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Rätselhaft. Die Werke von Malte Brekenfeld wie hier „Rosa Volksbild mir Südfrüchten“ sind nicht immer leicht zu entschlüssen.

© Andreas Klaer

Ausstellung in Potsdam: So heil ist die "Heile Welt"gar nicht

Die Potsdamer Galerie Sperl zeigt Malte Brekenfelds „Heile Welt“. Doch was Gemälde und Zeichnungen offenbaren, ist so gar nicht intakt.

Von Helena Davenport

Was würde der unschuldige Jüngling Paris wohl heute tun – welcher Göttin würde er den goldenen Apfel aushändigen? Etwa Aphrodite, die ihm im Gegenzug die schönste sterbliche Frau verspricht? Oder Hera, durch die er zum Herrscher der Welt aufsteigen würde? Athene war – getreu der griechischen Mythologie – die Dritte im Bunde: Würde er ihr den Apfel geben, um durch sie weiser zu werden?

Bei dem Maler Malte Brekenfeld aus Mecklenburg ist es ganz einfach: Paris behält den Apfel und gibt sich der Bequemlichkeit hin. So jedenfalls könnte man sein Ölbild mit dem Titel „Das Urteil des Paris Plastipanius“ deuten, das aktuell in der Galerie Sperl hängt. Paris ist die Nummer elf – hier ist tatsächlich fast alles durchnummeriert – und sitzt auf einem fliegenden Wesen mit Mäuserüssel und Pappflügeln. Er ist splitterfasernackt und hat es höchstwahrscheinlich auf die Sexpuppen abgesehen, die gerade von einem riesigen Dino anvisiert und vor allem vollgeschleimt werden.

Unter Wasser wirds harmonisch

Ja, in der Galerie Sperl geht es gerade ziemlich sarkastisch zu. „Heile Welt“ lautet der Titel von Brekenfelds Ausstellung, die am Sonntag eröffnet wurde, und passt somit ganz vorzüglich zu der eben beschriebenen Arbeit. Denn mit seinen plastischen Formen mutet das Dargestellte zunächst gar nicht so übel an – bis man versteht, was hier eigentlich los ist. Sogar das harmlose Tier Ente demonstriert den bezahnten Schnabel beim Anblick der Plastikschönheiten. Harmonisch scheint es bei Malte Brekenfeld nur unter Wasser zuzugehen. Jedenfalls scheinen sich die skurrilen Wesen, auch die menschenähnlichen, auf seinen Tiefsee-Zeichnungen untereinander in Ruhe zu lassen. Doch dann fragt man sich, wann wohl die Teufelchen schlüpfen, die in den Eiern eines länglichen Fisches stecken. Also auch hier keine heile Welt.

Der Künstler selbst nennt sich Zivilisationsfatalist. „Für mich ist es schwer zu glauben, dass wir entwicklungsfähig sind“, sagt er. Seine aktuelle Ausstellung sei eine homogene Angelegenheit – recht hat er, denn hier hagelt es Kritik. Das kann anstrengend werden, muss es aber nicht. Es kommt darauf an, an welcher Stelle man sich festguckt, welche Details man entdeckt. Was spielt hier eigentlich die Hauptrolle? Sich diese Frage stellend, irrt man mit dem Blick auf so mancher Bildoberfläche umher, rutscht immer tiefer in Bildwelten hinein, gleitet von Handlungsstrang zu Handlungsstrang, bis man den Faden verloren hat und von Neuem beginnt. Brekenfeld gibt Rätsel auf.

Rache der Natur

Dass der 53-jährige Biologie studiert hat, ist kaum zu übersehen: Die Tier- und Pflanzenwelt besitzt bei ihm einen großen Stellenwert. Ein Bild fällt sofort ins Auge, wenn man den Galerieraum betritt. „2 Riemenfische in Love“ heißt es. Ausgerechnet Riemenfische hat Brekenfeld hier gemalt – diese Seeschlangenartigen Riesenfische, ebenfalls beheimatet in der Tiefsee, die Menschen nur äußerst selten zu Gesicht bekommen. Bis zu 17 Meter lang können sie werden, und statt Schuppen tragen sie eine Haut, die an Alufolie erinnert. Bei Brekenfelds Exemplaren haben sich scheinbar Menschen auf ihr verewigt. „Fuck Donald“ steht da geschrieben, oder „Yan was here“. Dabei sind es die Fische, die hier die Menschen in ihrem Leib tragen: Zwei grüne Monster halten ihre Körper an Strippen in Schach. Werden die Menschen so überleben? Man kann nur hoffen, dass die zwei Riemenfische von ihrer Liebe allein leben – denn findet ein Riemenfisch keine Nahrung, amputiert er ein Stück des eigenen Körpers, samt Inhalt natürlich.

