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Kurze Wege zur Unterhaltung. Das 1940 erbaute Bergtheater.

© Max Baur

Bergtheater am Brauhaustheater: Potsdams Kinos im Krieg

Zu Kriegszeiten gingen viele Potsdamer oft ins Kino. In der Zeit wurde sogar ein neues Kino am Brauhausberg gebaut - es wurden nicht nur Propaganda-Filme gezeigt.

Potsdam - Die Wege zur Unterhaltung müssen kurz sein – erst recht zu Kriegszeiten. Potsdam lag mit Beginn der 1940er Jahre abends im Dunkeln. Die Straßenlaternen waren ausgeschaltet; flogen die Alliierten Angriffe, drang selbst aus den Häusern kaum Licht. Man saß per Befehl im Finsteren, vielleicht noch über dem Tisch funzeliges Licht einer extra für den Krieg hergestellten Verdunklungslampe. Der Unternehmer Fritz Staar konnte aus dieser die Menschen umgebenden Dunkelheit, Kapital schlagen. Er betrieb mehrere Kinos in Potsdam und baute noch während des Krieges das modernste Kino der Zeit – das Bergtheater am Brauhausberg.

„Die Kinos leuchteten“, sagt Gerda Stage. Sie ist Jahrgang 1928. Für sie sei die Filmkultur in Potsdam in den Vierzigern nicht nur Unterhaltung im heutigen Sinne gewesen, sondern lebensnotwendige Verblendung. „Das war etwas Schönes in der Stadt.“ An das Bergtheater am Brauhausberg kann sie sich gut erinnern – auf halber Höhe zwischen der Leipziger Straße und der alten heutigen Schwimmhalle habe es gestanden.

Nur wenig Quellen zur Kinogeschichte

Mit ihren Erinnerungen ist Stage eine wichtige Informationsquelle für Historiker wie Jeannette Toussaint. Die Potsdamer Ethnologin erforscht derzeit die Kinogeschichte der Stadt. Ein Foto, worauf die gesamte Fläche und die Umgebung des Kinos zu sehen ist, fehlt ihr allerdings. Überhaupt seien für die Zeit zwischen 1933 und 1945 die Quellen weit verstreut, Materialien kaum vorhanden. „Das Thema Kino ist unbelichtet“, sagt sie. Es fehle eine Kinogeschichte, wie sie in anderen Städten wie Leipzig oder Dresden bereits geschrieben wurde.

Wenig ist etwa bekannt über jenen Mann, der die Filme in die Stadt brachte. Fritz Staar, der Berliner Unternehmer, besaß in Potsdam vor dem Krieg bereits vier der fünf Lichtspiele, in der Hauptstadt waren es noch einige mehr. Das Alhambra, in der Französischen Straße7/8, bot 700 Plätze und war bis 1939 das größte in der Stadt. Daneben gehörten ihm die Residenz-Lichtspiele in der Nauenerstraße 40 und das Obelisk und die Charlott-Lichtspiele in der heutigen Zeppelinstraße in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs Charlottenhof, sie kamen 1934 mit 500 Plätzen hinzu. Außerdem gab es das Thalia in Babelsberg mit 600 Plätzen.

Für das Militär zur Zerstreuung

Doch all dies reichte bei weitem nicht aus. Potsdam war Wehrmachtsstandort, konnte für das Militär aber nicht genügend zur Zerstreuung bieten. Selbst der Oberbürgermeister der Stadt, Hans Friedrich, drängte 1939 auf ein weiteres Kino: Fritz Staar sollte bevorzugt mit Baumaterialien und Handwerkern versorgt werden. „Gerade die Verdunkelung der Stadt infolge des Krieges lässt die baldige Erstellung und Indienstnahme dieses Lichtspieltheaters als vordringlich erscheinen... Ich würde es außerordentlich begrüßen, dass das Lichtspieltheater noch in diesem Winter ein Faktor seelischer Beeinflussung der Menschen wird“, schreibt er ihm in einem Brief.

Die Kinos in der Innenstadt waren für die Bewohner der südlichen Stadtteile allerdings zu weit entfernt. Das neue Kino sollte deswegen auf dem Brauhausberg stehen. Als das Haus im Dezember 1940 eröffnet wird, erscheinen mehrseitige Berichte in den Potsdamer Tageszeitungen: „Hier ist ein Lichtspielhaus entstanden, das an Größe und Schönheit den Berliner Filmpalästen ebenbürtig an die Seite gestellt werden kann, sie jedoch durch erlesenen Geschmack und allerneueste technische Einrichtungen sogar noch überflügelt.“ Mit Klimaanlage und Luftschutzräumen. Allerdings sind letztere mit Platz für 150 Personen viel zu klein für den Notfall.

