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Aufruhr am Hans Otto Theater: Wie sich HOT-Intendant Wellemeyer gegen Kritik wehrt

Tobias Wellemeyer, Intendant des Hans Otto Theaters, steht in der Kritik. Ihm werden unter anderem diktatorhafte Züge im Umgang mit den Schauspielern vorgeworfen. Nun wehrt er sich.

Potsdam - Am Freitag soll es offiziell gefeiert werden, das zehnjährige Bestehen der neuen, endlich festen Heimstatt für Potsdams Hans Otto Theater. Für den Abend ist ein Empfang im Neuen Theater geplant, Intendant Tobias Wellemeyer wird eine Rede halten. Doch nach einem Medienbericht rückt die Feierlichkeit nun in den Hintergrund; Wellemeyer muss sich Vorwürfen erwehren, die einstige und heutige Ensemblemitglieder laut dem Bericht der „Märkischen Allgemeinen“ gegen ihn erhoben haben. Danach soll es heftige Zerwürfnisse innerhalb des Hans Otto Theaters geben, von diktatorhaften Zügen Wellemeyers im Umgang mit seinen Schauspielern ist die Rede.

Es soll sich also das Theater intern zerfleischen – und das schon seit einigen Jahren? Zitiert wird aus einem Schreiben des Ensembles an Wellemeyer während der Spielzeit 2014/15. Darin prangern die Schauspieler fehlende innerbetriebliche Diskussionskultur an. Das Schreiben soll, so insinuiert der Bericht, zugleich Entlassungsgrund für Ensemblesprecher Alex Sichrovsky gewesen sein, der im Sommer dieses Jahres das Haus verließ. Überhaupt hätten viele Schauspieler Wellemeyer den Rücken gekehrt, heißt es.

Wellemeyer: "Darstellung des Arbeitsklimas an unserem Haus ist falsch"

Wellemeyer selbst meldete sich am Mittwoch mit einer „Erwiderung“ zu Wort. Er distanziere sich mit Nachdruck, schreibt er. Die Vorwürfe seien falsch, falsch auch die Darstellung der demokratischen Verhältnisse am Haus. Das Ensemble stärkte ihm – am Abend – mit einer gemeinsamen Erklärung den Rücken und versicherte, es stehe „hinter seinem Intendanten“. In der wortgewaltigen Erklärung heißt es, die „Darstellung des Arbeitsklimas an unserem Haus ist falsch“. Und weiter: Falls es die Absicht des Autors gewesen sein sollte, „sich schützend vor uns zu stellen und uns alle zu ,Opfern’ eines von ihm zum Despoten erklärten Intendanten zu machen, müssen wir mitteilen: Wir verbitten uns entschieden, von ihm für seine ganz anders gelagerten Ziele vereinnahmt zu werden“. Der Journalist verfolge „deutlich erkennbar nichts anderes als die Absetzung des Intendanten“, einen Wechsel der künstlerischen Linie des Hauses und einen daraus folgenden Wechsel des Schauspielensembles, so die Erklärung, die mit „Das Ensemble des Hans Otto Theaters“ unterzeichnet ist. Dass einzelne Ensemblemitglieder ausgeschieden seien, habe nicht mit einer „angeblich schlechten Stimmung im Haus“ zu tun.

„Völlig aufgebauscht“ findet auch Ex-Ensemblemitglied Holger Bülow den Bericht. Sein eigener Weggang etwa zu Ende der vergangenen Spielzeit habe nichts mit dem Ensemble zu tun gehabt, bekräftigt er. Zum Ende dieser Spielzeit werden allerdings auch die Schauspieler Melanie Straub und Wolfgang Vogler das Hans Otto Theater verlassen.

Kritik an Wellemeyer ist nicht neu

Auch sind kritische Stimmen in Bezug auf Wellemeyer nichts Neues. Aus dem Aufsichtsrat, dem Kuratorium des Hauses, wird auch jetzt Kritik an der Arbeit des seit 2009 wirkenden Intendanten laut. Aber nur unter vorgehaltener Hand, namentlich zitieren lassen will sich keiner. Es habe immer wieder Diskussionen zur Person Wellemeyer gegeben, heißt es. Noch vor der Sommerpause habe sich zudem das Kuratorium mit großer Mehrheit gegen eine Verlängerung des Vertrags von Wellemeyer ausgesprochen. Bis zum 31. Juli 2018 läuft der derzeitige Vertrag. Der Aufsichtsrat selbst entscheidet aber nicht über eine Verlängerung, sondern einzig Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD).

Wirft man einen Blick auf die Einnahmesituation und die Auslastung des Hans Otto Theaters – und das muss ein Aufsichtsrat schließlich tun – , wird das Votum erklärbar: In der verganenen Spielzeit lag die Auslastung bei knapp 64 Prozent und war damit sogar eine der besten in den letzten Jahren. Zum Vergleich: Das Theater in Jena kommt auf 72 Prozent, das Stadttheater Magdeburg – an dem Wellemeyer zuvor tätig war – sogar auf sagenhafte 96 Prozent. Doch damit ist man auch bei dem Potsdamer Problem: Vielleicht ist das Neue Theater schlicht zu groß gebaut für die Stadt, eine, die vor den Toren Berlins liegt und mit dessen Zugkraft nicht mithalten kann. Wie soll ein Intendant den Anspruch einer Stadt wie Potsdam erfüllen und einen Zuschauersaal von mehr als 450 Plätzen regelmäßig füllen? Mit Mainstream, Leichtigkeit, ein breites Publikum ansprechend oder indem er ein künstlerisch anspruchvolles Programm gestaltet, um mitzuhalten mit der Theaterszene der Hauptstadt? „Wir bräuchten jemanden, der das Potsdamer Publikum mehr mitnimmt“, heißt es aus dem Aufsichtsrat. Dabei ist es nicht nur die Frage, ob es die richtigen Stücke sind, die Wellemeyer ins Programm hebt, sondern ob es auch die richtige Art und Weise ist, wie er sie umsetzt. Zu ernst, zu tiefgründig, zu schwermütig seien die Inszenierungen. Frischen Wind bräuchte es nach den sieben Jahren Intendanz.

Welches Theater für die Zukunft?

So stellt sich vor der Intendantenfrage die Frage, welches Theater der Stadt für den Bau in der Schiffbauergasse für die Zukunft vorschwebt. Erst dann kann sich die Stadt auf die Suche nach einem geeigneten Intendanten begeben. Wenn Wellemeyers Vertrag über 2018 hinaus nicht verlängert wird, muss spätestens 2017 nach Nachfolgern gesucht werden. Dann wäre es wohl Zeit für einen frischen Wind. Und es steht die Frage, ob ein Oberbürgermeister über eine Personalie wie einen Theaterintendanten im Alleingang entscheiden sollte. (mit Ariane Lemme)

Grit Weirauch

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