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Kultur: Auch kleine Rädchen haben Macht

„Wemmicks – Das Musical“ hatte im Nikolaisaal Premiere. Das Stück überzeugt vor allem mit seiner Musik und den Darstellern

Von Sarah Kugler

Es ist vor allem die Haltung, die sich im Laufe der Geschichte ändert. Der Gang, der Blick, der ganze Körper von Punchinello richtet sich immer mehr auf. Er ist eine der Hauptfiguren in „Wemmicks – Das Musical“, das am Mittwochabend im Nikolaisaal Premiere feierte. Kreiert wurde das Stück von Studenten der Filmuniversität Potsdam. Aus einer ersten Idee von vor zweieinhalb Jahren wurde ein Großprojekt. Für die intensiven Proben mit Choreographie, Gesang und Musik hatte das Ensemble nur zwei Wochen Zeit. Die letzten Nähte der Kostüme wurden am Mittwoch noch kurz vor der Premiere vernäht.

Dem Stück selbst war diese Anstrengung jedoch nicht anzumerken, was vor allem an der Musik sowie den Songs von Ephraim Peise liegt, die sich mit Liedern wie „Jedes Uhrwerk hat ein Rädchen“ oder „Kann ich dir vertrauen“ mit großen Musicals messen können. Dazu perfekt harmonierend: die fetzige Choreographie von Michael Heller. Die raffinierten Kostüme von Sandra Peise, die mit Farbe und Plisseestoffen Holzmaserungen auf den Darstellern vortäuschen, unterstützen die Märchenhaftigkeit der Geschichte. Die Darsteller – eine Mischung aus Profis und Laien – wiederum interpretieren die Geschichte rund um das Holzfigurenvolk der Wemmicks, das seine scheinbar hässliche Holzfassade unter teuren Kleidern versteckt, mit einer mitreißenden Leichtigkeit. Tom Schimon verkörpert dabei Punchinello, einen jungen Wemmick mit einer auffallend großen Hand, der den Wemmicks eher unfreiwillig zu einem neuen Leben ohne Scham und Beautywahn verhilft. Dabei überzeugt er nicht nur stimmlich, sondern auch mit einer – für das Genre Musical nicht immer selbstverständlichen – sehr fein nuancierten, emotionalen Spielweise. Ist sein Punchinello am Anfang noch verhuscht und unsicher, gewinnt er im Laufe des Stückes immer mehr an Strahlkraft. Ebenso kraftvoll ist Lasarah Sattler als Wemmickaufständlerin Lucia. Stimmlich steht sie Schimon in nichts nach, nur ihr Spiel ist manchmal noch etwas zu hektisch, was weniger emotionale Tiefe zulässt.

Tatsächlich fehlt es dem Stück insgesamt an mancher Stelle noch an Tiefe, einige Handlungsstränge wirken etwas gewollt. So wird etwa die Figur des Luigi von Lukas Witzel zwar mit starker emotionaler Stimme gesungen. Sein charakterlicher Zwiespalt zwischen Aufrührer und machthungrigem Schönheitsdiener ist jedoch noch nicht richtig nachvollziehbar. Das ist besonders schade, da etwa an der Bösewicht-Figur des Stückes deutlich wird, dass Autor Dominik Grittner sehr wohl tiefgründige Figuren schreiben kann. Cesario, gespielt von Musical-Profi Veit Schäfermeier, kann sich ohne Probleme mit vielschichtigen Figuren wie dem Phantom der Oper oder dem Graf von Krolock aus „Tanz der Vampire“ messen. Sein innerer Kampf zwischen liebesbedürftigem, unsicherem Mann und machtgierigem Tyrann ist gut herausgearbeitet. Hinzu kommt die kraftvolle Interpretation von Schäfermeier, der diesen emotionalen Kraftakt sowohl stimmlich als auch darstellerisch meistert.

Auch wenn die Versöhnung der Figuren am Ende etwas schnell daherkommt, hallt ihre positive Botschaft noch lange nach: Nicht das Aussehen ist es, das die Menschen – oder in diesem Fall das Holzvolk – ausmacht, sondern ihr Handeln. Und letztendlich steht „Wemmicks – Das Musical“ noch ganz am Anfang seiner Entwicklung. Es bleibt zu hoffen, dass sich eine große Bühne findet, die dem Stoff eine Chance gibt, sich zu entfalten. Denn das Potenzial für die große Strahlkraft ist längst vorhanden. Sarah Kugler

Nächste Vorstellungen am 30. September und 2. Oktober

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