Auf einem anderen Gemälde ist die Natur längst dabei, sich gegen die Menschen zu rächen. Der Wind hat Häuser und Autos zerfleddert, in der Luft fliegen Fetzen. Die Bewegung, die Brekenfeld hier eingefangen hat, ist beeindruckend stark. So sehen Katastrophen aus. Auf wieder einem anderen Bild schlagen die Pflanzen zurück. Und wie bei den Fischen, macht auch hier der Titel – „Und am 13. Tag schuf Gott die wehrhaften Pflanzen“ – das Ganze rund. Fast ein bisschen zu rund, könnte man meinen.

Sein Selbstporträt erklärt noch mehr, „Selbst im Fleisch teutonischer Berge“ heißt es. Während ein Wal als Wolke vorbeizieht, steht er im Miniaturformat inmitten einer Landschaft, die hier und da auseinanderklafft, sodass ihr Skelett sichtbar wird. Wie ein überwuchertes Walskelett sehen Brekenfelds teutonische Hügel aus. Deutsch zu sein – darauf sei er so gar nicht stolz, sagt er. Der Maler wohnt mit Familie im idyllischen Lühburg, Landkreis Rostock. Nach zwei Semestern Biologie arbeitete er als wissenschaftlicher Hilfszeichner am Anatomischen Institut der Universität Rostock, bevor er sein Kommunikationsdesignstudium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee antrat. Vielleicht entspringe seine Zahlenliebe seiner früheren Arbeit als Zeichner, sagt er. Denn Brekenfeld hat auf so einigen Bildern in der Schau die Elemente durchnummeriert. Eine Zeit lang habe er außerdem in seiner Kommune geholfen, Bäume zu beziffern. „Das war wirklich sehr deutsch“, erinnert er sich. Seine Parodie macht vor ihm selbst nicht Halt.

Genauso wenig wie vor den USA: Sinnbild ist ein singender Gorilla auf Entenbeinen, der sich selbst bescheißt. Jedenfalls trägt er eine riesige Windel mit sich herum. Auch Jesus kommt vor – als transsexueller Löwe, der auch als Wildschwein mit Welsbarteln durchgehen könnte. Sein Gesicht trägt eine Bemalung, wie sie am Día de Muertos, dem Tag der Toten, in Mexiko üblich ist, zu dem den Verstorbenen ein farbenprächtiges Festmahl bereitet wird. Diese Art der Malerei kommt bei dem Künstler öfter vor. Er finde diesen Umgang mit dem Tod wunderbar, erklärt er. Es schwinge aber auch Neid mit, sein eigener Kulturneid.

Brekenfeld hat sich von vielen Seiten inspirieren lassen – das macht seine Ausstellung so vielseitig und spannend. So einige Zitate verstecken sich in seinen Bildern, etwa Picassos Stierkopf, den der spanische Maler 1942 aus dem Sitz und dem Lenker eines Fahrrads montierte. In „Robot Love“ ist er wiederzufinden. Hier versucht eine Gruppe weißkittliger Wissenschaftler, die dem Raumschiff Enterprise entkommen sein könnte, zwei Roboter auseinanderzubringen – aus Angst, diese könnten sich vermehren. Andere Landschaften erinnern an die Dada-Künstlerin Hannah Höch. Und ein Bild hat Brekenfeld seiner 16-jährigen Tochter Anouk gewidmet. Eine Rüstung schützt sie, während gute Geister à la Hieronymus Bosch sie umgarnen. Auf ihrer Stirn steht „Slave“. Er wünsche sich, dass sie nicht Sklavin der von ihm geerbten Schwächen wird, sagt er. Es schwingt eben auch etwas ganz Persönliches mit bei der Schau in der Galerie Sperl.

Schopenhauerstraße 27, Ausstellung bis zum 1. September

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