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Kultur: Beziehungsweisen

Das Neue Kammerorchester Potsdam eröffnet die neue Saison mit Schumanns Romanzen – und einem Rendezvous mit der bildenden Kunst

Gemütliche Sofas und kleine Tische mit Kerzen stehen in der weitläufigen Schinkelhalle. An der Bar kann man sich Getränke holen. Beim ersten Konzert des Neuen Kammerorchesters in der neuen Saison herrscht entspannte Lounge-Atmosphäre. Noch etwas ist anders als üblich. Hinter den Notenpulten stehen große Tafeln mit Gemälden von Wolf-Dieter Pfennig. Noch während des Konzerts wird der Potsdamer Maler, der für seine heiter-grotesken Motive bekannt ist, ein neues Bild malen.

Für das erstmals stattfindende Rendezvous von Musik und bildender Kunst hat Ud Joffe, der ideenreiche Leiter des Neuen Kammerorchesters, außer Pfennig hochkarätige Musiker verpflichtet, Freunde Ud Joffes und ein Liebespaar zudem, was sich auch im Zusammenspiel erkennen lässt. Gleich zu Beginn erklingt das Violinkonzert C-Dur von Josef Haydn, ein frühes, frisches und virtuoses Werk in einer atemberaubenden Interpretation von Guy Braunstein. Von den aufreizenden Akkorden zu Anfang über die funkensprühende Kadenz, gefolgt von einem anrührenden zweiten Satz bis zu den springlebendigen Violin-Finessen im Finale zieht er die Zuhörer in seinen Bann.

Der ehemalige Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, der schon lange eigene Wege geht, verantwortet auch die Dramaturgie des Abends. Zum Auftritt von Wolf-Dieter Pfeffer erklingt der erste Satz aus Max Regers Serenade für Flöte, Violine und Viola – eine gute Wahl. Während der Maler die ersten groben Striche auf die Leinwand setzt und dabei immer wieder auf die Musiker schaut, spielen diese mit Verve das kurzweilige Stück, das viel von Regers kauzigem Humor verrät. Was dabei herauskommt, gibt es erst am Schluss zu sehen. Als Zugabe spielt Gili Schwarzman, Flöte, das kleine Stück Syncopation von Fritz Kreisler, eine lustige Hommage an die zu seiner Zeit so beliebten Rags und Cakewalks.

Guy Braunsteins Bearbeitungen von Kammermusik und Oper zeigen viel von der zauberischen Wandelbarkeit der Musik – jenseits akademischer Strenge der sogenannten Werktreue. So erklingen Robert Schumanns „Drei Romanzen“ op. 94 mit der ätherischen Flöte von Gili Schwarzman über duftigen Streicherwolken, die von Braunstein als Dirigenten sanft angeschoben werden – poetische Tongebilde, ein schönes Geschenk Schumanns an seine Frau Clara – und an die Zuhörer. Vom ersten Moment an lässt die Viola von Amihai Grosz mit silberfeinen, schwebenden Tönen aufhorchen. Mit seinem zurückhaltenden, zugleich überaus eindringlichen Spiel versetzt der Solobratscher der Berliner Philharmoniker Franz Schuberts Arpeggione-Sonate in höhere Sphären weit über dem notorischen Wienerischen Tanzbodencharme. Mit dem üppig wuchernden, neobarocken ersten Satz aus Regers erster Suite für Viola solo stellt Grosz, der auf einem wertvollen Instrument von Gasparo da Salò spielt und demnächst bei den Berliner Philharmonikern als Solist auftritt, sein herausragendes Können erneut unter Beweis. Liebes-Melodien aus Puccinis Opern „Turandot“ und „La Bohème“ auf der Flöte beenden den Abend. Dann wird Pfennigs Bild gezeigt: Im Zentrum eine schöne Sirene, ein Geiger fiedelt berückt, die Menschen lauschen verzückt. Der Maler hat dem höchst gelungenen Abend ein so gedankenvolles wie kurioses Ausrufezeichen gesetzt. Babette Kaiserkern

Babette Kaiserkern

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