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Kultur: Birkenwald und Kaulquappen Weiteres Herbstleuchten in der fabrik

Zuerst dachte man, es sei schon Fasching in der fabrik. Clowns, ein Gerippe und Teufel waren unter den Besuchern auszumachen.

Zuerst dachte man, es sei schon Fasching in der fabrik. Clowns, ein Gerippe und Teufel waren unter den Besuchern auszumachen. Sie boten Süßigkeiten an und wollten von und mit den Zuschauern fotografiert werden. Außerdem halfen sie die Wartezeit zu verkürzen, denn erst eine Viertelstunde später als angekündigt, begann das zweite herbstliche Tanzwochenende, bei dem weitere Ergebnisse von Potsdamer Residenzen präsentiert wurden. Man begann mit „Like That, Like This“, einer Performance der Kanadierin Litó Walkey und des Spaniers Carlos Pez.

Ein Birkenwäldchen aus einem Dutzend „Puzzleteilen“ beherrschte die Bühne. In derMitte lag ein riesiger grauer Stein. Es dauerte eine Weile, bis die zwei Tänzer die Bühne betraten und einzeln die Baumsegmente neu zu ordnen begannen. Geraume Zeit später hob sie zu sprechen an und imaginierte die Zuschauer in einen nachmittäglichen Wald, in dem es regnet und ein Elch zu Hause ist. Beide Tänzer imititierten daraufhin Bewegungen, die an Tiere erinnerten. Langsam stellte sich angenehmes Waldfeeling, aber auch die Frage, wohin die „Geschichte“ führen könnte, ein. Als sich beide auf der Lichtung mit einem kurzen „Hey“ begegneten, hoffte man, dass jetzt die Konversation zwischen beiden – Menschen oder Tieren? – beginnt. Doch diese Erwartungen wurden enttäuscht. Kurz darauf eingespielte Videosequenzen zeigen den Tänzer in einem völlig anderen Umfeld in bizarren Bewegungen – und sind eine Erinnerung an die zurückliegende erste Zusammenarbeit der beiden, wie auf Nachfrage zu erfahren war.

Doch so etwas wie eine Dramaturgie erschloss sich bei dem Gesehenen nicht. Zwar „nähern“ sich die Tänzer im weiteren Verlauf mal mit winzig kleinen Gesten oder breit grinsend zum Publikum einander an und fünf Minuten vor Schluss kommt sogar eine flüchtige Berührung an der Schulter zustande. Die Tänzerin hebt auch noch wunderbar zu singen an, aber man blieb doch ziemlich distanziert dem vagen und verrätselten Geschehen gegenüber zurück. Die Reaktion des Publikums war zweigeteilt: Jemand verließ nach einer Viertelstunde fluchtartig die Vorstellung, andere applaudierten nach fünfzig Minuten herzlich.

Eine halbe Stunde später bot sich ein völlig anderes Bild. Der wirklich schöne Birkenwald ist verschwunden und auf der leeren weißen Bühne haben drei Tänzerinnen in kurzen schwarzen Turnanzügen dem Publikum den Rücken zugekehrt. Nach einem durchdringenden Signalton, der immer wieder zu hören sein wird, beginnen sie, meistens auf dem Boden liegend wie seltsame Tierchen zu zucken, zu rudern und zu schnappen. Mal erinnern ihre sehr athletischen und ungewohnten Bewegungen an Insekten, ein anderes Mal an Kaulquappen. Die Choreografie von A NNN A der Italienierin Sonia Brunelli überzeugte in ihrem Minimalismus und dem Körpereinsatz ihrer Protagonistinnen Marianna Andrigo und Francesca Foscarini. Ob sie allerdings, wie im Programmzettel angekündigt, die Suche nach Auflösung von Langeweile und Hoffnungslosigkeit beschreibt, muss wohl dem Einzelnen überlassen werden. Möglicherweise erschließt sich dieser Gehalt, wenn man die durchaus originelle, ziemlich kafkaeske Handschrift der jungen Choreografin noch etwas genauer kennen lernt. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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