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Nähen für ein neues Land. Mit der Neugründung des Landes Brandenburg 1990 brauchte es auch neue Fahnen mit den Landesfarben und dem Adler als Wappentier. Eine Ausstellung in der Landeszentrale für politische Bildung erinnert an die Anfänge nach der Wende und blickt nach vorn in eine Zukunft mit Herausforderungen. 

© Ottmar Winter

Ausstellung "Wir sind Brandenburg. 1990 – 2020 – 2050": Harte Folgen der Einheit

Eine Ausstellung in der Landeszentrale für politische Bildung mit Rück- und Ausblicken auf Brandenburg.

Von Carsten Holm

Potsdam - Er ist schon ein komischer Vogel, dieser rote, gefiederte Kerl mit der klobigen Nase, der da 1,90 Meter groß in der Landeszentrale für politische Bildung an der Heinrich-Mann-Allee ruht. Für Brandenburger aber hat er jenseits ästhetischer Kriterien eine besondere Bedeutung: Der rote Adler ist ihr Wappentier.

In der aktuell eröffneten Ausstellung „Wir sind Brandenburg. 1990 – 2020 – 2050“ spielt er eine besondere Rolle. Er sollte der Geschichte 1996 eine besondere Wendung geben. Die Staatskanzlei hatte das Adlerkostüm beim Art Department Studio Babelsberg, das sonst Kulissen baut, in Auftrag gegeben, um damit für die geplante Länderfusion von Berlin und Brandenburg zu werben. Daraus wurde nichts, selbstbewusst stimmten die Brandenburger für die Eigenständigkeit. Doch der letzte Flug des Adlers endete nicht auf dem Sperrmüll. Er tritt noch immer beim Tag der offenen Tür auf, wenn sich das Land präsentiert – ob im Ausland oder jetzt in der Landeszentrale.

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Es ist die erste Ausstellung, die Karen Bähr, die aus Zeuthen bei Königs Wusterhausen stammt, konzipiert und mit dem Team der von Martina Weyrauch geleiteten Landeszentrale umgesetzt hat – und es ist gelungen, Rückblick und Ausblick zu verbinden. In Erinnerung gerufen werden viele Fragestellungen in der jungen brandenburgischen Demokratie: Wer etwa sollte geehrt werden? Ein Foto von Lutz Gagsch zeigt eine Antwort in Potsdam. Die frühere Klemens-Gottwald- Straße ist gerade in Brandenburger Straße umbenannt worden, die Potsdamer Journalistin Karin Markert hält das alte Schild hoch. Gottwald passte nicht mehr ins neue Deutschland. Denn die DDR hatte ausgerechnet einen der härtesten Stalinisten geehrt, der erster kommunistischer Staatspräsident der Tschechoslowakei war.

Es ist die erste Ausstellung von Karen Bähr (r.), die mit dem Team der von Martina Weyrauch (l.) geleiteten Landeszentrale umgesetzt wurde.
Es ist die erste Ausstellung von Karen Bähr (r.), die mit dem Team der von Martina Weyrauch (l.) geleiteten Landeszentrale umgesetzt wurde.

© Ottmar Winter

Deutlich wird, wie schwer die Brandenburger an den Folgen der Einheit trugen. Verfallende Altbauwohnungen, weil die DDR nicht nur den neuen Menschen, sondern auch neue Plattenwohnungen erschaffen wollte, große Industriebrachen, wo zuvor noch DDR-Betriebe und riesige Kombinate gestanden hatten. Neutral beschreibt die Ausstellung wie etwa in Potsdam politisch um das Erbe der DDR-Architektur gerungen wird. Garnisonkirche: Kompletter Wiederaufbau oder nicht? Rechenzentrum: kompletter Abriss oder nicht?

Am Beispiel von Eisenhüttenstadt wird ein Schlaglicht auf den harten Strukturwandel geworfen: Knappes Wohnungsangebot in Potsdam, vielfacher Leerstand in Eisenhüttenstadt. Die SED hatte 1950 beschlossen, die erste neue deutsche Stadt nach dem Krieg zu gründen, eine Wohnstadt neben einem Stahlwerk. 1990 lebten 50.000 Menschen dort,12,000 arbeiteten im Stahlwerk. Heute residieren rund 25.000 Bürger in Eisenhüttenstadt, das Stahlwerk hat noch 2500 Beschäftigte.

Hohe Arbeitslosigkeit und Ausländerfeindlichkeit

1993 blühten nicht die Landschaften, sondern die Arbeitslosigkeit.18 Prozent waren erwerbslos, und mit den Arbeitsplätzen verschwanden auch die vielen Freizeitangebote der DDR-Betriebe. Auch das Elend der Vertragsarbeiter aus den sogenannten sozialistischen Bruderländern Vietnam, Mosambik, Kuba und Angola kommt zur Sprache. Sie verloren nach der Wende ihre Arbeit und gleichzeitig, ihre Aufenthaltserlaubnis. Allein 40.000 Vietnamesen verließen das Land, 20.000 blieben und schlugen sich etwa als Blumen- oder Gemüsehändler durch. Stark ist die Ausstellung, wo sie Entwicklungen mit aussagekräftigen Details belegt: Vier von 1000 Cottbusser Bürgern, heißt es, haben einen vietnamesischen Hintergrund. Ziemlich kurz gekommen ist eines der wohl größeren Probleme in Brandenburg: die Ausländerfeindlichkeit. Zwar bleiben die Ausschreitungen und Anschläge gegen Asylbewerber nicht unerwähnt – aber Beispiele aus Brandenburg für die vielfach belegte Fremdenfeindlichkeit hätten der Ausstellung gut getan.

Werben mit Adler und Bär. Die Schau erinnert auch den gescheiterten Länderfusionsversuch.
Werben mit Adler und Bär. Die Schau erinnert auch den gescheiterten Länderfusionsversuch.

© privat / Repro: Ottmar Winter

Der Blick zurück erzählt auch von einer bemerkenswerten Wissenschaftsgeschichte. Wurden in Brandenburg bis 2014 keine Ärzte ausgebildet, etablierten sich inzwischen mehr als 30 Forschungseinrichtungen, etliche in der Landeshauptstadt.

Der Blick nach vorn richtet sich auf eine Zukunft mit Herausforderungen. Der Kohleausstieg und der Verlust vieler Arbeitsplätze in Brandenburg verlangt nach Alternativen wie dem Aufbau erneuerbarer Energien. Hilfen vom Bund und der EU sind gefragt. Das Großprojekt BER darf nicht fehlen, und es gibt ein geradezu kurioses Fundstück. Die für den 24. Mai 2012 vorgesehene Eröffnungsfeier war abgesagt worden, weil mal wieder irgendetwas nicht funktionierte, nicht fertiggeworden oder nicht genehmigungsfähig war. Die Post, die den bereits Eingeladenen zuging, klang wie ein erschöpfter Hilfeschrei: „Nicht vergessen!“, stand da in roter Schrift, und: „Bald eröffnet der Flughafen Berlin-Brandenburg.”

Die Ausstellung ist bis zum 30. Juni 2021 montags bis freitags von 9 bis 15 Uhr und dienstags von 9 bis 18 Uhr geöffnet.

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