zum Hauptinhalt

Kultur: Beharrlich und flexibel

Theaterintendant Tobias Wellemeyer im Gespräch

Tobias Wellemeyer ist früh da. Geht immer wieder auf Besucher zu und begrüßt sie mit Handschlag am Donnerstagabend im Regine-Hildebrandt-Haus. Er und sein Marketingchef Hans Heuer sind an diesem Abend der Einladung des SPD-Ortsvereins Potsdam-West gefolgt und berichten über ihre viermonatige Einstandszeit in Potsdam, die vor allem mit der Macbeth- und der Don Juan-Inszenierung für kontroverse Diskussionen sorgte.

Zu Beginn nimmt sich Wellemeyer Raum, um über seine ostdeutsche Biografie, aus der sein Impuls Kunst zu machen erwuchs, Auskunft zu geben und erinnert mit Stolz seine vitale und bunte Zeit an den Freien Magdeburger Kammerspielen. Die in gerade mal zwei Jahren eine angesagte junge Adresse und für ihn zum Sprungbrett als Erneuerer der gesamten Magdeburger Theaterlandschaft wurden. Allerdings, das räumt er im Hinblick auf seine vielbeachtete Theaterjugendclubarbeit ein, „es blieb den jungen Leuten in Magdeburg nicht viel anderes übrig, als zu uns zu kommen“.

Das ist in Potsdam, nicht nur in der Schiffbauergasse, gänzlich anders und für Wellemeyer erweist sich die Landeshauptstadt auf den zweiten Blick als Ort voller Kontraste, in dem auch das Ost-West-Thema sehr präsent ist. Intendant Wellemeyer, der vom Naturell wesentlich zurückhaltender als sein Vorgänger Lauffenberg wirkt, räumt zudem ein, in der Anfangsphase zu viele Produktionen auf einmal gestemmt zu haben und vielleicht etwas „zu düstrig“ gewesen zu sein. Die Publikumsresonanz sei turbulent, aber nie lauwarm gewesen und gerade das fasziniere ihn, der Theater als Zukunftswerkstatt und Ort der Reibung versteht.

Woran sich sein jetziges Publikum reibt, kam an diesem Abend ebenfalls zur Sprache. Die über 55-jährigen Theaterbesucher, die in Potsdam wie auch anderswo den Großteil der Zuschauer stellen, meldeten sich dabei deutlich zu Wort und monierten „den Dreck auf der Bühne“, unschöne Bühnenbilder und dramaturgische Schwächen. Einige beschworen die identitätsstiftende und gesellschaftskritische Rolle des Potsdamer Stadttheaters vor der Wende, die durchaus mit Leichtigkeit verbunden war, und wünschten sich eine Ensemblepolitik (zurück), die die Schauspieler fest in der Stadt verankert.

Nähe zu den Menschen zu schaffen, Verbundenheit und Kontinuität und zudem mehr junge Leute als bisher zu erreichen, sind auch Wellemeyers Ziele, und sein Marketingchef Heuer berichtete von Aktivitäten, die mehr Besucher aus der Region und Kulturtouristen stärker ans Haus binden sollen. „Ich bin noch auf dem Weg, die Stadt und die Menschen zu verstehen“, bekannte Wellemeyer nicht nur einmal und präsentierte sich dabei selbst als beharrlich und flexibel. Seinerseits forderte er die hierzulande viel gerühmte Toleranz ein, die auch vom Publikum verlangt, das Nebeneinander unterschiedlicher Glücksvorstellungen, ästhetischer Konzepte sowie auch Experimente und deren Misslingen zuzulassen.

Mehr Zwischentöne, die ein Zuhörer forderte, der wie andere auch, langjähriger Theaterbesucher ist, waren am Rande der Veranstaltung zu hören, während sich andere über die spritzig-moderne Aschenputtel-Inszenierung austauschten respektive einzelne Veranstaltungen der neuen Nachtboulevard-Reihe in der Reithalle in überaus positiver Erinnerung hatten. Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

Zur Startseite