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Georg Vierbuchen stellt eine Installation aus, bei der bunte Kerzen in der Form der Kathedrale Notre-Dame leuchten.

© Andreas Klaer

Ausstellung im Potsdamer Kunsthaus: Kohle und das Fenster zur Welt

Im Rahmen einer Schau im Kunstverein Kunsthaus setzen sich Berliner Studierende mit aktuellen Sorgen auseinander.

Potsdam - Ohne Sorgen wollte sich Friedrich II. auf Schloss Sanssouci seinen Gästen und den schönen Künsten widmen – darüber gibt bereits der französische Name Aufschluss. Verdruss allerdings bereitete dann schon der Schlossbau, weil der Bauherr seinem Architekten Wenzeslaus von Knobelsdorff nämlich immer wieder in die Baupläne hineinredete. Andere Sorgen sind es, die heute die Mitwirkenden einer Ausstellung im Kunstverein Kunsthaus umtreiben, die sich am Namen des Schlosses orientiert haben. „Wir haben ein Brainstorming zu Potsdam, zu dessen Schlössern und Gärten gemacht, als wir die Ausstellung konzipiert haben“, sagt Christine Streuli, Professorin an der Universität der Künste Berlin, deren Studierende ihre aktuellen Arbeiten in der Potsdamer Schau zeigen. „Ich kann grad nicht, ich habe andere Sorgen“ lautet der Titel der Ausstellung, die Dinge in den Fokus nimmt, „die uns heute bewegen“, so Steuli. Diese fallen recht vielfältig aus: Gedanken zu Umwelt und Politik sind vertreten und auch das Baumblütenfest in Werder (Havel).

Wertschätzung und Reichtum

Im Zentrum des Raumes: zwei große Skulpturen, die eine bunt und technoid, die andere aus schwarzer Kohle. Daneben liegt ein kreisrunder Flokati, auf den der junge Künstler Georg Vierbuchen einen Laptop gestellt hat. Darüber schwebt eine Kreisform, auf der eine Reihe bunter Kerzen in der Form der abgebrannten Kathedrale Notre-Dame leuchten. Wenn das Wachs schmilzt und heruntertropft, trifft es unweigerlich den Laptop und versiegelt ihn mit einer blauen Schicht. „Das ist der Supergau“, sagt Vierbuchen. „Der Laptop ist für viele das Fenster der Welt, hier wird es geschlossen.“ Natürlich sei ihm klar, dass Zuschauern sofort der Preis des weißen Apple-Gerätes durch den Kopf schießt.

Aber nicht nur der spiele in der Arbeit eine Rolle, sondern auch das Geld, das für den Wiederaufbau der Kathedrale benötigt wird, so der Künstler. Wertschätzung und Reichtum, Vermögensverteilung und Internetrecherche, ein recht breites Panorama sozialer Anknüpfungspunkte findet sich in der Installation. Das Ensemble macht zwar keinen fokussierten Eindruck, mutet aber immerhin hübsch an und korrespondiert wunderbar mit den ausgebreiteten Kohlestücken, die einen Meter weiter Assoziationen an die Lausitz, an Kohlekraftwerke und die Klimadiskussion aufkommen lassen. Inia Steinbach postiert in der Mitte des Kohlekreises einen dürren Stahlstab, an den sie aus Acrylglas gefertigte Boxhandschuhe und Turnschuhe hängt. Dies weist möglicherweise auf den Ablauf der Zeit beim Klimawandel und die Diskussion dazu hin, die mit harten Bandagen geführt wird.

Die Künstler nehmen auch die Umweltverschmutzung in den Fokus

Die Luft, das Atmen, beschäftigt Teja Häuser. „Wie Sie sehen, sehen Sie Nichts“ betitelt Häuser ihre Arbeit. Als Werkstoffe gibt sie Stickstoff, Sauerstoff, Edelgas, Kohlendioxyd, Staub und Nanopartikel an. Doch mehr als das Schild gibt es nicht auszumachen. Die Raumluft sei ihr Material, sagt die Künstlerin. Häuser macht hier also unter anderem auf die Luftverschmutzung aufmerksam.

