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Tänzerisch. Steffen Findeisen in der szenischen Collage.

© A. Sommer/ I Confidenti

Kultur: Andere Klangsprachen, ähnliche Methoden Vier Künstler aus Syrien treffen bei dem Projekt „Bach. Passion. Aleppo“ auf Musik von Bach

Ach, Aleppo – wie mag es wohl derzeit in der zweitgrößten syrischen Stadt nach fünf Jahren Krieg aussehen? In ihrer weit über 5000 Jahre alten Geschichte hat die Stadt schon viele Kämpfe erlebt.

Ach, Aleppo – wie mag es wohl derzeit in der zweitgrößten syrischen Stadt nach fünf Jahren Krieg aussehen? In ihrer weit über 5000 Jahre alten Geschichte hat die Stadt schon viele Kämpfe erlebt. Babylonier, Hetiter, Assyrer, Griechen, Armenier, Römer, Perser, Ottomanen, Araber, Juden und Christen haben dort kulturelle Spuren hinterlassen.

Bis vor fünf Jahren besaß Aleppo noch über 40 Kirchen und eine der größten christlichen Gemeinden im Nahen Osten. Inzwischen sind viele Bewohner nach Europa, Kanada oder woanders hin geflohen, erzählt der Sänger Razek-François Bitar bei der Präsentation des Musik-Theater-Projekts „Bach. Passion. Aleppo“ in der Urania Potsdam. Razek-François Bitar, der selbst aus Aleppo stammt, gibt gleich eine Kostprobe und singt ein Kyrie eleison in armenischer Sprache. Begleitet wird sein archaisch-ausdrucksvoller Gesang von Flötentönen auf der Nay, der arabischen Flöte, die von Mohamad Fityan gespielt wird. Auch auf der Kawala, der eher mystisch nach „1000 und einer Nacht“ klingenden Flöte erweist sich Fityan als virtuoser Spieler. Wie Bitar studierte er an der Musikhochschule von Damaskus, ebenso der Lautenspieler Nabil Hilaneh und der Harfenist Joseph Shallah.

Die vier Musiker treffen bei dem Projekt auf Gesang und Musik von Johann Sebastian Bach, die von Björn O. Wiede, dem von ihm gegründeten Ensemble Exxential Bach und vier Gesangssolisten bestritten wird. Geistliche Gesänge aus Syrien werden im Wechsel mit Arien und Chorälen aus dem deutschen Barock erklingen. Auf ein Vaterunser-Gebet in syrisch-aramäischer Sprache folgt ein Chor aus der Johannes-Passion, ein gesungenes Gebet auf Arabisch steht neben dem Cruzifixus-Chor aus der h-Moll-Messe, nach der Arie „Ich will bei meinem Jesu wachen“ folgt ein Mariengesang nach maronitischem Ritus und vieles mehr.

Zwar unterscheiden sich die Klangsprachen in vielen Aspekten, doch zugleich existieren ähnliche Methoden. So basiert manch einer der geistlichen, altsyrischen Gesänge auf weltlichen Liedern, erzählt Razek-François Bitar im Gespräch mit Karin Flegel, der Leiterin der Potsdamer Urania. Das wiederum kommt Björn O. Wiede sehr bekannt vor, denn das Parodie-Verfahren war auch bei Johann Sebastian Bach gang und gäbe. Ebenso existieren durchaus Gemeinsamkeiten zwischen dem orientalischen, „colorierten“ Gesang und den Verzierungen der Barockarien. „Die Andockstellen zwischen alten syrischen Passionsgesängen und den Bach’schen klagenden und betrachtenden Arien sind offensichtlich“, erklärt Björn O. Wiede.

Für den szenischen Hintergrund wurden abstrakte Gemälde von Bernd Guggenberger gewählt, der nicht nur Maler, sondern auch Essayist und Professor der Politikwissenschaft ist. Im Zentrum steht sein Gemälde mit dem gar nicht so abstrakten Doppelkreuz, ganz im Sinne seiner Überzeugung, nachdem erst der Kontext, in den ein Bild gestellt wird, Deutungszwänge erzeugt und Assoziationsketten beim Betrachter produziert. Natürlich hofft er auf die Fähigkeit der Menschen, im Sinne des „credo quia absurdum“ (Ich glaube, auch weil es absurd ist) auf eine Zukunft jenseits von Schutt, Angst und Krieg zu vertrauen.

Zu Musik und Szenenbild gesellt sich die tänzerische Darstellung durch Steffen Findeisen und einem weiterem Schauspieler. Unter der Regie von Jürgen Hinz soll so aus dem szenischen Konzert eine Art von „Überpassionsmesse“ entstehen, an der auch das Potsdamer Ensemble I Confidenti, vertreten durch Christine Jaschinsky, seinen Anteil hat. Hier wie dort ist die Musik eine grenzüberschreitende Klangsprache zum Ausdruck von Gefühlen. Nicht zuletzt ermöglicht jedoch der religiöse Inhalt das Finden eines gemeinsamen künstlerischen Miteinanders: „Das Thema ist das Leid Christi, und ist so mit dem Leid aller Menschen und insbesondere dem der Syrer zu verbinden“, äußert Razek-François Bitar und wünscht: „So wie die Botschaft der Passion Christi war, den leidenden Menschen Rettung und Liebe zu geben, so versuchen wir, Verständnis und Frieden durch die Musik zu vermitteln.“ Babette Kaiserkern

Aufführungen: „Bach. Passion. Aleppo“, am 24. März um 18 Uhr in der St. Matthäuskirche in Berlin, am 25. März um 18 Uhr in der Nikolaikirche Potsdam, am 26. März um 19.30 Uhr im Klosterstift Neuzelle.

Babette Kaiserkern

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