Viele unpolitische Filme liefen

Welche Filme in den Kinos in jenen Kriegsjahren liefen, ist ebenfalls kaum erforscht. „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass nur Propaganda-Filme gezeigt wurden“, sagt Toussaint und zeigt auf eine alte Fotografie mit dem Kino Charlott und einer Ankündigung für einen US-amerikanischen Western. Deutschlandweit bestand das Kinoprogramm im Jahr 1943 aus lediglich 15 Prozent Propagandafilmen, das Gros der Filme waren Komödien und dramatische Handlungen, hinzu kamen Abenteuerfilme. „Es waren auch in Potsdam viele unpolitische Filme, um die Moral zu heben“, sagt Toussaint, die Ankündigungen in Tageszeitungen für Staars Potsdamer Lichtspiele auswertete. Darunter vielsagende Titel wie „Glückskinder“, „Ein Hochzeitstraum“, „Der Mann mit der Pranke“.

Doch vor den Spielfilmen kam bekanntermaßen die Wochenschau und der deutsche Kulturfilm – meist Dokumentationen wie etwa „Der ewige Wald“ - eine Landschaft wird zum Symbol der deutschen Volksgemeinschaft umgedeutet. Dass manch Besucher naturgemäß erst zum Spielfilm kam, war für die Tageszeitung, die Toussaint zitiert, denn auch Anlass, die nötige Umerziehung der Besucher anzumahnen. „Man hat das hingenommen“, berichtet Gerda Stage über die ideologischen Vorfilme. „Dann holte man tief Luft und dann kam der Film, den man eigentlich sehen wollte.“

Staar arrangierte sich mit den wichtigen Leuten

Gleichzeitig waren die Kinos auch Veranstaltungsorte für die NSDAP und die sogenannten Jugendfilmstunden: Einmal im Monat sonntags vor 11 Uhr – wohl bedacht zur Zeit der christlichen Gottesdienste - wurden in den Kinos seit 1934 Filme mit dem Prädikat staatspolitisch wertvoll vorgeführt, ob über den Einsatz der Luftwaffe in Polen, über Fliegertechnik als Vorbereitung auf den Einsatz in der Wehrmacht oder für die jungen Frauen über den Kriegshilfsdienst, „Die Kinobesitzer mussten dafür ihre Seele zur Verfügung stellen“, sagt Toussaint.

Ob Fritz Staar dies in Gewissenskonflikte brachte, ist nicht bekannt. Es ist aber unwahrscheinlich. Eher entsteht das Bild eines Mannes, der „es sehr gut verstand, sich mit den wichtigen Leuten zu arrangieren“, wie Toussaint sagt, „der jede Lücke zu seinem wirtschaftlichen Vorteil nutzte“. So beabsichtigte etwa die UFA 1938, ein neues Kino mit 900 Plätzen in der Nauenerstraße 24/25 zu bauen. Doch mit dem Hinweis, dass die vorhandenen Grundstücke zu klein seien, lehnte die Stadt ab. Die UFA verwarf das Vorhaben. Fritz Staar hingegen griff die Idee auf und wollte selbst das Kino bauen – ihm lag die Genehmigung zum Kauf eines Hauses vor, das seiner jüdischen Nachbarin gehörte. Selbst nach Ende des Krieges - das Bergtheater wurde im April 1945 wie auch ein Großteil der Stadt komplett zerstört, ebenso auch das Alhambra – konnte Staar seine unzerstörten Kinos einige Jahre weiter betreiben. Anders als der Besitzer des Thalia-Kinos, da dieser NSDAP-Mitglied war, wurde Staar erst 1952 im Zuge der zweiten Parteikonferenz der SED enteignet. Bis 1957 betrieb er Kinos in Westberlin weiter.

Gerda Stage aber überlebte den Krieg, gerade weil das Bergtheater so beliebt war. Am Abend des Luftangriffs auf die Stadt wollte die damals 16-Jährige mit ihrer Freundin ins Bergtheater. Die Vorstellung war ausverkauft. Sie waren auf dem Heimweg, als Bomben das Kino in Schutt und Asche legten.

Grit Weirauch

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