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Auf dem Weg zur letzten Reise. Die Schauspieler vom Jugendclub im Hans Otto Theater in ihrer neuesten Inszenierung.

©  Remo Philipp

Kultur: Balance zwischen Humor und Ernsthaftigkeit

Der Jugendclub des Hans Otto Theaters setzt sich in „Die letzte Reise“ mit Selbstmord auseinander

Wie weit muss ein Mensch getrieben werden, um diesen letzten drastischen Schritt zu begehen? Welche Verzweiflung erleiden, welcher Ausweglosigkeit gegenüberstehen? Suizid ist in allen gesellschaftlichen Schichten und Altersstufen ein sehr sensibel anzugehendes Thema. Aber besonders für diejenigen, die noch nie in Kontakt damit gekommen sind, ist der Zugang häufig ein schwieriger.

Sich diesem empfindlichen Thema auf humoristische Art zu nähern, ist nicht der etwas geschmacklose Versuch, die Suizid-Problematik ins Lächerliche zu ziehen. Ganz im Gegenteil. Ernst, aber trotzdem humorvoll – auf diesem schmalen Grad möchte sich Remo Philipp mit seiner sechsköpfigen Gruppe im Jugendclub des Hans Otto Theaters bewegen. Das selbstentwickelte Stück „Die letzte Reise“ hat am heutigen Freitag in der Reithalle Premiere.

Im Gegensatz zu seinen vorigen Inszenierungen sei „Die letzte Reise“ sogar ein recht sonniges Stück, erzählt Remo Philipp, der ab der kommenden Spielzeit als Regieassistent am Hans Otto Theater arbeiten wird. Auch wenn es so ein dunkles Kapitel der menschlichen Psyche behandelt? „Ja, gerade deswegen“, erklärt er. Lebensbejahend ist das Schlüsselwort zum Verständnis des Stücks. Es soll um eine Reise gehen, eine abenteuerliche Odyssee, auf die sich sechs Jugendliche und eine Quietscheente begeben. Auf zu einer einsamen Insel. Es soll ihre letzte Reise sein, denn die sechs Jugendlichen haben zuvor, alle aus scheinbar nichtigen Gründen, Selbstmord begangen. Auf der Insel angekommen, müssen die Sechs in einer Castingshow gegeneinander antreten. Nicht Ruhm oder Geld ist der Gewinnerpreis, sondern ihre letzte Ruhe. Nur einer kann gewinnen, wohingegen die Restlichen in der Hölle der Castingshow gefangen bleiben. „Wir haben im Vorfeld viel über Selbstmord und diese Themen gesprochen“, erklärt Hauke Petersen, der am Freitag selbst als Schauspieler auf der Bühne stehen wird. Schließlich habe noch keiner von ihnen wirklich Kontakt zum Thema Selbstmord gehabt. Aber Castingshows sind den Jugendlichen im Alter von 12 bis 21 Jahren deutlich besser bekannt. Im Fernsehen sei ja kaum noch etwas anderes zu sehen. Ein Castingshow-Format folge auf das nächste.

In „Die letzte Reise“ soll verdeutlicht werden, dass keine Castingshow ein realistisches Sprungbrett für die große Karriere ist, sondern eher eine Plattform, um sich „emotional nackig zu machen“, erklärt Philipp. Schockierend sei für ihn, was an Nachmittagen so an Fernsehsendungen auf den Zuschauer vor dem Bildschirm niederprasselt. Kein Niveau, keine Tiefe. Fernsehen, bei dem man einfach abschalten kann, nicht mitdenken muss. „Schaut man sich diese Sendungen regelmäßig an, stirbt etwas in einem drin. Egal ob emotional oder intellektuell, aber irgendetwas stirbt dann ab.“ Mit ihrem Stück wollen sie den Zuschauer zum Nachdenken anregen. „Der Tod durch Selbstmord ist eine Metapher für die Gewalt der Medien, in die man sich selbst begibt“, erklärt Philipp die Überlegungen hinter der Geschichte. Vor allem Jugendlichen müsse dies immer wieder vor Augen geführt werden.

Auch einen Wiedererkennungswert soll es bei „Die letzte Reise“ geben. So darf natürlich auch der wohl berühmteste unter den Castingshow-Jury-Mitgliedern, der regelmäßig mit für ihn scheinbar witzigen Aussagen die Lebensträume der Teilnehmer zerstört, auf keinen Fall fehlen. Chantal Willers

Premiere von „Die letzte Reise“ am heutigen Freitag, 19.30 Uhr, in der Reithalle in der Schiffbauergasse. Karten unter Tel.: (0331) 98 11 8

Chantal Willers

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