zum Hauptinhalt
Ob Nah oder Fern. Am Wasser kann man die Freiheit spüren. Die Probleme bleiben an Land, meint Christian Fleming, den es zum Malen nach Hiddensee oder an den Gardasee zieht. Doch sein „Schilf“ wächst überall.

© Andreas Klaer

Ausstellung im Café Matschke: Aus Schlamm ans Licht

„BeiNaheWasser“: Neue Ausstellung Potsdamer Künstler im Café Matschke

In Potsdam ist man nirgendwo weit weg vom Wasser, sei es als malerisches Ufer oder nüchternes Schwimmbad. Es ist stets verfügbar als Lebensmittel aus dem Wasserhahn, nicht zuletzt auch zum Pinselauswaschen. Und manchmal ist es einfach nur da, Medium für sinnliche Erfahrungen und philosophische Gedanken.

Jetzt ist es Thema einer Ausstellung im Galeriecafé Matschke, die am gestrigen Freitagabend eröffnet wurde. Gezeigt wird Malerei, Fotografie und Grafik von den Stammkünstlern des Cafés: Bernd Chmura, Christian Heinze, Christian Fleming, Wolf-Dieter Pfennig, Joachim Liebe, Jörg Hafemeister sowie Gäste. „BeiNaheWasser“ ist eine humorig-melancholische, sagenhaft-erotische und bisweilen sogar politische Annäherung an den Begriff. Eine Ausstellung, für die die Künstler zudem nicht einfach so ins Portfolio griffen – genug Wasserbilder hätte jeder von ihnen gehabt – sondern Neues schufen. Sich beim Produzieren bewusst auf eine neue Annäherung an das Thema einließen. „Und da sind ja viele Wege möglich“, sagt Christian Heinze.

Über Themen entscheiden die Maler im Kollektiv – ein Stammtisch professioneller, in Potsdam verwurzelter Künstler und vielleicht der letzte seiner Art. Das Wasser war jetzt einfach mal dran, so Heinze. Es machte Arbeit, es machte Spaß, es förderte neue Gedanken, aber auch alte Geschichten zu Tage.

„Ich bin ein Skizzenbuchmaler“, sagt Wolf-Dieter Pfennig. Als Skizze im Buch und auch im Kopf trug er unter anderem eine Geschichte, die er in Venezuela erlebte, mit sich rum. In dem Gehöft, in dem er wohnte, hatten die Schweine ihren eigenen Teich zum Baden. Jetzt hat er daraus ein Bild gemacht: Schweine bis zur Schnauze im Wasser, es ist also tief genug zum Schwimmen. Über ihnen schwebt eine schöne Frau im roten Kleid und lässt es aus einer Gießkanne regnen. Auf einem anderen Bild trägt ein Mann mit mephistophelischen Augenbrauen eine nackte Frau aus einem Boot an Land. Im Boot bleibt der strauchelnde Fährmann zurück, im Wasser unter ihr lauern Menschen und Hunde, die sie beäugen. Die Hunde kann Pfennig nicht erklären. Muss man auch nicht. „Manchmal ist es die Freude an der Form, die einen etwas malen lässt. Andere Bilder verselbständigen sich und man lässt sich in diesem Prozess treiben.“

Auch Bernd Chmura kennt das, dieses Sich-Treiben-Lassen. Seine skurrilen, phantastischen Wimmelbilder, Tusche und Aquarell, entstehen in penibler Kleinarbeit, und nicht immer weiß Chmura, wo es hingeht. „Still ruht der See“ ist der Titel eines Bildes, bei dem tatsächlich eine Weile Mal-Pause war. Chmura hatte am unteren Bildrand begonnen, eine Unterwasser-Szene zu malen. Doch er war nicht zufrieden mit dieser ersten Schicht und hörte erstmal auf. Nach Wochen nahm er sich das Bild wieder vor und arbeitete sich von unten nach oben. Aus der dunklen Schlammschicht am Meeresboden, durch die sich Würmer und andere unappetitliche Kreationen wühlen, wühlte sich der Maler nach oben in hellere, klare Wasserschichten, in denen immer leuchtendere, größere und klar strukturierte Wesen hausen. Jetzt ist Chmura zufrieden. Klare Strukturen finden sich auch in seinen Sprach-Bild-Spielereien, bei denen er mithilfe eines symbolischen Wasserglases 36 Begriffe abstrahiert und verklausuliert.

Christian Heinze, perfekt im Festhalten heimischer Uferszenen, zeigt neue Collagen, in denen Fossilien eine Rolle spielen. Ein weiteres Bild beschäftigt sich mit dem Thema Plastikmüll. Heinze hat protokolliert, was er im Laufe einer Woche in die gelbe Tonne warf und hat das unschuldige Wasserblau mit realen Schnipseln dieser Verpackungen kombiniert. Es wirkt wie ein bewusster Seitenhieb gegen seine melancholischen Natur-Stillleben, und das tut beinahe weh.

Ganz anders Christian Fleming: Seine Aquarelle sind Gedichte, zum Träumen und Zerfließen. Jedes Jahr zieht es Fleming zum Malen nach Hiddensee und an den Gardasee – ans ferne Wasser. Das doch überall gleich ist: Man kann hier eine Freiheit spüren, die dem Festland fehlt. „Die Probleme bleiben an Land“, sagt Fleming.

Stundenlang könne man aufs Wasser starren, da sind die Maler sich einig. Aber, sagt Pfennig, Professor an der Fachhochschule für Gestaltung Wismar, beinahe warnend: Man muss auch mal loslassen können. Zurückfinden in die Realität. Diese Realität verarbeitet Jörg Hafemeister in seinen Karikaturen: Bilder, die vom Potsdamer Wasser als widerborstigem Politikum erzählen.

Bis 9. September im Café Matschke, Alleestraße 10

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false