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Der Rheinländer Alexander Riemenschneider arbeitet freiberuflich.

© privat

Kultur: Bis etwas passiert

Alexander Riemenschneider inszeniert „The killer in me is the killer in you my love“ in der Reithalle

Die Geschichte an sich ist ziemlich unspektakulär. Fünf Jugendliche verbringen den Anfang und das Ende eines Sommers gemeinsam im Freibad. Sie springen vom Dreimeterbrett, rauchen Zigaretten, verlieben und trennen sich wieder. Eigentlich geschieht nicht viel, doch das, was geschieht, passiert mit der Intensität des ersten Mals. Das 2002 geschriebene Jugendstück „The killer in me is the killer in you my love“ des Schweizers Andri Beyeler ist inzwischen landauf landab ein Erfolgsstück. Und das liegt daran, wie diese Pubertätsgeschichte auf die Bühne gebracht wird.

Alexander Riemenschneider, frischgebackener Absolvent der Theaterakademie Hamburg, hat sich für seine Potsdamer Inszenierung, die heute Premiere hat, statt medialer Bilderfluten eine äußerlich ganz puristische Variante erdacht. Denn „je mehr im Kopf der Zuschauer abgeht, desto besser“, sagt der energiegeladene 29-Jährige, der zuerst Germanistik, Musik- und Medienwissenschaft in Bonn studierte, bevor er sich der Schauspielregie zuwandte und bereits während seines Studiums viel beachtete Inszenierungen in Hamburg und Göttingen ablieferte. Riemenschneider setzt ganz auf die Sprache und das Jetzt. Denn die fünf Schauspieler, die in aufeinander folgenden Monologen und jeweils aus ihrer Perspektive die Geschichte(n) dieses Sommers erzählen, tun dies im Präsens, so als ob es hier und in diesem Moment geschehe.

„Einen Welterschaffungsabend im Schwimmbad“ nennt das der Regisseur lächelnd ein wenig unbescheiden. Er vertraut darauf, dass die Imaginationskraft der Schauspieler und die Live-Situation im Theater einen ganz eigenen Sog auch bei medial gesättigten jungen Zuschauern entwickeln. Zudem ist der mit dem Brüder-Grimm-Preis ausgezeichnete schweizerdeutsche Autor Andri Beyeler einer, dessen Stücke von einer sorgfältig komponierten literarischen Sprache geprägt sind, die dem Leben abgeschaut, aber nicht Alltagssprache ist. „Mit viel Gespür für Rhythmus kombiniert Beyeler Dialoge mit Monologen und es ist bemerkenswert, wie der Autor eine scheinbar belanglose Handlung rhythmisch-artifiziell gestaltet und dabei seine Figuren über Gefühle sprechen und schweigen lässt, für die niemand Worte findet“, heißt es in der Begründung der Jury zum Deutschen Jugendtheaterpreis, mit dem das Stück 2004 ausgezeichnet wurde.

Rhythmus ist auch ein Stichwort, das Regisseur Alexander Riemenschneider, der selbst Musiker ist, einbringt, um seine (Proben-)Arbeit zu charakterisieren. Neben vielen Improvisationen, die auf musikalischen Prinzipien basieren, ist der Abend, der nicht nur die Nöte des Erwachsenwerdens thematisiert, wie ein Konzert verschiedener Stimmen komponiert und gelingt vor allem dann, wenn alle im selben Flow sind, sagt er im Gespräch. So ein Zustand völliger Konzentration gelang bereits während des bis zum Schluss offenen Probenprozesses: Nämlich als eines Tages nur die erste Szene geprobt werden sollte, aber von allen alles in einem Rutsch durchgespielt wurde.

Das erlebt man selten, dass sich Schauspieler überraschen als Gruppe, sagt Riemenschneider und auch, wie froh er ist, dass sich Jugendlichkeit bei seinen 25- bis 29-jährigen Protagonisten nicht über vermeintlich typisch jugendliche Körpersprache, sondern über Offenheit für die Situation und die anderen herstellen lässt. Ganz so wie es „echte“ Jugendliche tun, die erst nicht wissen, was sie wollen und nur gemeinsam abhängen und sich währenddessen doch von sich und den anderen inspirieren lassen. Bis etwas passiert. Astrid Priebs-Tröger

Premiere heute um 18 Uhr in der Reithalle A in der Schiffbauergasse

Astrid Priebs-Tröger

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