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Vergänglichkeit. Der japanische Fotokünstler Manabu Yamanaka zeigt ab Samstag im Trollwerk-Container im Schirrhof Ausschnitte aus seiner Bildserie „Fujohkan“. Er beobachtet verwesende Tiere mit der Kamera.

© Andreas Klaer

Kultur: Bis Gras drüber wächst

Trollwerk präsentiert in seiner ersten Container-Ausstellung 2011 einen japanischen Fotokünstler

Spät, doch nicht zu spät, hat die Stadt dem Verein „Trollwerk-Art“ in der Schiffbauergasse die Mittel für das laufende Geschäftsjahr genehmigt. Man scheint den Projekten dieses Potsdamer „Kulturmanagements“ nicht einfach bloß gewogen zu sein. Ganz offenbar gibt es bei „Kultur & Museen“ im dritten Jahr der Trolle ein gewachsenes Grundvertrauen zu den leicht spektakulären Vorgängen hinter den Containerwänden, und das, obwohl noch immer keine „Piratenfahne“ überm Schirrhof weht.

Vier bis fünf Ausstellungen sind für die „Temporary Art Zone III“ im „Überbrückungsjahr“ 2011 also gesichert, dann soll es ja ein einheitliches Nutzungskonzept für die gesamte Schiffbauergasse geben. So lange heißt es für die diensthabenden „Trolle“ in ihrem schönen Kulturdeutsch eben: Durch „kleinteilige Bespielung“ die „Aufenthaltsqualität“ vor Ort steigern. Wenn man nämlich richtig Party um die Container macht, dann gehen auch die jungen Leute voller Neugier und Interesse zur modernen Kunst, sogar bis in die frühen Morgenstunden.

Ausstellung Nummer eins will ab kommenden Sonnabend ganz im Sinne des lateinischen Spruches „memento mori“ des Todes gedenken, der Sterblichkeit aller irdischen Art und Kreatur. Der japanische Fotokünstler Manabu Yamanaka zeigt Ausschnitte aus seiner Bildserie „Fujohkan“, was „Vergänglichkeit“ meint.

Anlass dazu bot ihm ein mausetoter Hund am Strand von Nippon, den er über neunundvierzig Tage zu beobachten und zu fotografieren versprach, „bis Gras über ihn wächst“. Die Serie umfasst einundzwanzig Arbeiten, vierzehn davon werden im Schirrhof gezeigt. Dem Vernehmen nach handelt es sich aber nicht allein um diesen speziellen Caniden, auch Fledermäuse, Affen und weiteres Getier wird auf seinem madenreichen Weg zum Skelett respektive unsichtbaren Gang in den Tierhimmel gezeigt. Verschiedene Spezies sollen die unterschiedlichen Stadien der Verwesung dokumentieren.

Der 1959 geborene Tokioter präsentiert seine animalischen Petrefakten auf schneeweißem Papier, was den Viechern, so tot sie auch sein mögen, zumindest eine beeindruckend grafische Lebensart gibt. Der hiesigen Kulturszene ist er ohnehin nicht unbekannt. Vor gut zehn Jahren konfrontierte er Potsdams Augen in der Waschhaus-Galerie mit lebensgroßen Aktbildern hundertjähriger Japanerinnen.

Auch sein Versuch, höchst nachlässig gekleidete Landsleute auf ihrem Weg ins Nirwana abzulichten, wird kaum einem Freund der künstlerischen Fotografie entgangen sein. Manabu Yamanaka hat eine weltweite Internet-Resonanz – und überall ein positives Echo.

Wie er sich nun im Langzeit-Experiment bemühte, „den Tod zu verstehen“, so ringt die Troll-Art-Mannschaft plus Kurator Erik Bruinenberg darum, den Fotografen der Vergänglichkeit samt seiner Japaner zu begreifen: Einmal im Verhältnis zu Buddhismus und Tod, aus aktuellem Anlass aber auch im Zusammenhang mit dem Strahlenregen von Fukushima. Niemand hier, so glauben sie, könne erfassen, warum diese Leute trotz zunehmenden Unheils derart diszipliniert oder gelassen wirkten. Na ja, genauso könnte man die Deutschen fragen, warum sie immer friedlich bleiben, wenn immer neue Steuern und Verbote kommen. Fragen, bevor das Gras darüber wächst!

Manabu Yamanaka, der zur Vernissage nicht kommen kann, brauchte ein Objektiv für seine Neugier, doch wie überall ist der eigene Kopf natürlich viel viel wichtiger. Besonders, wenn man weiß, dass alles Wichtige zum Thema Verwesung seit vielen Jahrhunderten bekannt ist und selbst so ein armer Hund am Strand von Nippon mehr erzählen könnte, als sein Foto herzugeben wüsste.

Vernissage zu „Fujohkan“ auf dem Schirrhof in der Schiffbauergasse, Sonnabend 20 Uhr mit Lounge Music und Open End, sonst bis zum 29. Mai jeweils Fr und Sa ab 18 Uhr, So 14 bis 18 Uhr

Gerold Paul

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