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Kultur: Auf Seite Eins

Angela Fensch sprach im Kutschstall

Wenn man im Privatfernsehen sieht, was es heutzutage bedeutet, eine Modelkarriere anzustreben, wünscht man sich frühere Zeiten zurück. Angela Fensch, die in der DDR, heute würde man sagen ein Supermodel war, wollte ursprünglich gar nicht in die Modebranche. Die herbe Schönheit, die sich selbst als zu mager und mit ihren Sommersprossen sogar für hässlich befand, ließ sich gerade zur Bibliothekarin ausbilden, als die Mutter ihres damaligen Freundes ein paar Fotos von der 17-Jährigen einschickte. Die dann prompt genommen wurde und ab 1970 zwanzig Jahre lang unter anderem die Cover der „Sibylle“, von „Modische Maschen“, der „Für Dich“ oder des „Magazins“ zierte.

Angela Fensch war am Mittwochabend im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte zu Gast und wurde im Rahmen der Ausstellung „Sibylle. Modefotografie und Frauenbilder in der DDR“ von rbb-Moderatorin Gisela Zimmer zu ihrem Werdegang vor und auch hinter der Kamera befragt. Denn Fensch machte nach dem Ende der „Sibylle“ Karriere als Fotografin und beschäftigt sich in ihren Langzeitprojekten nicht mit Hochglanzfotografie, sondern beispielsweise mit Lebenswegen von Menschen aus der Uckermark, von Menschen mit Behinderungen oder strafgefangenen Jugendlichen aus Brandenburg.

Sehr zurückhaltend, ja fast introvertiert gab Angela Fensch Auskunft. Und man merkte schnell, dass sie es nie nötig hatte, sich gut zu verkaufen, sondern mit ihrer in sich ruhenden Art eher die Umgebung herausforderte, sich für sie zu interessieren. Amüsiert erzählte sie davon, wie sie als eines von insgesamt fünf Models fest am Modeinstitut der DDR angestellt war und sich in den langen Zeiten der Beschäftigungsflauten, die sie aber vor Ort verbringen musste, in die betriebseigene Bibliothek zurückzog und dort las, was die Regale hergaben. Und, dass sie schon früh wusste, dass es für sie auch ein Leben hinter der Kamera geben würde, denn als sie 19 war, stand für sie fest, dass sie eigentlich nur fotografieren wollte. Die Modelkarriere hat ihr die finanzielle Unabhängigkeit ermöglicht.

„Gute Nacht, Ihr Schönen – Das Frauenbild in den Bildern von Frauen“ war die Gesprächsrunde überschrieben und Moderatorin Gisela Zimmer brauchte fast bis zum Schluss, um dieses Thema direkt anzusprechen. Angela Fensch wollte sich da auch ganz allgemein gar nicht drüber auslassen. An ihrer eigenen Biografie konnten die mehr als 50 Zuhörer aber gut nachvollziehen, was es bedeutete, in einem liberalen und intellektuellen Umfeld, ohne großartige ideologische Gängelung und mit den allgemeinen „sozialistischen Errungenschaften“ für Frauen ausgestattet, den eigenen beruflichen Weg zu gehen. Dass neben der Karriere noch Zeit für zwei Kinder blieb, sollte gerade heutzutage nicht unerwähnt bleiben.

Die Arbeitsbedingungen bei der „Sibylle“ waren aber auch in der DDR die Ausnahme. Besonders gut lässt sich das nachvollziehen, wenn man sich in der Ausstellung den zweiten Teil „Frauenbilder“ genauer ansah. Da gibt es den Artikel 20 aus der DDR-Verfassung zu lesen, der besagt, „dass Mann und Frau gleichberechtigt sind und die gleiche Rechtsstellung in allen Bereichen des gesellschaftlichen, staatlichen und persönlichen Lebens haben.“ Schräg gegenüber hängen jedoch ein Dutzend Fotografien von Frauen eines Wäschereibetriebes, die darunter ihre Lebensträume mit eigenen Worten aufgeschrieben haben. Die schwarz-weiß Bilder dieser ausgelaugten Arbeiterinnen sprechen heute noch Bände, wie die Chancengleichheit zumindest in diesem Betrieb in Wirklichkeit aussah. Und es hätte vielleicht auch nicht eine so große Nachfrage nach einer Zeitschrift wie der „Sibylle“ gegeben, wenn das papierne Postulat wirklich umgesetzt worden wäre. Denn gerade deren besondere Bilder von Frauen mit überzeugender individueller Ausstrahlung und ziemlich unangepasstem Verhalten – die Models sahen oft traurig oder trotzig in die Kamera – spiegelten für nicht wenige Frauen und auch Männer das, was sie sich im sozialistischen Einheitsbrei erträumten, auf noch heute ansprechende Weise wider. Astrid Priebs-Tröger

Die Ausstellung ist noch bis zum 22. August im Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte, Am Alten Markt, immer dienstags bis freitags, 10-17 Uhr, samstags und sonntags, 10-18 Uhr, geöffnet

Astrid Priebs-Tröger

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