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Kultur: Aufgehen in jedem Moment „Pour Ethan“ feiert das Erwachsenwerden

Ethan kann weder tanzen noch will er später Tänzer werden. Dieser hochaufgeschossene, sehnige Junge ist ein Sportler, wie man sofort sehen kann, als er am Freitagabend die Bühne in der Fabrik betritt.

Ethan kann weder tanzen noch will er später Tänzer werden. Dieser hochaufgeschossene, sehnige Junge ist ein Sportler, wie man sofort sehen kann, als er am Freitagabend die Bühne in der Fabrik betritt. Diese liegt im Abendsonnenlicht und erinnert so auch eher an eine Sporthalle als an eine Bühne (Constantin Alexandrakis). Hier beginnt Ethan hochkonzentriert mit gelber Kreide ein Rechteck auf den Boden zu zeichnen. Das ist der Raum, in dem er sich die nächste Stunde bewegen und die Zuschauer an seinem Leben teilhaben lassen wird. Seine Konzentration wird er die kommenden 60 Minuten stets aufrechterhalten.

Gleich zweimal wurden bei den diesjährigen Tanztagen Inszenierungen gezeigt, die von Kindern und Jugendlichen performt wurden. Während in „Girls“ acht Mädchen und junge Frauen eine Choreografie tanzten, die ursprünglich für reife Frauen entwickelt wurde, konnte der 15-jährige Ethan Cabon in „Pour Ethan“ ganz er selbst sein. Der französische Choreograf Mickaël Phelippeau hat mit ihm ein Stück geschrieben, das den Jungen seine momentane Entwicklung zwischen Kind- und Erwachsensein reflektieren und verkörpern lässt.

Man kann erleben, wie sehr er den Handballsport liebt und wie wichtig ihm dabei präzises Arbeiten ist. Dieser Junge ist ungemein präsent. Egal, was wer macht, er macht es in seiner Eigenart und Geschwindigkeit und er geht in jedem Moment darin auf. Das ist eine Eigenschaft, wie sie Erwachsene oft verlernt haben und wahrscheinlich deshalb so sehr an Kindern bewundern. Ethan macht nichts Besonderes, aber wie er es macht, ist so nur selten zu erleben.

Doch nicht nur diese starke Präsenz hat den Choreografen veranlasst, mit ihm zu arbeiten. Mickaël Phelippeau erlebte Ethan zum ersten Mal vor sechs Jahren, als der Neunjährige auf einem Fest in seinem Heimatdorf ein bretonisches Volkslied sang. Wahrscheinlich ging es jedem Zuschauer in der Fabrik wie damals Phelippeau: Als Ethan die ersten Zeilen mit geschlossenen Augen und hoher, heller Kinderstimme anstimmt, ist man zutiefst berührt.

Allerdings ist auch sofort zu spüren, wie viel Anstrengung ihn das jetzt kostet und dass es absehbar ist, wann ihm diese Reise in die eigene Vergangenheit nicht mehr möglich sein wird. Ethan singt das Lied noch eine ganze Weile in der ihm jetzt gemäßen Tonlage weiter. Er verlässt dafür auch den Saal und man kann von fern einzelne Liedfetzen hören – ein Blick in die Vergangenheit und Zukunft zugleich! Diese Perspektiven blitzen auch in den kurzen von ihm gesprochenen Sequenzen auf, die pointiert sein Leben, auch mit Ängsten und Zweifeln, reflektieren.

Und dann gibt es noch die kurze Szene, in der der Choreograf Mickaël Phelippeau seinen Platz verlässt, um sich für wenige Minuten gemeinsam mit Ethan auf der Bühne zu bewegen. Sie zeigt die enge Verbundenheit, aber zum Glück auch ganz entschieden die Verschiedenheit beider Persönlichkeiten.Astrid Priebs-Tröger

Astrid Priebs-Tröger

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