An einer Wand im Ausstellungsraum breitet sich eine große amorphe Pfütze aus. Ein Farbverlauf von Oker bis zu einem tiefen Schwarz ist sichtbar, darin eine kreisrunde Form. Eine Libelle ist hier zu sehen, eingeschlossen in das Epoxidharz, aus dem die Installation der 1993 geborenen Aline Schwörer gefertigt ist. „Es wird sich zeigen, dass es gar schwierig ist zu erkennen, welche Eigenschaft jedes Ding in Wirklichkeit hat“, betitelt die Künstlerin die Wandskulptur. Eine Einladung zur Reflexion über das Wesen der Welt, auch über die Konservierung von Vergänglichem. Vielleicht kündet die gefangene Libelle vom Insektensterben, der darüber schwebende Ring vom immerwährenden Kreislauf der Dinge. Die Vieldeutigkeit ist eine der Qualitäten dieses schönen Objektes.

Gedankenspiele zum Innehalten

Überhaupt fällt auf, dass die Welt Eingang in die junge Kunst gefunden hat, die Antworten auf die Fragen zum Heute vielgestaltig und erfreulich uneindeutig ausfallen. Nichts Thesenhaftes ist hier zu finden, sondern Anregungen zum Gedankenspiel oder zum Innehalten.

Der Lauf der Zeit, der kurze, schnell verflossenen Moment zeigt sich in der Installation aus abgerissenen Plakatwandstücken von Anna-Maria Podlacha. Die so reanimierte Kunst der Affichisten findet ihre zeitgemäße Ergänzung in Form einer Tonaufnahme, die von einem neben der Wand hängenden Smartphone abgespielt wird und mittels der die Künstlerin Stimmen, Geräusche und das alltägliche Rauschen der Großstadt in den Potsdamer Ausstellungsraum holt.

Die Gipsbüste von Anna Louise Regel zeigt im Innern die Form eines Kopfes, eines Gesichts. Es wirkt wie eingeschlossen, gefangen. Fürsorge, Verletzlichkeit, die Isolation des Einzelnen, all das sind Assoziationen, die sich unmittelbar in der Skulptur spiegeln. Die Begleitung eines an Krebs erkrankten Menschen sei der Ausgangspunkt gewesen, erklärt die Künstlerin. Hierfür hat sie eine unaufdringliche, in sich ruhende Form gefunden und eine Skulptur geschaffen, die das Kunststück fertigbringt, zugleich hermetisch und massiv und dennoch verletzlich und zart zu wirken.

Der Betrachter findet sich im Kunstwerk wieder

Gleich daneben liegen Äpfel, arrangiert von Kolja Amanda Richard. Einige sind aus spiegelndem silbrigem Material, andere aus Keramik. Es gehe um Fake News, so die überraschende Auskunft der Künstlerin. Denn offensichtlich seien das ja keine echten, sondern gefakte Äpfel. Überhaupt lasse sich am Apfel ja so einiges aufzeigen: der Sündenfall ebenso wie der beginnende Frühling beim Baumblütenfest in Werder. Und letztlich spiegele sich doch immer der Betrachter selbst in den Kunstwerken wider, so wie in der spiegelnden Oberfläche einiger Objekte.

So ist die Kunst der Klasse Streuli erfreulich vielgestaltig. Sie weist auf eine intelligente Künstlergeneration hin, die sich ihrer Verantwortung gegenüber der Welt und der Kunst bewusst ist, und nicht schocken, sondern locken und anregen möchte. Dabei findet sie schlüssige und ästhetische Formen.

Ausstellung der Klasse Christine Streuli im Kunstverein Kunsthaus, bis 15. Dezember, Künstlergespräch am 1. Dezember

Richard Rabensaat

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