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Nicholas van de Velde ist 1994 in Belgien geboren.

© privat

Bach-Konzert im Palais Lichtenau: Ein musikalisches Gebirge

Der belgische Pianist Nicholas van de Velde wagt sich in besondere Gefilde: Im Palais Lichtenau spielt er den ersten Band von Bachs Wohltemperiertem Klavier.

Potsdam - Es ist eine veritable Herausforderung, vergleichbar mit der Besteigung des Mount Everest: Die Aufführung des Wohltemperierten Klaviers von Johann Sebastian Bach im Ganzen wird nur von sehr wenigen Pianisten gewagt. Noch weniger können diese Kathedrale des Klavierspiels auswendig spielen. Dennoch will der junge Pianist Nicholas van de Velde den ersten Band des Wohltemperierten Klaviers am heutigen Donnerstag im Potsdamer Palais Lichtenau vortragen. Auswendig.

Für ihn sei der erste Band – anders als der zweite – mit seinen 48 Präludien und Fugen ein Gesamtkunstwerk, sagt van de Velde. „Man merkt daran, wie Bach seinen Stil entwickelt hat, vom schlichten Anfang in C-Dur bis hin zum zukunftsweisenden H-Dur am Ende.“ Das letzte Stück besitze wohl das erste 12-Ton-Thema in der Musikgeschichte, meint er. Der junge Belgier stammt aus einer musikalischen Familie. Von seinen drei Brüdern wurden zwei ebenfalls professionelle Pianisten und einer Cellist. Schon als Kind gewann van de Velde zahlreiche Preise und wurde im Alter von neun Jahren als Jüngster in der Musikschule Queen Elisabeth Chapel aufgenommen. Noch als Teenager spielte er öffentlich einige Klavierkonzerte von Mozart, Beethoven, Grieg und anderen Komponisten.

Van de Velde studiert in Berlin

Seit fünf Jahren studiert der 25-Jährige nun an der Universität der Künste Berlin. Ein Stück von Johann Sebastian Bach gehört zu seiner täglichen Routine wie selbstverständlich dazu. Auch wenn das Wohltemperierte Klavier durchaus etwas Mathematik enthalte, so sei es doch zugleich sehr expressive Musik, meint der junge Pianist und erklärt: „Manchmal muss man drei Themen gleichzeitig in bis zu fünf Stimmen spielen!“ Für eine klare Interpretation ist also eine totale Unabhängigkeit der einzelnen Finger nötig. Als Bach das Wohltemperierte Klavier vor rund dreihundert Jahren komponierte, hatte das durchaus experimentellen Charakter. Es ging darum, die neuartige „wohltemperierte“ Stimmung mit allen 24 Tonarten zu präsentieren. Dafür wählte Bach die Formen von Präludium und Fuge und schuf mit den Mitteln der barocken Satzkunst, auch Kontrapunkt genannt, ein höchst eindrucksvolles Werk.

Mit ihren Interpretationen dieser „Bibel des Klavierspiels“ setzten große Pianisten hohe Maßstäbe. Einer der ersten, vielleicht sogar der erste, der das gesamte Werk mit beiden Bänden spielte und Anfang der Dreißigerjahre auf Schallplatte aufnahm, war Edwin Fischer. Dem Namensgeber der Sommerakademie für junge Pianisten, die von Alexander Untschi vor zehn Jahren in Potsdam gegründet wurde, ist denn auch der Klavierabend gewidmet. Wie einst Edwin Fischer will jetzt Nicholas van de Velde das großartige Gebirge der Musik von Bach erklimmen.
>>Van de Velde spielt das Wohltemperierte Klavier Band I am 7. November um 19 Uhr, im Palais Lichtenau, Kurfürstenstraße 40

Babette Kaiserkern

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