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Die neue Mailart-Schau im Museum FluxusPlus. 

© Thilo Rückeis

Ausstellung im Museum FluxusPlus: Seifen und Postkarten

Am Freitag wurde die Ausstellung über die Mailart-Szene in der DDR eröffnet. Die weit vernetzte Szene hatte auch Verbindungen zu Künstlern in Westeuropa.

Potsdam- Selbst eine Postkarte konnte ausreichen, um in der verblichenen DDR ins Gefängnis zu geraten. Nachdem der aus Erfurt stammende Restaurator Rainer Luck sich für die aufblühende Mailart Szene in der DDR engagiert und dann auch noch einen Ausreiseantrag gestellt hatte, landete er 1984 in Haft. Später wurde er von der Bundesrepublik freigekauft und arbeitete in Bayern weiter als Restaurator. Eine Auswahl von Mailart zeigt seit Freitag das Museum FluxusPlus im Atrium. Die Ausstellung „Ost/West – Alternativen: Joseph Beuys und die Performance- und Mail Art Szene in der DDR“ läuft noch bis zum 3. Oktober.

Die Kunst auf häufig selbstproduzierten Postkarten führte im real existierenden Sozialismus ein reges Eigenleben. Die weit vernetzte Szene hatte auch Verbindungen zu Künstlern in den westeuropäischen Staaten, insbesondere zu Josef Beuys und seinen Kollegen aus der Fluxus Bewegung. Beuys korrespondierte mit Luck und setzte sich für ihn ein und stand mit weiteren Mailart-Künstlern in Verbindung. Der findige Filzverarbeiter und Sozialismus-Sympathisant Beuys ließ sich aus der DDR allerlei Produkte schicken. Diese unterschieden sich, wie er fand, in ihrer Schlichtheit in angenehmer Weise von den Waren des kapitalistischen Westens. 

Brachialkritik am Kapitalismus

Rolf Staeck, der Bruder des bekannten Grafikers Klaus Staeck, schickte dem damals schon gekündigten Akademieprofessor Beuys in den 80er-Jahren allerlei Seifen, Waschmittel und Postkarten, die umgehend signiert, Eingang in die Installation „Wirtschaftswerte“ fanden und nun im Museum FluxusPlus zu sehen sind. Auch die griffige Formel „Kunst=Kapital“ entstand in diesem Zusammenhang. Beuys Stempel auf der banalen Alltagsware adelte das Produkt und machte daraus flugs ein Ready Made, das sich entsprechend als seriell produzieren und verkaufen ließ. So entstanden auch Postkarten aus Filz und Holz, die allerdings nur im Westen in den Postverkehr gelangten. Die Ostpost verweigerte die Beförderung.

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Nicht selten dienten Bilder aus dem Fernsehen oder andere Kunstwerke als Ausgangspunkt der kreativen Postkartenkünstler. Zu sehen ist ein Volkspolizist, der wohl die nackte Olympia auf ihre unzüchtige Nudität hinweist, oder auch etwas Brachialkritik am Kapitalismus, wenn weit aufgerissene Augen im dunkelfarbigen Gesicht auf einen Teller Pommes Frites blicken. Der Verleger und Künstler Lutz Wohlrab, 1959 in Greifswald geboren, war selber Mailartist und ist Mitinitiator der Ausstellung. 

New Yorker Künstler begründete die Kunstart

Joseph Beuys, Wolf Vostell, Ben Vautier und andere Westdeutsche Künstler hatten schon um 1970 Kontakt zu dem New Yorker Künstler Ray Johnson, der die New York Correspondence School gründete und die von dem Kunstkritiker Jean-Marc Poinsot so getaufte Mailart begründete. Zweck der Aktion war ein, wie die Künstler hofften, ewig bestehendes nicht kommerzielles soziales Kunstnetzwerk zu schaffen, zu dem auch Nichtkünstler unproblematischen Zugang fanden.

Auch Frauen fanden sich unter den Aktivisten, beispielsweise die Performance Künstlerin Karla Woisnitza oder die 1932 in Leipzig geborene, studierte Philosophin Ruth Wolf-Rehfeldt, deren meist auf mit der Schreibmaschine getippte Grafiken aktuell eine museale Renaissance erfahren. Der Kreativität waren zunächst einmal keine gestalterischen Grenzen gesetzt und der Gedanke des fluiden Kunstwerkes ließ sich auch in andere Medien transportieren. So entstanden auch einige Fluxus Theaterstücke, deren Partituren von der Notation und Grafik der Mailart inspiriert waren. 

Museum FluxusPlus gemeinnützige GmbH, Schiffbauergasse 4f, geöffnet Mittwoch bis Sonntag von 13 bis 18 Uhr.

Richard Rabensaat

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