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Da hilft auch all das Geleier nicht. Orpheus (Maria Gortsevskaya) scheint schon zu ahnen, dass er mit seiner Leier die geliebte Eurydike (Isa Katharina Gericke) nicht aus der Badewanne in der Unterwelt locken kann.

©  Stefan Gloede

Kultur: Auf in die Unterwelt

Die Potsdamer Winteroper bringt Glucks „Orfeo ed Euridice“ auf die Bühne im Schlosstheater

Es ist alles nur ein Traum, der Orpheus davor bewahrt, über seinen Verlust den Verstand zu verlieren. Orpheus, der unübertroffene Sänger, der seine Frau Eurydike durch einen Schlangenbiss verloren hat, kann und will dieses Schicksal nicht akzeptieren. Und so flieht er in eine Fantasiewelt, in der es ihm möglich wird, Eurydike aus dem Hades, dem Reich der Toten, zurück ins Leben zu holen. Doch die Götter, die ihm das Unmögliche erlauben, tun dies nur unter einer Bedingung. Orpheus darf die Geliebte dort unten, im Reich der Toten, nicht anblicken, sich nicht nach ihr umschauen. Und so ist es der Zynismus der Götter, für die der Mensch immer nur Spielfigur ist, der diese mögliche Wiedervereinigung scheitern lässt. Denn sie wissen sehr genau, was die Schwächen der Menschen sind und wie sie damit spielen können.

In seiner Oper „Orfeo ed Euridice“, eine der zahlreichen Lesarten des griechischen Mythos von Orpheus und Eurydike, hat sich Christoph Willibald Gluck nicht für das bekannte und in diesem Genre so beliebte Intrigenspiel der Götter entschieden. Hier zählen allein das Seelenleid von Orpheus, sein Umgang mit dem Verlust und die Verklärung seiner Beziehung mit Eurydike. Am Freitag um 19 Uhr hat „Orfeo ed Euridice“ im Rahmen der Potsdamer Winteroper im Schlosstheater im Neuen Palais Premiere. Insgesamt fünf Aufführungen stehen auf dem Spielplan, die schon jetzt ausverkauft sind. Für die kommenden Jahre wird Glucks Oper die vorerst letzte Premiere der Winteroper im Schlosstheater sein, da im Spätsommer 2013 umfangreiche Sanierungsarbeiten am Neuen Palais beginnen. Als Ausweichspielort dient ab 2013 die Friedenskirche Sanssouci.

Bei einem Pressegespräch am gestrigen Dienstag gaben sich Regisseur Martin Schüler, Intendant am Staatstheater Cottbus, und Antonello Manacorda, Chefdirigent der Kammerakademie Potsdam, äußerst optimistisch, was die Premiere am kommenden Freitag betrifft. Nun gehört das ausgiebige Klappern in Sachen Eigenwerbung auch zum musikalischen Handwerk. Doch vor Premieren, so will es der Aberglauben, übt man in Künstlerkreisen dann noch lieber etwas Zurückhaltung. Davon war am Dienstag im Foyer des Nikolaisaals aber nichts zu spüren. Schüler, der nach über 30 Jahren, nach seinem ersten Auftritt als Bühnenarbeiter, nun als Regisseur ins Schlosstheater zurückgekehrt ist, schwärmt von den Beschränkungen an diesem historischen Ort, der gerade für Glucks entschlackte Oper, die 1762 in Wien uraufgeführt wurde, die beste Bühne sei.

Gluck hat zusammen mit dem Librettisten Raniero de Cazabigi die handelnden Personen mit Orpheus, Eurydike und Amor auf drei begrenzt. Den Chor, der vorher fast ausschließlich auf eine Statistenrolle beschränkt war, lässt er hier eine der tragenden Rollen übernehmen. In seiner Bedeutung für die Handlung sei der Chor, der hier vom Opernchor des Staatstheaters Cottbus unter der Leitung von Christian Möbius übernommen wird, wichtiger als Amor und Eurydike, so Schüler. Und auch musikalisch hat Gluck mit „Orfeo ed Euridice“ die Oper reformiert. Denn die Rezitative werden hier nicht allein mehr nur mit dem Cembalo, sondern vom ganzen Orchester begeleitet, was die gewünschten Affekte umso mehr verstärke, so Schüler.

Für Antonello Manacorda, der seit zwei Jahren die Kammerakademie leitet, ist „Orfeo ed Euridice“ die erste Produktion im Schlosstheater überhaupt. Zahlreiche Inszenierungen und Konzerte hatte er schon als Zuschauer besucht und das Ambiente genossen. Und jetzt, als Dirigent, empfindet er die Beschränkung durch den schmalen Orchestergraben, in dem vielleicht maximal 20 Musiker unter beengten Verhältnissen spielen können, nicht als Last, sondern als Herausforderung. Wer Manacorda kennt, weiß, dass für ihn gerade Herausforderungen genau das sind, was Qualität in der Kunst bewirkt.

Die Inszenierung von Glucks Oper ist die erste Zusammenarbeit der Kammerakademie Potsdam und des Hans Otto Theaters mit dem Staatstheater Cottbus, die besonders von Sabine Kunst, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur in Brandenburg, betont wurde. Auf Nachfrage sagte Sabine Kunst, dass davon ausgegangen werden kann, dass die Finanzierung der Winteroper auch für die Jahre 2013 und 2014 gesichert ist, da das Kulturministerium mit keinen Kürzungen im Etat rechnen muss. „Eine dezidierte Entscheidung gibt es noch nicht“, sagte die Ministerin. Vor diesem Hintergrund forderte der Geschäftsführende Direktor des Hans Otto Theaters, Volkmar Raback, „Sicherheit für Finanzen, sodass das seit acht Jahren fragile Projekt der Winteroper endlich Stabilität bekommt“. Denn seit der ersten Aufführung 2005 gibt es keine feste Finanzierung für das Erfolgsprojekt, wird über entsprechende Fördergelder jedes Jahr aufs Neue entschieden. Ein Zustand der Unsicherheit, der in Sachen Kulturförderung mittlerweile leider zum Normalfall geworden ist.

Dirk Becker

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