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Kultur: Bewahren? Entsorgen? Verbieten? Das Filmmuseum zeigt Felix Moellers Dok-Film über verbotene Filme aus der NS-Zeit

Ein kahlgeschorener grobschlächtiger Mann fällt über eine Frau her und reißt ihr das Hakenkreuz vom Hals. Wie eine Trophäe hält er die Beute in der Hand.

Ein kahlgeschorener grobschlächtiger Mann fällt über eine Frau her und reißt ihr das Hakenkreuz vom Hals. Wie eine Trophäe hält er die Beute in der Hand. Wenig später hört man eine Frau leise wispernd sagen, wie gut es sei, dass das ganze Dorf endlich deutsch ist und nicht mehr jiddisch oder polnisch geredet werde. Diese Filmsequenzen sind aus der Ufa-Produktion „Heimkehr“, die zu den rund 40 Filmen gehört, die seit 1945 weggeschlossen sind. Gustav Ucicky zeigt in seinem 1941 gedrehten Propagandaschinken die Polen als feige und böse Untermenschen.

Zwischen 1933 und 1945 entstanden mehr als 1200 Spielfilme und viele davon landeten nach dem Krieg im „Giftschrank“. Die meisten wurden nach und nach wieder freigegeben, oft allerdings in Fassungen, aus denen man problematische Stellen wie Hakenkreuze herausschnitt. Felix Moeller sichtete die bis heute unter Verschluss gehaltenen rund 40 Filme und drehte 2014 seine Dokumentation „Verbotene Filme“. Er diskutiert darin mit Zuschauern, Filmemachern und Historikern aus dem In- und Ausland die Frage, wie man heute angemessen mit diesem schwierigen Erbe umgehen sollte.

Im Trailer zu dieser 90-minütigen Doku, die man auf YouTube sehen kann, sind auch die Ausschnitte aus „Heimkehr“ enthalten. Moeller stellt heute um 16 Uhr seinen Film öffentlich vor und lädt zum Gespräch ein. Sicher wird es auch hier eine kontroverse Debatte geben, so wie sie Moeller schon oft erlebte. Die einen betrachten mit Skepsis eine Veröffentlichung, andere plädieren dafür, zur Geschichte zu stehen und die Filme ohne Vorbehalt zu zeigen. So wie Regisseur Oscar Roehler, der in der Dokumentation sagt: „Wer die Sachen nicht kennt, weiß wenig über unser Land.“ Auch von Moeller interviewte Nazi-Aussteiger betonen, dass gerade das Verbotene Interesse wecke. „Wenn etwas verboten wird, muss doch auch Wahrheit drin stecken“, so ihre These. Der Staat vertrage diese Wahrheit offensichtlich nicht.

Also was: Bewahren? Entsorgen? Freigeben? Verbieten? Was sagt der Experte, was sagt Regisseur Felix Moeller dazu – nach den vielen Debatten, die seinem Film folgten? Er konstatiert, dass sich am Status quo in den letzten Jahren nichts geändert habe. „Es gab immer mal wieder Versuche, diese Filme zu veröffentlichen, auch auf DVD. Aber daraus ist nichts geworden.“ 2017 wurde anlässlich 100 Jahre Ufa gemeinsam mit Arte überlegt, auch die Schattenseiten der Ufa zu zeigen und ganz viele dieser „Vorbehaltsfilme“ auszustrahlen. Dann sei ein einziger übriggeblieben, nämlich „Kolberg“, „und den hatten sie schon mal vor Jahren gesendet“. An der Brisanz und Problematik habe sich nichts geändert. „Ich sehe eher noch eine Verschärfung des Klimas.“ Und so befinde er sich auch selbst in der Zwickmühle. „Am besten wäre: Wir halten nichts zurück, gehen transparent damit um, um Mythen und Verschwörungstheorien zu begegnen. Doch die aktuellen Umstände machen es schwer. Wenn wir zum Beispiel jetzt an die angespannte politische Situation mit Russland denken, wäre es für die Beziehungen wenig förderlich, einen der vielen antirussischen Nazifilme freizugeben. Wir ahnen, was das in den russischen Medien auslösen würde.“

Andererseits gebe es immer wieder neue Gründe, die Filme nicht zu veröffentlichen: die NSU, der Rechtsextremismus, jetzt die AfD. „Es war schon eine Box mit fünf Filmen in Vorbereitung. Doch da gab es den Einwand des Zentralrats der Juden.“

Bei seinen Filmreisen treffe er oft auch auf junge Leute und die interessierten sich vor allem für „Jud Süß“ oder „Hitlerjunge Quex“. „Wenn sie dann im Film den Alltag des ,Dritten Reichs’ vorgeführt bekommen, sagen sie mitunter: ,Das war doch sehr nett, die sind alle so freundlich miteinander umgegangen, nicht so aggressiv wie heute. Eine richtige Volksgemeinschaft.’ Die Gefahr, dass das Gezeigte eins zu eins betrachtet wird, ist schon groß.“ In Schulen fänden Diskussionen über Filme kaum statt. Grundsätzlich sei in Deutschland die Medienkompetenz nicht sehr hoch angesiedelt. „Es wäre konsequent, solche Filme einzubeziehen. Aber da ist auch Unsicherheit bei den Lehrern.“ Antisemitische Rappertexte seien für junge Leute ohnehin relevanter als antisemitische Nazifilme. Und wie bei der Echo-Verleihung zu sehen, komme der Antisemitismus ganz schnell durch die Hintertür.

Dennoch könnte man mit einigen Filmen bei der Veröffentlichung vorangehen, so Moeller. Wie mit dem Euthanasiedrama „Ich klage an“. Zudem müsste geklärt werden, ob man die Filme erhalten oder weiter dem Verfall preisgeben will. Viele müssten restauriert werden. „Leute aus dem Publikum sagen, dass sie dafür nicht ihre Steuergelder ausgeben möchten. Stecken wir nicht lieber Geld in die Sonnenseiten, also in Metropolis oder in die Murnau-Klassiker, als in Jud Süß?“Heidi Jäger

Heute um 16 Uhr zeigt das Filmmuseum Felix Moellers Film „Verbotene Filme“. Anschließend gibt es ein Publikumsgespräch

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