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Cembalistin Tamar Halperin und Countertenor Andreas Scholl.

© Andreas Scholl

Andreas Scholl bei den Musikfestspielen: Kummervertreibung

Countertenor Andreas Scholl präsentierte bei den Potsdamer Musikfestspielen mit seinen Musikern einen Vergnüglichen Mix aus Renaissance und Jazzsound in der Schinkelhalle.

Potsdam - Anheimelnde Atmosphäre strahlt sie nicht gerade aus: die Schinkelhalle in der Schiffbauergasse. Eher Kühle und Nüchternheit. Wohl gerade deswegen haben die Musikfestspiele Sanssouci sie am Mittwoch für den Auftritt des bekannten Countertenors Andreas Scholl nebst Instrumentalisten auserkoren, die „Dowland & Jazz“ unter einen Hut bringen wollen. Ein auf den ersten Blick gewagtes, bei näherer Betrachtung durchaus sinnstiftendes Unterfangen, sich mit den Empfindungswelten des Elisabethanischen Zeitalters und denen der heutigen Zeit auseinanderzusetzen.

Der Streifzug durch die Jahrhunderte beginnt mit Johann Sebastian Bachs filigranem Präludium BWV 924, das Tamar Halperin, Cembalistin und Gattin von Andreas Scholl, mit brillanter Fingerfertigkeit spielt. Funkelnde Klangkaskaden rauschen – tonverstärkt wie alle instrumentalen und gesanglichen Darbietungen – frisch und fröhlich in den Riesensaal. Der Barockpiece lässt die Cembalistin ihre Eigenkomposition „Baustelle“ über ein Bachsches Menuett BWV 825 folgen, das sie gleich einer harmonisch und rhythmisch raffiniert glänzenden Perlenkette ins Heute holt.

Die Psychoaufgabe der Musik

Dann darf Lautenist Edin Karamazow sich solistisch mit einem Mix aus Renaissance- und Jazzsound vorstellen: hart gezupft, mit rauschenden Akkorden und intimen Variationen nicht geizend. Letztere werden vom Pianisten Michael Wollny aufgegriffen und mit hämmerndem, hartem Anschlag verspielt und schattierungsreich einer trillerreichen Verwandlung unterzogen. Zusammen mit der Cembalistin, die mit der rechten Hand für ein monotones Bassfundament sorgt und mit links Metallplättchen beschlägelt, spielt sich das in allmählich lauter werdende Jazzraserei steigernde Duo durch Wollnys „Kabinett #5“ (aus „Wunderkammer“).

Nach dieser instrumentalen Vorstellungsrunde singt Andreas Scholl, wohlerzogen von Cembalo und dem nunmehr Gitarre spielenden Lautenisten begleitet, von der Psychoaufgabe der Musik. Die hat beispielsweise Henry Purcell im melancholisch geprägten Song „Music for a while“ geradezu programmatisch niedergeschrieben: „Musik soll für eine Weile all deinen Kummer vertreiben.“ Was sie auch tut, schließlich haben sich ihrer kennerische Facharbeiter angenommen. 

Auf der Kippe zur Country Musik

Wie den stilsicheren Sänger, der seine musikalische Ausbildung an der hochgerühmten Schola Cantorum Basiliensis durch Richard Levin und René Jacobs erhalten hatte. Klar, gradlinig und leicht geführt tönt seine Stimme, wenngleich auch ein wenig glanzloser als früher. Er artikuliert präzise, gestaltet nach eigenem Gusto Tempo und Pausen zwecks Ausdrucksvertiefung. Dennoch kann auch er nicht immer vermeiden, dass bei aller künstlerischen Perfektion der Abend zunehmend ein wenig gleichförmig wirkt.

Während Scholl noch von Kummervertreibung kündet, mischt sich das Klavier auf überraschend swingende Weise ein, um den Bogen zum englischen Renaissance-Songwriter John Dowland zu spannen. Der sah seine Herzensdame weinen („I saw my lady weep“) und sucht sie metaphernreich zu trösten. Mancher der zahlreichen Folksongs, in denen es um Liebe, Träume, Trauer und Dunkelheit geht, gerät in die Nähe zur Country Music. Spontane Zutaten der Instrumentalisten sorgen für Abwechslung. Und wenn Klavier und Cembalo gar in einen effektvollen Wettstreit treten, ist des Jubels fast kein Ende. 

Peter Buske

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