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Banal verklärend. Otto Heinrichs Gemälde mit heiteren Menschen vor der Garnisonkirche im Jahr 1943. 

© Potsdam Museum

Ausstellung im Potsdam-Museum: Wo Nazi-Kunst und Avantgarde nebeneinander hängen

In der Ausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne“ des Potsdam Museums ist in der unteren Etage Kunst von 1914 bis 1945 in all ihrer Widersprüchlichkeit zu sehen.

Potsdam - Sie waren Steigbügelhalter und spielten den Nationalsozialisten in die Hände. Künstler wie Rudolf Hengstenberg, Ernst Kretschmann, Heinrich Basedow d. J. oder der späte Otto Heinrich passten ihre Werke nicht dem Wunschbild der Propaganda an, nein, sie schritten völkisch stramm voran. Sie huldigten aus eigenem Antrieb den klaren Pinselstrich, der keine „Rätselspiele“ aufgab. Anders als Wilhelm Schmid, der mit seiner Novembergruppe dem „getreuen“ Malen abschwor und alte Zöpfe ohne Zaudern abschnitt. Bis er 1937 nach öffentlichen Verunglimpfungen auch in der Presse mit seiner jüdischen Frau Maria das Weite suchte. Weg aus diesem konservativen Potsdam, weg aus dem braunen Nazi-Deutschland: zurück in die Schweizer Heimat.

Ernst Kretschmanns Ode auf die deutsche Frau.
Ernst Kretschmanns Ode auf die deutsche Frau.

© PNN / Ottmar Winter

Selbst die moderate Impressionisten-Generation traf auf Widersacher

Expressionismus, Dada, Neue Sachlichkeit: Sie hatten es schwer in Potsdam. Selbst die moderate Impressionisten-Generation traf auf beredte Widersacher aus der eigenen Künstlergilde. Basedow d. J. tat sie als „schmierende Kunstmaler“ ab. „Deutsch sein heißt klar sein.“ Diesem Führerwort frönte er, wie so manch anderer Künstler und malte die Garnisonkirche mit heroischem Blick.

In der Ausstellung „Umkämpfte Wege der Moderne mit ihren Geschichten aus Potsdam und Babelsberg“ ist die untere Etage des Potsdam Museums mit Kunst von 1914 bis 1945 überzogen, die in ihrer ganzen Widersprüchlichkeit zutage tritt. Maler, die sich in den Zwischenkriegsjahren spinnefeind waren, hängen nun brav nebeneinander – und müssen sich aushalten. Philipp Franck, Meister des Impressionismus, der das Havelgewässer farblich zum Tosen bringt und mit seinem „Palasthotel an der Langen Brücke“ von 1928 nuancenreich für sich einnimmt, sieht sich in einer Reihe mit Schmachtfetzen von Hengstenberg, der die Traditionslinie vom Alten Fritz bis zum „Tag von Potsdam“ beschwört und selbst in die braune Uniform stieg.

Hier geht es um den kulturhistorischen Blick

Jutta Götzmann, die Museumschefin, sträubte sich anfangs gegen diese Hängung, die das Hoch und Tief der Qualitäten so konzentriert nebeneinander zur Schau stellt. „In einer reinen Kunstausstellung hätten wir das so nie gemacht.“ Doch hier geht es um den kulturhistorischen Blick, und der war in der Zwischenkriegszeit bürgerlich-konservativ bestimmt, vom langen Atem der Hohenzollern anhaltend geprägt.

Moderne trifft auf den Geist von gestern. Museumschefin Jutta Götzmann zeigt das große Gefälle.
Moderne trifft auf den Geist von gestern. Museumschefin Jutta Götzmann zeigt das große Gefälle.

© PNN / Ottmar Winter

Das zeigen allein die beiden Plakate für die Ausstellung zum Kunstsommer 1921 in der Potsdamer Orangerie. Das offizielle Plakat zeugt vom piefigen Kleingeist: Zu sehen ist der Schattenriss von Friedrich dem Großen, der seine Hand über den Kopf des mickrigen Künstlergenius mit seiner Malpalette hält. Die Majestäten hatten 1918 noch lange nicht abgedankt, lebten in den Köpfen weiter. Das zweite Plakat – privat von dem Kunstsammler und Verleger Ferdinand Möller in Auftrag gegeben – zeigt sich indes expressiv und dynamisch: mit einem Holzschnitt des Brücke-Künstlers Otto Mueller. Das eine Plakat ist für die Potsdamer, das andere für die Berliner, wurde geulkt.

