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Grüße aus Lascaux. Die Höhlenmalerei spiegelt sich im Werk von Lilly Elsner, findet Kunstraumleiter Mikos Meininger. Auch damals begeisterte man sich für Tiere.

© Andreas Klaer

Ausstellung im Sans Titre: Von Lascaux bis Egon Schiele

Der Kunstraum Sans Titre feiert Lilli Elsner und lässt sich von Kiddy Citny umgestalten.

Frösche, Leoparden, Papageien, Hirsche. Die Tiere sind aufgereiht, zu ornamentalen Mustern verwoben, übereinandergeschichtet. Die Bilder, die unter dem Titel „Fliehkraft“ derzeit im Kunsthaus Sans Titre zu sehen sind, stammen von Lilli Elsner. „Wenn man sich auf die Schichtungen und auf die Bilder einlässt, entdeckt man nahezu traumhafte Welten“, sagt Mikos Meininger, der Leiter des Kunstraums.

Für Meininger ergibt sich ein starker Spannungsbogen zwischen dem wiederholten und häufig auch per Siebdruck auf die Leinwand gebrachten Motiv und dem Hintergrund – zwischen dem Untergrund und der Erzählung, die durch die einzelnen Motive transportiert wird. Schließlich erinnere der Frosch ja unwillkürlich an das entsprechende Märchen, die wilden Tiere verbreiten eine Aura, die irgendwo auch an Vorstellungen vom Paradies anknüpft, findet Meininger. So entsteht für ihn eine viel geschichtete und vielschichtige Malerei.

Nur der Mensch sei eigentlich ein Störfaktor in der Welt von Lilli Elsner, sagt er. Denn gemalte Figuren finden sich ebenfalls auf den Bildern. Es handelt sich um Frauen, deren Gesichter und Leiber allerdings recht schematisiert wirken. In knalligem rot-weiß gemalt, auf die mit figürlichen, kleinteiligen Mustern gefüllten Leinwände appliziert, scheinen die gemalten Figuren so etwas wie den Gegenpol zu den an sich freundlichen Stoffmustern zu bieten. Struktur, Aufbau und der meisten Bilder sind ähnlich. Meininger beeindruckt es, wie Elsner schon früh ihre künstlerische Handschrift gefunden hat.

Das Kunsthaus präsentiert die Ausstellung in einer Kooperation mit der Galerie Michael Schultz. Die Charlottenburger Galerie ist einer der wenigen ganz großen, internationalen Player im Berliner Galeriegeschäft, das häufig von eher überschaubaren und nicht selten defizitär arbeitenden, aber mit viel Enthusiasmus betriebenen Kleinstunternehmen geprägt ist. Meininger, selbst profilierter Künstler, freut sich über die fruchtbare Zusammenarbeit. Die Eröffnungsrede hielt Susanne Rockweiler, eine leitende Mitarbeiterin der Berliner Galerie. Ihr fielen Gedichte von Rilke zu den Bildern ein. Was Rilke in seiner bildreichen, einfühlsamen Lyrik aufs Papier gebracht hätte, finde sich auch auf den Bildern. Auch die Höhlenmalerei von Lascaux habe bei Elsner einen Widerhall, schließlich hätten sich auch die frühen Menschen um 16 000 vor Christus für die schematische Darstellung von Tieren begeistert. Wo es um Höhlen geht, ist natürlich Platons Höhlengleichnis nicht weit. Auch Elsners Bilder seien wie Schatten einer Welt, die ohnehin nie so recht erkennbar ist – so die Eröffnungsrede. Die eher schematische Darstellung der Figuren auf den Bildern von Elsner wird mit einem Hinweis auf Egon Schiele geadelt, der ja schließlich auch keine schönen, sondern häufig recht ausgemergelte Figuren gemalt habe. Die gleiche Schönheit im Abweichenden habe auch Elsner ins Bild gebannt.

Der Vergleich mit dem großartigen Zeichner Schiele erstaunt dann doch. Ob bei Elsner wirklich neue Welten eröffnet werden, sei dahingestellt. Und ob die Bilder der 24-jährigen Künstlerin erkennen lassen, dass diese „jung, wild und talentiert“ sei, wie der Ankündigungstext behauptet, mag jeder Betrachter selbst beurteilen.

Deutlich unbeschwerter gestaltet dagegen ein weiterer Künstler seine Bilderwelten, die ebenfalls im Sans Titre zu sehen sind: Kiddy Citny. „Ich bin ein Künstler der Großstadt. Als ich im Alter von 18 Jahren in New York war, wurde mir das klar. Darum habe ich mich so genannt“, erklärt der mittlerweile 60-jährige Maler. Nachdem Citny zunächst auch als Musiker in Europa unterwegs war, konzentrierte er sich in den 1990er Jahren ganz auf die Malerei. Seitdem malt er Figuren, deren Köpfe im Wesentlichen aus einer stilisierten Herzform bestehen. Häufig auf dem Kopf appliziert: eine Krone. „Ich möchte die Welt im Arm halten und zu einem besseren Planeten machen. Meine Männer und Frauen sollen sich fühlen wie Könige“, so Citny. Auch diese Figuren sind schematisiert, aber hier stört das nicht weiter. Denn die Königinnen und Könige wollen nicht mehr als sie scheinen.

Irgendwann begann Citny auf der Westberliner Seite der Mauer seine fröhlichen Figuren als Protest gegen das gewaltsame Teilungssymbol zu malen. Das Konzept setzte sich an anderer Stelle durch und wurde zur noch heute bestehenden Mauergalerie. Gegenwärtig bemalt der Künstler mit der 19-jährigen, aus England stammenden Tara Drummie die Wände der Bar des Sans Titre. „Democrazy“ sei nun der Titel der Bar, denn gerade spiele die Demokratie ja verrückt, sagt Citny. Flächendeckend verteilen sich die Citny-Figuren, wie auch schon zuvor in Berlin, im ganzen Raum und sorgen für eine entspannte, fröhliche Atmosphäre. Und das ganz ohne jeden höhertrabenden Anspruch. 

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„Fliehkraft“, noch bis 8. Juli im Kunsthaus Sans Titre, Französische Straße 18

Richard Rabensaat

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