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Starkes Spiel. Angélique Préau und Jalal Mando im T-Werk.

© Steffen Mühle

Berührende Performance-Premiere im T-Werk: Taumelnde Schmetterlinge

Leicht und verspielt wie ein Schmetterling ist die Liebe zwischen den beiden. Bis in jene Märztage des Jahres 2011, die als „Arabischer Frühling“ in die Geschichte eingegangen sind.

Leicht und verspielt wie ein Schmetterling ist die Liebe zwischen den beiden. Bis in jene Märztage des Jahres 2011, die als „Arabischer Frühling“ in die Geschichte eingegangen sind. Und denen Krieg folgte. Krieg verändert alle und alles. Dies war nachdrücklich in der Performance „The other face of the moon“ zu spüren, die am vergangenen Wochenende im T-Werk Premiere feierte.

Die junge Frau (Angélique Préau) wartet in einer heruntergekommenen Bleibe auf ihren Liebsten (Jalal Mando). Wasser tropft durchs undichte Dach, es ist dunkel und kalt. Sie zückt ein Messer, als sie draußen Schritte hört. Plötzlich steht ein zerlumpter, staubbedeckter und blutender Mann vor ihr. Sie braucht eine ganze Weile, ehe sie ihn wiedererkennt.

In dieser Anfangsszene lässt sich erahnen, was der slowenische Kulturkritiker Slavoj iek meint: „Wenn die Wahrheit zu traumatisch ist, um ihr direkt ins Auge zu sehen, lässt sie sich nur in Gestalt einer Fiktion akzeptieren.“ Die direkte Abbildung des Schreckens wäre, so iek, „obszön und respektlos gegenüber den Opfern“.

Zum Glück passiert so eine wirklichkeitsnahe Abbildung nur zweimal in der facettenreichen Inszenierung von Philip Baumgarten. Doch ihre befremdliche Wirkung wird verstärkt, weil man als Zuschauer weiß, dass der 25-jährige Jalal Mando in Syrien selbst im Gefängnis saß und Ähnliches er- und überlebt hat.

Doch wenn die junge Frau grob an ihrem Geliebten herumschrubbt und über alles, was sie in der bangen Zeit des Wartens erlebt hat, hinwegzureden versucht, entsteht ein starker darstellerischer Moment. Und die atmosphärisch dichte Inszenierung findet glücklicherweise weitere fiktionale Bilder – wie das mit der Reisetasche, die ein schwer verwundetes Kind symbolisiert –, die einen nicht zum Voyeur werden lassen, sondern zum Einfühlen ermutigen.

Da hat sie ihre eindrücklichsten Momente, wie auch in den dokumentarischen Kriegsbildern, welche mit zwei längeren Tanzszenen wechseln, in denen die beiden Protogonisten ihre Gefühle von Verlassenheit, Angst und Ohnmacht vor allem nonverbal ausdrücken können. Doch auch Freude, Übermut und Leichtigkeit haben ihren Raum und durch ihre partielle Anwesenheit wird umso deutlicher, was diese Menschen eigentlich verloren haben.

Jalal Mando kommt aus Syrien und lebt seit fast einem Jahr in Deutschland. Er will als Schauspieler aufklären und berühren. In Potsdam traf er die französische Performerin Angélique Préau. Préau überzeugt kraft ihrer Einfühlung. Und wenn sie arabisch singt, zuerst voller Angst gegen die Demonstrationsteilnahme ihres Freundes ist und sich doch durchringt, gemeinsam mit ihm „Freiheit“ zu brüllen, ist das für jeden im Zuschauerraum nachvollziehbar.

Noch etwas anderes macht diese Performance bedeutsam. In der Extremsituation des Krieges kommen auch die Geschlechterrollen auf den Prüfstand. Dieses Paar, das vorher auf Augenhöhe lebte, sieht sich damit konfrontiert, dass er nun die Entscheidungen für beide trifft. Dabei geraten nicht nur die „Schmetterlinge“ gewaltig ins Taumeln. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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