1936 wurde „entartete Kunst“ ausgesondert

Eigentlich war diese Ausstellung aber ein großer Wurf: 305 Werke in der Orangerie mit internationaler Kunst von Pechstein, Liebermann oder Kirchner – und auch mit einer Potsdamer Sektion. „Potsdam schlägt Berlin“, hieß es da begeistert, mit Anspielung auf die Landesausstellung am Lehrter Bahnhof im gleichen Jahr. Dort fielen Werke mit sexuellen Motiven von Otto Dix und Rudolf Schlichter der Zensur zum Opfer. „Potsdam ist geradezu berufen, ‚die' Kunststadt der Mark zu werden“, urteilte der Kunstkritiker Franz Servaes. Es war eine kurzzeitige Vorreiterrolle. 1936 kam es auf Anordnung des Potsdamer Bürgermeisters Hans Friedrich zur Säuberungsaktion des Städtischen Museums, zur Aussonderung „entarteter Kunst“.

Der Kunstraum innerhalb der Ausstellung „Umkämpfte Modere“ lässt all das aufeinander prallen: die wenigen Inseln der Erneuerung, umgeben vom seichten Gewässer des hochkonservativen Geistes.

Flirrend. Otto Heinrichs Aquarell vom "Fischmarkt" im Jahr 1925.
Flirrend. Otto Heinrichs Aquarell vom "Fischmarkt" im Jahr 1925.

© Michael Lüder

Bilder können viel erzählen

Zu den innovativen Künstlern zählen Paul Kuhfuss, Schüler von Philipp Franck, der mit expressiven, kubistisch geformten Ansichten vom Stadtkanal oder der Langen Brücke auftrumpft oder in seinem „Residenzstädchen“ von 1923 in dunklen Tönen den Zeitgeist der Weimarer Jahre verdichtet. Auch Hannah Schreiber de Grahl setzt ganz eigene Akzente: zeigt Stadtansichten fernab vom biederen Naturalismus. Die Karl-Hagemeister-Schülerin zieht den Vorhang auf zu ihrem ganz eigenen Theater: mit verrückten Perspektiven und Anklängen an den französischen Impressionisten.

Die Ausstellung, die die geistigen Kanten schmerzhaft hervortreten lässt, nichts beschönigt, nichts abschwächt, ist ein Zeitdokument. Und das sollte nicht nur in eine Sonderschau befristet zu sehen sein. Potsdam braucht eine ständige Kunsthalle, die auch diese Widersprüche nachzeichnet: in der Otto Heinrichs „Fischmarkt“ voller Atmosphäre das Treiben am Stadtkanal einfängt. Bis er Jahre später, nachdem er im Schützengraben seine rechte Hand einbüßt, linkshändig weitermalt und bei banalen Stadtansichten landet: mit nett begrünter Breiter Straße, heiteren Menschen vor der Garnisonkirche. 1943. Abwehrhaltung? Realitätsflucht? Eine Gegenwelt in der Kunst?

Philipp Franck schwelgte in seiner Licht-Luft-Wassermalerei. 1928 malte er das Havelgewässer am Palasthotel an der Langen Brücke (Ausschnitt).
Philipp Franck schwelgte in seiner Licht-Luft-Wassermalerei. 1928 malte er das Havelgewässer am Palasthotel an der Langen Brücke (Ausschnitt).

© Potsdam Museum

Bilder können viel erzählen. Wenn man ihnen zuhört. Und selbst solche Gruselgeschichten wie die von Ernst Kretschmann, der mit seinen heroisierenden Sportszenen zum gemachten Mann wurde. Nachdem er sich von seiner jüdischen Frau scheiden ließ, den Nazis folgte und ein „germanisches“ Weib heiratete. Die Maler dieser Stadt gehören ins Stadtmuseum: in all ihren Farben und Facetten. Trotz allem. Und sei es, um sich von ihnen abzuwenden. Die Potsdamer wollen sie sehen: vor allem natürlich die Leuchttürme, die man noch besser schätzen kann, wenn man sie aus ihrer Zeit heraus beurteilt.

Eine Machbarkeitsstudie für den Anbau einer Kunsthalle ans Museum soll demnächst von der Stadt in Auftrag gegeben werden. Das wusste Jutta Götzmann zu berichten. Und wenn es am eigenen Haus zu eng wird, muss eben ein anderer Platz gefunden werden.

Öffentliche Führung am Sonntag, 14. April, 14 Uhr, Potsdam Museum Am Alten Markt.

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