzeitig sind die so entstandenen quadratischen schwarz-weißen Bildchen von großem ästhetischen Reiz. Und auch von Worgitzki ist eine weitere Arbeit zu sehen. Eine Videoarbeit, die die Künstlerin zusammen mit dem Gitarristen Olaf Rupp konzipiert hat. Auch hier gibt es wie bei ihrer Serie keine eindeutigen Konturen, an denen sich der Blick des Betrachters festhalten könnte. 

Thierry Motards Werke.
Thierry Motards Werke.

© Andreas Klaer

Wie durch eine verregnete Windschutzscheibe schaut er auf flirrende Punkte, einen Straßenverlauf, eine vorbeiziehende Landschaft. Musik und Bilder nehmen einen mit auf eine Autofahrt, die vor den vagen Umrissen eines Gebäudes an Tempo verliert, und einen Wimpernschlag später wieder von vorn beginnt. Wie gern man daheim verweilt hätte.

Indem die Schau so unterschiedliche Arbeiten vereint, die aber in der Hinsicht Parallelen aufweisen, als dass ihre Urheber mit den Grenzen des Mediums spielen und nach dem Zusammenspiel von Wunsch und Wirkung, Sein und Schein fragen, mutet sie wie ein Versuchslabor an. Angenehm frisch weht die Offenheit der Werke dem Besucher den Staub von den Klamotten. Sodass er um Denkanstöße reicher, aber dennoch gefühlt leichter wieder nach draußen schreiten darf.

>>Ausstellung bis zum 17. November, Kunstraum, Schiffbauergasse

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