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Der „Südseetraum“ erfüllte sich für DDR-Bürger auf dem Rummel.

© Hauswald/ Verlag Ostkreuz

Ausstellung in Potsdam: Harald Hauswald zeigt die Tristesse des DDR-Alltags

Harald Hauswald stellt in der Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam seine Fotografien aus. Und zeichnet mit einzigartigen, unfassbar menschlichen Motiven ein Bild der untergegangenen DDR.

Potsdam - Dass die Ausstellung von Harald Hauswald nach Ostalgikern fischt: Diesen Vorwurf braucht sich die Landeszentrale für politische Bildung nicht machen lassen. Dazu wären ja schon die Räumlichkeiten eine Farce, ganz zu schweigen vom Sujet des großartigen Fotografen, der mit einzigartigen, unfassbar menschlichen Motiven die untergegangene DDR dokumentierte.

In der DDR wurden seine Bilder nicht gezeigt

Hauswald selbst hatte mit seinen Bildern jedenfalls nichts zu melden im Arbeiter- und Bauernstaat: Dessen ruinöse Momentaufnahmen des Verfalls wurden dort nicht gezeigt, bis zum Jahre 1988, ein Jahr vor dem Zusammenbruch. Im Westen war das anders: Dort wurde man bereits 1987 durch dessen gemeinsam mit Lutz Rathenow veröffentlichtes Buch „Berlin-Ost: Die andere Seite einer Stadt“ auf ihn aufmerksam. Nicht nur das brachte den 1954 im sächsischen Radebeul geborenen und dann in Ostberlin sozialisierten Hauswald ins Fadenkreuz der sozialistischen Obrigkeit. Die Stasi überwachte ihn unter dem Pseudonym „Radfahrer“. Wirklich wahr.

Mit Knusperflocken und Hallorenkugeln

Als er Dienstagabend zu seiner außerordentlich gut besuchten Ausstellungseröffnung erschien, mussten jedoch auch ihn ein paar Regentropfen der Ostalgie erwischt haben. Dieses unvermeidbare Phänomen fand sich nicht nur im schmalen Titel „Voll der Osten. Leben in der DDR“, sondern auch dezent versteckt in Knusperflocken und Hallorenkugeln, sowie in der Musikauswahl von Saxophonist Sebastian Hillmann, der sich mit „Alt wie ein Baum“ und „Als ich fortging“ ganz bewusst in das popkulturelle Archiv der DDR begab. Aber nichts für ungut, was sollte der tolle Saxophonist auch spielen. „Wind of Change“ etwa?

"Vor dem Dorfgasthaus" (1984) in Brandenburg ist dieses Foto entstanden.
"Vor dem Dorfgasthaus" (1984) in Brandenburg ist dieses Foto entstanden.

© OSTKREUZ - Agentur der Fotografe

Gut, dann eben eine Zeitreise auf allen Kanälen. Die grandiosen Bilder von Hauswald waren eh ein Fenster in eine andere Zeit, das für die Erinnernden unter den Anwesenden umso weiter offenstand. Ein einziges Mal soll Hauswald ohne seine Kamera unterwegs gewesen sein, so erzählt man sich, am Abend des 9. November 1989, als Berlins schmerzhafte Grenze bröckelte. 

Der unermüdliche Chronist des tristen Graus

An allen anderen Tagen, und so scheint es wirklich, fing der unermüdliche Chronist das triste Grau vorwiegend Berlins ein, das auf den Schwarz-Weiß-Fotografien umso drohender wirkt. Die Lebendigkeit haben die Fotografien dennoch behalten, auf manchen der Bilder entsteht sie jedoch erst aus der Bizarrheit der absoluten Leichenstarre. Wahrlich aufregend sind dazu die wundervoll-pointierten Texte von Stefan Wolle, Historiker und Leiter des DDR-Museums, der den Bildern nicht nur oft anekdotische Kontexte schrieb, sondern gleich einen lyrischen Rahmen verpasste. Und bestimmt auch die passenden Schlagworte:

„Abschied“ etwa, wo auf den Bildern ein Grenzsoldat ein Graffito übermalt, die Demonstranten sich vor den Palast der Republik drängen – und ein ausgedienter Trabant auf einem Müllcontainer steht. Oder die Porträtserie „Einsamkeit“, die Wolle zynisch genug mit einem realsozialistischen Flüsterwitz garniert: „Kennen Sie schon die neueste sozialpolitische Maßnahme? Rentner dürfen jetzt bei Rot über die Straße gehen!“ Oder „Flucht“, wo Wolle nach Biermann die drei Formen des Abhauens zitiert: in den Westen, in die private Idylle oder Karriere oder in den Tod. Übrigens: 23 Liter Schnaps wurde pro Kopf und Jahr in der DDR getrunken. Weltrekord, und das für eine innere Emigration.

Punks, Rocker, Hippies

Harald Hauswald fotografiert aber auch immer wieder sein offensichtliches Lieblingssujet, Punks, Rocker, Hippies, die aus dem Rahmen Gefallenen, die im brüchigen Berlin einen idealen Nährboden fanden, oder die Fußballfans von „Eisern Union“, die er in „Gemeinschaft“ etwa beim Auswärtsspiel 1992 im Westen verewigt – unter immer anderen Paradigmen tauchen sie alle auf, bei „Jugend“, bei „Rebellion“, „Underground“. Manchmal wird er auch ganz weich: bei „Heiterkeit“, in dem Menschen grinsten und lachten, die man einem Volk zuordnete, das nichts zu lachen haben sollte. Oder das Lachen blieb dem Betrachter eben im Halse stecken: wenn ein Kind auf dem Ostberliner Weihnachtsmarkt aus einem Panzerwagen im Kinderkarussell schaut, oder wenn der Flaschensammler am Alexanderplatz in der Mülltonne wühlt. Verfall auf allen Ebenen.

Am Ende gibt es die Trostlosigkeit in Farbe

Wenn man dann den nächsten Raum betritt, erschrickt man fast: Dort wurde das triste Grau mit Farbtupfern übersät, die Trostlosigkeit durch beinahe peinliche Euphorie, etwa wenn die Ostler sich um das erste Westgeld balgen – und der Untergang durch ein Aufblühen besiegelt wurde. „Überwindung durch Banalisierung“ nennt das Wolle, und Hauswald gibt seinen Farbfotos noch dazu ein enges Zeitfenster: Zwischen Dezember 1989 und dem 3. Oktober 1990 wurden die Fotos aufgenommen. Erstaunlich, wie ausgerechnet ein Farbfoto dieses rapide Verblassen erscheinen lassen kann. Sehr sehenswert!

„Voll der Osten. Leben in der DDR“, Fotografien von Harald Hauswald mit Texten von Stefan Wolle, bis 31. Mai 2019 in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung, Heinrich-Mann-Allee 107, Haus 17.

Oliver Dietrich

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