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Hubertus von der Goltz hat sein Atelier in der Nähe des Kunsthauses im Potsdamer Ulanenweg, das er mit gründete. 

© Andreas Klaer

Atelierbesuch bei Bildhauer Hubertus von der Goltz: Der Seiltänzer

Er ist bekannt für seine Skulpturen in schwindelerregender Höhe: Der Künstler Hubertus von der Goltz, Gründer des Kunstvereins KunstHaus Potsdam, ist 80 geworden. Ein Atelierbesuch

Potsdam - Als die Mauer fiel, hielt sich Hubertus von der Goltz mit seiner Familie in der Schweiz auf. Auf dem Fernsehschirm war zu sehen, wie Menschen auf der Berliner Mauer spazierten. „Das sieht ja alles so realistisch aus“, dachte er damals. Kurze Zeit später installierte er eine seiner Figuren, mit denen er international bekannt geworden war, an historischem Ort: auf der Mauer. 

Heute steht die mannsgroße Figur in Goltz’ Atelier beim Kunstverein Kunsthaus Potsdam. Etliche seiner wandernden, tanzenden, marschierenden Silhouettenfiguren hat er in den vergangenen Jahrzehnten weltweit installiert. In Chicago, Shanghai und auch in Berlin-Hellersdorf. Als von der Goltz 1989 die Figur in Berlin aufbaute, erschien die balancierende Plastik den Ordnungshütern aus Ost und West immer noch wie ein Frevel an dem Monument. Aber der Künstler hatte sich zuvor Genehmigungen eingeholt und Statik und Stabilität gründlich prüfen lassen. 

Die Installationen von Hubertus von der Goltz spielen mit der Konzentration auf die Balance einer Figur in ihrer Verknappung.
Die Installationen von Hubertus von der Goltz spielen mit der Konzentration auf die Balance einer Figur in ihrer Verknappung.

© Hubertus von der Goltz

Großeltern aus Potsdam

Die Großeltern von Hubertus von der Goltz stammen aus Potsdam, aber geboren wurde er am 20. Februar 1941 in Gross Bestendorf in Ostpreußen. Die Familie floh Ende des Zweiten Weltkrieges nach Schleswig-Holstein, der Besitz in Ostpreußen war verloren. Es dauerte einige Zeit, bis der Vater, Land- und Forstwirt, in einer Baumschule ein neues Einkommen fand. Hubertus von der Goltz wechselte damals häufig die Schule. Danach begann er eine Lehre als Klavierbauer bei Steinway und Sons in Hamburg. 

1964 ging er nach Berlin, „wegen der Bundeswehr“: In West-Berlin war man vom Militärdienst befreit. Es folgte eine Lehre als Musikalienhändler. „Nachdem ich zwei Lehren abgeschlossen hatte, konnte mein Vater nicht mehr viel gegen meinen Entschluss Künstler zu werden sagen“, so von der Goltz. Schon vor Beginn seines Studiums an der damaligen Hochschule der Künste (HdK) hatte er als freier Modellbauer für Architekturbüros gearbeitet. Ein Architekturstudium lag nahe. 

Hubertus von der Goltz, Künstler in Potsdam, vor seinem Atelier neben dem Abbild seines Vaters.
Hubertus von der Goltz, Künstler in Potsdam, vor seinem Atelier neben dem Abbild seines Vaters.

© Andreas Klaer

Studium bei Joachim Schmettau in Berlin

Nach einem Jahr wechselte er zur Bildhauerei, schloss sein Studium mit einem Meisterschüler bei dem bekannten Berliner Bildhauer Joachim Schmettau ab und erhielt eine Anstellung an der HdK. Während eines Studienaufenthaltes 1978 in der Toskana beobachtete von der Goltz die Menschen auf den Plätzen, auf den Häusern, auf den Balkonen im Licht der untergehenden südländischen Sonne. Ihm fiel auf, das die Individualität im Dämmerlicht verschwindet und nur der Schattenriss bleibt, aber dieser jeweils sehr individuell ist. 

Wieder in seinem Atelier in Berlin, gestaltete er Umrisse von Figuren aus Draht und anderen Materialien. „Das ist doch keine richtige Bildhauerei“, war der abschätzige Kommentar seiner Kollegen. Aber der Künstler arbeitete weiter an der gefundenen Figur und gewann damit 1982 die Ausschreibung für ein Skulpturenprojekt am Flughafen Tegel. Die Flughafenfigur balanciert auf einem schmalen Terrassengeländer, wirkt wie ein Seiltänzer mit höchster Konzentration, um nicht abzustürzen. Nach einem Gastaufenthalt in Italien und einer Gastprofessur an der HdK konzentrierte er sich ganz auf künstlerische Wettbewerbe. Viele gewann er. 

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Gründung des Kunstvereins Kunsthaus Potsdam

Im Jahr 2000 begann von der Goltz zusammen mit dem Potsdamer Künstler Frank Michael Zeidler mit dem Aufbau des Kunsthauses Potsdam. Sie gründeten den Kunstverein, mittlerweile der größte Verein in Brandenburg. In dem erworbenen Potsdamer Anwesen im Ulanenweg richtete sich der Künstler ein lichtdurchflutetes Atelier ein, in dem der verheiratete Vater mehrerer erwachsener Kinder auch gegenwärtig weiter an seinen ikonischen Figuren arbeitet. 

„Handwerk macht mir Spaß“, sagt von der Goltz, der seine Figuren meist selbst installiert. Das ist nicht einfach, häufig balancieren sie in luftiger Höhe und wirken ziemlich absturzgefährdet. „Wenn wir einen Seiltänzer beobachten, halten wir den Atem an und wissen, dass da ein Mensch völlig fokussiert ist“, sagt er. „Darum geht es: um die Besinnung, die Vergewisserung im Augenblick.“ 

Richard Rabensaat

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