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Die vielen ausgestellten Kunstblätter im Museum Fluxus sammelte die Venezianerin Tiziana Baracchi für die Herausgabe von Zeitschriften zusammen. 

© Ottmar Winter

Ausstellung im Potsdamer Fluxus: Kunst, die mit der Post kommt

Potsdam feiert Italien. Die PNN begleiten die zahlreichen Veranstaltungen mit einer Sommerserie. Heute: Eine Sammlung von Mail-Art der venezianischen Künstlerin Tiziana Baracchi im Museum Fluxus.

Von Sarah Kugler

Potsdam - Ein Totenkopf mit Flügeln, davor ein Steuerrad und ein Nachtfalter, der vor dem Schädel umherflattert. Vielleicht nimmt er auch darauf Platz. So genau ist das nicht zu erkennen auf der Collage von Peter Müller. Sie ist eine von vielen künstlerischen Arbeiten, die gerade im Atrium des Museums Fluxus zu sehen sind. Aufgefädelt an Schnüren und somit freischwebend im Raum. Oder – so wie Müllers Arbeit – unter Glas auf einem Tisch drapiert. Gesammelt hat sie alle Tiziana Baracchi, eine venezianische Künstlerin, die auf Mail-Art spezialisiert ist.

1952 in Venedig geboren, studierte sie Medizin und arbeitete zunächst als Anästhesistin. Anfang der 80er Jahre gründete sie gemeinsam mit ihrem Mann Giancarlo DaLio die „Itinerari 80“, eine künstlerische Bewegung mit dem Ziel, Kunst und Poesie in alternative Kunsträume zu tragen. Im Jahr 1985 entdeckte sie schließlich die Mail-Art und formte ein internationales Netzwerk. Eine fast altmodische Kunstform ist das: verschiedene Künstler aus aller Welt gestalten dabei einzelne Blätter und schicken sie per Post an Tiziana Baracchi. Sie sammelt diese Blätter im A4-Format und heftet sie zu Zeitschriften zusammen.

Mail-Art, die ans Fluxus adressiert ist. 
Mail-Art, die ans Fluxus adressiert ist. 

© Ottmar Winter

Sehr viel italienischer Text

„Tiziana Baracchi: Botschaft aus Venedig. Montage-Bücher internationaler Mail Art aus Italien“ ist nun der lange Titel der Ausstellung im Fluxus. Anfang der 2000er gründeten Baracchi und ihr Ehemann ein Künstlerzentrum in Venedig, das auch als „Künstler-Botschaft“ bezeichnet wird. Es wurde zum Archiv, zur Bibliothek und zum Treffpunkt internationaler Künstler – und der Mail-Art.

Für die Ausstellung müssen sich Besucher etwas Zeit nehmen. Um wirklich eintauchen zu können in das Konzept und die einzelnen Kunstblätter. Denn: die dazugelieferten Erklärungen der einzelnen Künstler sind alle auf Italienisch. Zwar liegt eine Begleitbroschüre in deutscher und englischer Sprache aus, diese klärt aber eher allgemein über Baracchis Arbeit auf. Auch der kurze Begleitfilm, der vor Ort angespielt wird, ist in italienischer Sprache.

Was der Künstler damit wohl sagen möchte?
Was der Künstler damit wohl sagen möchte?

© Ottmar Winter

Viele Kunstblätter zum Bestaunen

Wer dieser nicht mächtig ist, kann im Fluxus trotzdem viel entdecken. Allein das bereits erwähnte Blatt von Peter Müller bietet in seiner Symbolhaftigkeit viel Stoff zum Festsaugen. Ein Pin-Up-Girl ist unter dem Totenkopf zu sehen, daneben ein Fliegenpilz. Sofort schießen Sinnsprüche wie „Memento mori“ oder "Carpe diem“ durch den Kopf. Und tatsächlich: In der nebenstehenden Erklärung steht sinngemäß, der Betrachter solle sich nicht mit Nostalgie an die Vergangenheit erinnern und das Leben nicht passiv erleiden, sondern bewusst gestalten.

Irgendwo darüber hängt ein Blatt mit einem abstrakten Menschenkopf in Schweinchenrosa in einer Sandlandschaft. „Se o non essere“ steht darüber. Ein Sprachspiel mit „Essere o non essere“ („Sein oder nicht sein“)? Ein italienisches Sprichwort? Ganz erschließt es sich dem Besucher mit nur brüchigen Italienischkenntnissen nicht. Ein Hingucker ist das Blatt dennoch. Man möchte wissen, worüber dieser Kopf wohl nachdenkt, ob er sein Leben bewusst lebt oder eher ein Grübler ist. Und so hangelt sich der Blick von Blatt zu Blatt, von Gedanke zu Gedanke. Ein bisschen wehmütig wird man dabei. Denn die ausgestellte Mail-Art ist die letzte, die Tiziana Baracchi zusammengestellt hat. Die Künstlerin starb Ende 2018. Ihr Mann, der Kunstkritiker Giancarlo DaLio, und die gemeinsame Tochter Giulia DaLio stellten die Ausstellung vor Ort zusammen.

>>Bis zum 6. Oktober im Fluxus in der Schiffbauergasse 4F, der Eintritt ist frei

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