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Hermann Josef Hack studierte mit 17 schon an der Kunstakademie Düsseldorf, Joseph Beuys gehörte zu seinen Lehrern. 

© KT Blumberg

Ausstellung im sans titre: Bilder und Stolperfallen

Der Aktionskünstler Hermann Josef Hack stellt im sans titre aus. Seine Malerei liest sich wie ein Bilderbuch, das mit Gefahren aber auch Potenzialen spielt.

Potsdam - Die Vernissage beginnt mit einer Gedenkminute für die Opfer der jüngsten Überschwemmungen. Hermann Josef Hack, Maler und Aktionskünstler aus Siegburg im Rheinland, holt für einen Moment die Katastrophe in diesen kuschligen Kunst-Garten. Es ist an diesem stillen Sommerabend ein kleines Publikum – für ein großes Thema. „Die Spitze des Eisbergs“ nennt Hack seine Ausstellung. Die stille Minute ist ein Innehalten nicht nur für Deutschland, sondern für die Opfer der Auswirkungen des Klimawandels – weltweit.

Genau dafür macht Hack Kunst, Ende der 1980er-Jahre begann der heute 65-Jährige mit Aktionen, um auf die globale Umweltproblematik hinzuweisen. „Damals waren meine Kinder gerade geboren und ich dachte darüber nach, in welche Welt die hineinwachsen“, sagt Hack. „Das Wort Klimawandel gab es noch nicht, es ging um das Ozonloch und Waldsterben. Und es hieß, in 30 Jahren brennen Wälder und es wird Überschwemmungen geben – und genau das ist passiert.“

Die Menschen im Herzen und im Bauch erreichen

Als Künstler will er sich aber nicht in die Dekorationsabteilung oder Schmollecke zurückziehen. Sondern er sagt: „Dass wir heute so viel über die klimapolitischen Zusammenhänge wissen, das ist doch eine gute Nachricht.“ Jetzt müssen nur noch Wissenschaft, Politik und Wirtschaft zusammenkommen. Genau an dem Punkt sieht er sich selbst: „Aufgabe der Künstler ist es, die Kommunikation herzustellen, damit die Politik die Erkenntnisse der Wissenschaft umsetzt. Wir müssen mit unserer Kunst die Menschen im Herzen und im Bauch erreichen.“

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Hack studiert mit 17 schon an der Kunstakademie Düsseldorf, Joseph Beuys gehört zu seinen Lehrern. Er ermutigt Hack, sich vor allem auf seine sozialpolitischen Kunstaktionen zu konzentrieren. Hack fand das erst gar nicht gut. „Ich dachte, hey, ich bin Maler, ich will mit meinen Schinken die Mädels beeindrucken“, erzählt er im sans titre. Er macht – aus Trotz? – eine betriebswirtschaftliche Ausbildung bei der Bahn, er sei neugierig gewesen, wie die Zusammenhänge in einem solchen großen wirtschaftlichen System funktionieren. 

2017 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet

Dann wird er Kunstbeauftragter des Bundesministeriums für Forschung und Technologie und initiiert immer mehr Projekte, in denen Kunst, Politik und Umwelt zusammenkommen. Unter anderem baut er 2007 in verschiedenen europäischen Großstädten das World Climate Refugee Camp auf: 1000 von ihm selbst genähte und bemalte Miniatur-Flüchtlingszelte, um auf die Flüchtlingsbewegung aufmerksam zu machen. Immer wieder ist er mit ähnlichen Aktionen unterwegs. 2017 gibt es von Bundespräsident Steinmeier das Bundesverdienstkreuz.

Über die Aktionskunst war auch Mikos Meininger vom sans titre auf Hack aufmerksam geworden. „Ich fand es toll, was er macht, und wollte, dass er in die aktuelle Ausgabe unseres Kunstmagazins ’Herzattacke’ kommt“, sagt Meininger. Das klappte, Hack lieferte innerhalb einer Woche 100 Originale für das hochwertige Sammlerheft. Für 600 Euro kann man es kaufen – und bekommt unter anderem einen originalen Hermann Josef Hack.

„Viele Museen haben eine sehr schlechte Klimabilanz“

Oder man besucht die Ausstellung, die aus dieser Zusammenarbeit entstand. Hier sind, neben Bildern, auch drei der originalen Flüchtlingszelte des Climate Refugee Camps zu sehen. Sie stehen mitten im Raum, kleine Stolperfallen, der Besucher muss die Füße heben. An den Wänden ist Hacks meist großformatige Malerei zu sehen. Bilder aus den vergangenen Monaten, die sich mit dem Wandel der Welt und dem Bewusstsein und den sich stellenden Fragen beschäftigen. 

Hack malt möglichst umweltschonend. Er lässt sich von einem Sattler alte Lkw-Planen zuschneiden und aufarbeiten und bemalt sie mit Farbresten, die sonst im Müll landen würden. Auch die Kunst, der ganze Kunstbetrieb, könnte mehr für die Umwelt tun, findet er. „Viele Museen haben eine sehr schlechte Klimabilanz.“

Entdecken, was wir nicht sehen

Seine Malerei liest sich wie ein Bilderbuch, das mit Gefahren aber auch Potenzialen spielt. Kaputte Natur, kaputte Menschen, moderne Wirtschaftssklaven, die in einem Gestrüpp von Anhängigkeiten nicht voneinander loskommen. Autos, aus denen Bäume wachsen, ein Schneemann unterm Fön. Moderne Flugzeuge, die an Strippen hängen – eine Art neuer kosmischer Antrieb. Die Wissenschaft ist da, man muss sie nur hören und wollen.

Manche Bilder erinnern in ihrem Format an die quadratischen Fasten- oder Altartücher der Kirche. Ikonenartig sind hier Szenarien zusammengefügt. Mittendrin auch ein Berg mit einer Schneekoppe. Die Spitze des Eisbergs. „Meine Kunst ist eine Aufforderung, das zu entdecken, was wir nicht sehen. Was unter der Spitze ist.“

Und es sei eine Aufforderung zu handeln. „Wir brauchen eine neue Ästhetik des globalen Überlebens“, sagt Hack. Wenn jeder in den täglich zu treffenden Alltagsentscheidungen, beispielsweise was Konsum und Urlaub betrifft, daran denkt, das wäre schon viel. Sich das zu leisten ist auch Kultur.

Hermann Josef Hack: „Die Spitze des Eisbergs“ im sans titre, Französische Straße 18. Bis 15. August, geöffnet Mittwoch bis Sonntag von 12 bis 18 Uhr.

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